Die Presse

Der Mann, der Slowenien spaltet

Parlaments­wahl. Der rechtspopu­listische Ex-Premier Janez Janˇsa bastelt an einem Comeback. Doch selbst Platz eins könnte am Sonntag zu wenig sein. Denn der Orb´an-Freund ist isoliert.

- Von unserem Korrespond­enten THOMAS ROSER

Knapp hundert überwiegen­d ältere Zuhörer haben den Weg in die Gemeindeha­lle von Prebold gefunden. Draußen senkt sich die Abendsonne über die wohlbestel­lten Hopfenfeld­er der nordslowen­ischen 1700-Seelen-Gemeinde. Drinnen referiert der hagere ExPremier Janez Jansaˇ als Gastredner des Bauernforu­ms seiner Partei über den Familienba­uernhof als „Keimzelle der slowenisch­en Landwirtsc­haft“.

„Ohne moderne Technologi­e könnten wir überleben, ohne Nahrung nicht“, sagt der Chef der rechtspopu­listischen SDS. Die Gäste nicken. „Jeder Landwirt in Slowenien produziert etwas, das für die Zukunft strategisc­h wichtig ist.“

Vor Sloweniens Parlaments­wahl an diesem Sonntag liegt der SDS des streitbare­n Routiniers in den Umfragen deutlich vorn. Doch wie bei den jüngsten beiden Parlaments­wahlen ist in dem 2,1-Millionen-Einwohner-Land ein Triumph des SDS deshalb keineswegs ausgemacht – oder er könnte sich als Pyrrhussie­g erweisen. Kaum jemand will mit Jansaˇ koalieren.

Jansaˇ polarisier­t. Seine Anhänger vergöttern ihn, seine Gegner sehen in ihm einen populistis­chen Sektierer: Vor allem Jansasˇ Dauerklage, dass der seit 1991 unabhängig­e Alpenstaat noch stets von ex-jugoslawis­chen Dunkelmänn­ern um den früheren Präsidente­n Milan Kucan˘ gesteuert werde, trägt für seine Kritiker zunehmend irrational­e Züge. Jansaˇ selbst zeigt sich davon unbeirrt. Diejenigen, denen das unabhängig­e Slowenien nie eine genehme Option gewesen sei, nützten ihre „repressive Macht“, um das Land „kleinzumac­hen“und in Konflikt mit den eigenen Werten zu bringen, verkündete er dieser Tage.

Im früheren Jugoslawie­n wurde der damalige Dissident Ende der 1980er-Jahre wegen angebliche­r Preisgabe von Militärgeh­eimnissen verurteilt. 2014 musste der zweimalige Regierungs­chef wegen eines später aufgehoben­en Korruption­surteils erneut für mehrere Monate ins Gefängnis. „Politisch mehrmals getötet“sei Jansaˇ „immer wieder auferstand­en“, preist Ungarns Premier, Orban,´ bei einer SDS-Kundgebung in Celje seinen engen politische­n Freund: „Er ist ein rastloser und großartige­r Kämpfer in der slowenisch­en und europäisch­en Politik, ein loyaler Unterstütz­er unserer gemeinsame­n Ideale.“Wie Orban´ warnt Jansaˇ vor einer von dunkler Hand gesteuerte­n „Einladung von Migranten aus völlig fremden Zivilisati­onen“. Bei seinen Anhängern kommen seine Botschafte­n zwar an. Doch sein Wahlhelfer Orban´ scheint die Skepsis potenziell­er Partner gegenüber Jansaˇ eher zu vergrößern.

Wenn sich die Umfragen bewahrheit­en sollten, sei erneut mit einer Mitte-Links-Koalition zu rechnen, sagt in Ljubljana die Analystin Svetlana Slapzak. Jansaˇ reite zwar geschickt auf der Welle der von ihm geschürten „Flüchtling­shysterie“und verfüge auch über die mit Abstand mitglieder­stärkste Partei. Entscheide­nd werde jedoch die Wahlbeteil­igung in der Hauptstadt und das Ausmaß der „Apathie“der Jungwähler sein: „Weite Teile des Landes werden von der SDS kontrollie­rt. Doch Wahlen werden in Slowenien immer in Ljubljana entschiede­n.“

Egal, ob am Sonntag jeder fünfte oder jeder vierte Wähler für Jansasˇ SDS stimmen wird: Klare Mehrheitsv­erhältniss­e sind im Land der überzeugte­n Wechselwäh­ler nicht in Sicht. Sechs bis acht Parteien könnte bei gewohnt schwacher Wahlbeteil­igung der Sprung über die Vier-Prozent-Hürde gelingen.

Hinter der SDS ist derzeit in den Umfragen die LMS des früheren Politikimi­tators Marjan Sarecˇ als neue Partei der Mitte die stärkste Kraft – vor der sozialdemo­kratischen SD, der stark in der Wählerguns­t gefallenen SMC von NochPremie­r Miro Cerar und der Rentnerpar­tei DeSUS. Hoffnungen auf einen Parlaments­einzug machen sich neben einer neuen Linksparte­i die neuformier­te SAB von Ex-Regierungs­chefin Alenka Bratusekˇ und die christdemo­kratische NSi: Nur Letztere hat bisher die prinzipiel­le Bereitscha­ft zu einer Koalition mit Jansaˇ erklärt.

Der Zweite könnte deshalb nach der Wahl der Erste sein. Ein kräftiger Händedruck, das Haar streng gescheitel­t: Noch residiert der politische Newcomer Sarecˇ als Bürgermeis­ter im Rathaus der Provinzsta­dt Kamnik. Wie nach den letzten Parlaments­wahlen könnte mit seiner LMS ein Parteineul­ing die nächste Regierung führen. Slo- wenien stehe zwar „keineswegs schlecht“da, aber das Land sei von „in den alten Zeiten stehen gebliebene­n“Politikern in Geiselhaft genommen – und „könnte viel besser funktionie­ren“, sagt der Mann, in dem viele bereits den nächsten Premier des Landes sehen.

Schon bei den Präsidents­chaftswahl­en 2017 war dem 40-jährigen Sarecˇ ein Achtungser­folg geglückt. An eine Koalition mit der SDS verschwend­e er keine Gedanken, beteuert der selbsterkl­ärte Staatserne­uerer gegenüber der „Presse“: „Auch die nächste Regierung wird eine Koalition sein, die Kompromiss­e erfordert. Nur schwarz-weiß und mit extremen Positionen lässt sich nichts lösen.“

Trotz seines begrenzten Koalitions­potenzials gibt sich Jansaˇ indes zuversicht­lich. Die Wahl werde ein „schwerer Kampf“, sagt der SDS-Vormann zur „Presse“: „Aber die Trends sehen gut aus. Ich glaube, wir werden gewinnen.“Es werde im nächsten Parlament für seine SDS „genügend potenziell­e Koalitions­partner“geben. „Nach der Wahl ist alles möglich. Slowenien wird nicht die einzige rote Insel in diesem Teil Europas bleiben.“

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