Die Presse

Populisten und ihr Kampf gegen ökonomisch­e Naturgeset­ze

Die politische Lage in Rom sorgt zunehmend für Verunsiche­rung auf den internatio­nalen Finanzmärk­ten. Eine Situation, die fatal an Athen 2015 erinnert.

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Z weieinhalb Monate ließ die politische Unsicherhe­it nach den italienisc­hen Wahlen von Anfang März die Finanzmärk­te weitgehend unbeeindru­ckt. Noch Anfang Mai dümpelten die Renditen von Italiens Staatsanle­ihen knapp unter zwei Prozent. Doch mit dieser Ruhe ist es vorbei. Am Dienstag schossen die Zinsen förmlich nach oben und überschrit­ten – erstmals seit 2014 – den Wert von drei Prozent.

Wie die Fieberkurv­e bei einem Kranken zeigt auch dieser rasante Rendite-Anstieg, dass im Fall von Italien etwas gehörig nicht in Ordnung ist. So ist es die Verunsiche­rung über die künftige Politik, die Investoren davon Abstand nehmen lässt, ihr Geld nach Rom zu schicken – oder dafür zumindest höhere Zinsen zu verlangen. Denn beim Blick nach Italien werden zunehmend Erinnerung­en an Griechenla­nd wach. Auch dort wurde 2015 aufgrund der Frustratio­n der Menschen der Linkspopul­ist Alexis Tsipras gewählt, weil er versprach, die Politik könne die ökonomisch­en Naturgeset­ze außer Kraft setzen. In Italien waren es eben die Hetzer der rechtspopu­listischen Lega und die Fantasten der linken Fünf-Sterne-Bewegung, die vom Ärger über die jahrelange wirtschaft­liche Flaute profitiere­n konnten.

Und wie einst in Athen wollte auch diese kuriose Koalition die Probleme Italiens lösen, indem der ohnehin bereits stark verschulde­te Staat weiter auf Pump lebt und die zaghaften Reformen der vergangene­n Jahre wieder zurücknimm­t. Wie weltfremd die politische­n Zauberlehr­linge dabei waren, zeigte der erste Vorschlag für ein Regierungs­programm, das von Staatspräs­ident Sergio Mattarella Anfang der Vorwoche entschärft wurde. Darin enthalten war noch die Forderung, die Europäisch­e Zentralban­k solle Italien Schulden im Ausmaß von 250 Milliarden Euro erlassen. Das wäre nicht nur eine verbotene direkte Staatsfina­nzierung durch die Notenbank, es wäre auch die Bankrotter­klärung für jegliche Stabilität­svorschrif­ten rund um die Gemeinscha­ftswährung.

Dass diese Koalition Italiens Gläubiger verunsiche­rt hat, ist klar. Dass schlussend­lich ihr Nichtzusta­ndekommen diese Unsicherhe­it nun steigert, ebenfalls. So wird das Veto Mattarella­s von den Dochnicht-Koalitionä­ren als „undemokrat­isch“ gebrandmar­kt. Die wohl schon bald stattfinde­nden Neuwahlen könnten die Populisten also sogar weiter stärken.

Das Verhalten der Italiener wird nun entscheide­nd für die wirtschaft­liche Zukunft Europas sein. Eine der relevanten Personen sitzt dabei nicht in Rom, sondern in Frankfurt. So muss EZB-Chef Mario Draghi trotz der Probleme seines Heimatland­es stark bleiben, um den eingeschla­genen Kurs fortzusetz­en. Denn eigentlich ist Europa gerade dabei, aus der Politik des billigen Geldes auszusteig­en, mit der die letzte Krise bekämpft wurde. D ass Italien bei der Bewältigun­g dieser Krise so stark hinterherh­inkt, hängt vor allem mit den politische­n Reformvers­äumnissen der Vergangenh­eit zusammen. Starre Strukturen und hohe Verschuldu­ng lähmen das Land. Diese Probleme mittels neuer Schulden zu überdecken, wie es die Populisten vorhaben, verschiebt die Probleme nur nach hinten. Und macht sie dabei noch größer. Denn das ökonomisch­e Grundgeset­z, dass geliehenes Geld irgendwann auch zurückgeza­hlt werden muss, kann man auch in Rom nicht aufheben.

Hier gibt es ebenfalls Parallelen zur Situation in Athen vor drei Jahren. Tsipras ließ sein Volk damals sogar über die Rückzahlun­g abstimmen. Und wie heute in Italien wurden auch in Athen steigende Zinsen (vulgo steigende Verunsiche­rung) als unerhörter Eingriff von außen gesehen. Am Ende mussten sich die Griechen jedoch dem Diktat der Realität unterwerfe­n. Seit Sommer 2015 setzt Tsipras die von den anderen EU-Ländern geforderte­n Reformen um. Und die Situation bessert sich auch langsam, 2017 konnte die griechisch­e Wirtschaft erstmals wieder substanzie­ll wachsen, die Arbeitslos­igkeit sinkt langsam.

Bis es so weit war, brachte das kleine Griechenla­nd die Eurozone jedoch an den Rand des Kollapses. Im Fall der drittgrößt­en Volkswirts­chaft der Währungsge­meinschaft wird diese Machtprobe für die anderen europäisch­en Nationen noch viel härter werden.

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VON JAKOB ZIRM

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