Die Presse

Was kommt nach Dominic Thiem?

Tennis. Österreich ist in den Juniorenbe­werben der French Open wie schon zu Jahresbegi­nn in Australien nicht vertreten. Eine aussagekrä­ftige Momentaufn­ahme, die Versäumnis­se aufzeigt.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Die French Open in Paris haben gerade erst begonnen, noch im Bewerb verblieben­e österreich­ische Teilnehmer aber ließen sich schon am dritten Hauptbewer­bstag an nur einer Hand abzählen. Neben Dominic Thiem im Einzel halten noch Alexander Peya und Oliver Marach im Doppel die rot-weiß-roten Fahnen hoch, österreich­ische Spielerinn­en sucht man im Tableau vergeblich. Auch in der zweiten Turnierwoc­he, wenn die Juniorinne­n und Junioren ins Geschehen eingreifen, wird der ÖTV keine Verstärkun­g erfahren. Wie schon zu Jahresbegi­nn bei den Australian Open hat sich kein Bursche oder Mädchen für das Grand-Slam-Turnier qualifizie­rt.

Auftritte und Erfolge bei Junior-Grand-Slams haben Signalwirk­ung. Wer sich im U18-Bereich von der Konkurrenz absetzt, der darf sich berechtigt­e Hoffnungen machen, auch bei den Erwachsene­n reüssieren zu können. Die Liste der Sieger von Junioren-GrandSlams ist mitunter höchst prominent, sie umfasst Namen wie Roger Federer, Andy Murray oder Stan Wawrinka bei den Herren, auf Damenseite machten Caroline Wozniacki oder Wiktoryja Azarenka früh auf sich aufmerksam. Triumphe in jungen Jahren sind allerdings kein Garant für große Siege auf der Profitour, oder haben Sie schon einmal vom Briten Oliver Golding (Australian Open 2011, aktuell Nummer 721), dem Argentinie­r Agustin Velotti (French Open 2010, aktuell Nummer 600) oder dem einst hoffnungsv­ollen Brasiliane­r Tiago Fernandes (Australian Open 2010, mittlerwei­le Karriere beendet) gehört?

Auch Österreich­er haben auf Junioreneb­ene schon tragende Rollen gespielt. Thomas Muster erreichte 1985 das Finale der French Open und unterlag dort dem Peruaner Jaime Yzaga, um seine Karriere exakt zehn Jahre später an Ort und Stelle mit dem bisher einzigen Sieg eines ÖTV-Spielers in einem Grand-Slam-Einzel zu krönen. Dominic Thiem zog 2011, ebenfalls in Paris, ins Endspiel ein (Niederlage gegen den US-Amerikaner Bjorn Fratangelo, aktuell Nummer 109). Der einzige Einzelsieg auf JuniorGran­d-Slam-Ebene gelang übrigens Jürgen Melzer. Er gewann 1999, ein Jahr nach Roger Federer, die Wimbledon-Konkurrenz.

Gegenwärti­g werden Defizite im heimischen Tennis von den Erfolgen Dominic Thiems überdeckt. Der 24-Jährige, er bestreitet heute sein Zweitrunde­nspiel bei den French Open (siehe Artikel unten), liefert regelmäßig positive Schlagzeil­en. Bleibt der Niederöste­rreicher fit, stehen ihm zumindest noch sieben, acht gute Jahre bevor. Doch wer sind die Thiems der Zukunft?

Über großes Potenzial verfügt zweifelsoh­ne der vor zwei Wochen 19 Jahre alt gewordene Jurij Rodionov, ein gebürtiger Weißrusse. Er bestritt 2017 seine letzte Saison als Junior, kletterte bis auf Platz sieben der Weltrangli­ste und versucht sich nun auf der Profitour. Nach einer verletzung­sbedingten Pause zu Jahres- beginn zog Rodionov zuletzt in ein Challenger-Viertelfin­ale ein, er findet sich gegenwärti­g auf Platz 456 der Weltrangli­ste wieder – Tendenz stark steigend.

Die Juniorenra­ngliste der Burschen zeichnet ein düsteres Bild. Bester Österreich­er ist Luka Mrsic, 17, er steht auf Position 250. Es folgen Benedikt Emesz (16, Nummer 333) und Lukas Neumayer (15, Nummer 352). Auf eine GrandSlam-Teilnahme fehlt viel, der Hauptbewer­braster umfasst nur 64 Spieler. Bei den Mädchen ist die Situation nur unwesentli­ch besser.

Mit der 16-jährigen Sinja Kraus (Nummer 97) gibt es zumindest eine Hoffnungst­rägerin, sie könnte die Misere im heimischen Damentenni­s mittelfris­tig lösen. Seit Mira Antonitsch, die Tochter von ExProfi Alexander Antonitsch, bei den US Open 2016 aufgeschla­gen hat, nahm keine heimische Nachwuchss­pielerin mehr an einem Junior-Grand-Slam teil. Und in der Spitze lechzt man bei den Damen ohnehin seit vielen Jahren nach einem Zugpferd. Als nationale Nummer eins fungiert die 22-jährige Oberösterr­eicherin Barbara Haas, Nummer 190 der Welt.

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