Was kommt nach Dominic Thiem?
Tennis. Österreich ist in den Juniorenbewerben der French Open wie schon zu Jahresbeginn in Australien nicht vertreten. Eine aussagekräftige Momentaufnahme, die Versäumnisse aufzeigt.
Die French Open in Paris haben gerade erst begonnen, noch im Bewerb verbliebene österreichische Teilnehmer aber ließen sich schon am dritten Hauptbewerbstag an nur einer Hand abzählen. Neben Dominic Thiem im Einzel halten noch Alexander Peya und Oliver Marach im Doppel die rot-weiß-roten Fahnen hoch, österreichische Spielerinnen sucht man im Tableau vergeblich. Auch in der zweiten Turnierwoche, wenn die Juniorinnen und Junioren ins Geschehen eingreifen, wird der ÖTV keine Verstärkung erfahren. Wie schon zu Jahresbeginn bei den Australian Open hat sich kein Bursche oder Mädchen für das Grand-Slam-Turnier qualifiziert.
Auftritte und Erfolge bei Junior-Grand-Slams haben Signalwirkung. Wer sich im U18-Bereich von der Konkurrenz absetzt, der darf sich berechtigte Hoffnungen machen, auch bei den Erwachsenen reüssieren zu können. Die Liste der Sieger von Junioren-GrandSlams ist mitunter höchst prominent, sie umfasst Namen wie Roger Federer, Andy Murray oder Stan Wawrinka bei den Herren, auf Damenseite machten Caroline Wozniacki oder Wiktoryja Azarenka früh auf sich aufmerksam. Triumphe in jungen Jahren sind allerdings kein Garant für große Siege auf der Profitour, oder haben Sie schon einmal vom Briten Oliver Golding (Australian Open 2011, aktuell Nummer 721), dem Argentinier Agustin Velotti (French Open 2010, aktuell Nummer 600) oder dem einst hoffnungsvollen Brasilianer Tiago Fernandes (Australian Open 2010, mittlerweile Karriere beendet) gehört?
Auch Österreicher haben auf Juniorenebene schon tragende Rollen gespielt. Thomas Muster erreichte 1985 das Finale der French Open und unterlag dort dem Peruaner Jaime Yzaga, um seine Karriere exakt zehn Jahre später an Ort und Stelle mit dem bisher einzigen Sieg eines ÖTV-Spielers in einem Grand-Slam-Einzel zu krönen. Dominic Thiem zog 2011, ebenfalls in Paris, ins Endspiel ein (Niederlage gegen den US-Amerikaner Bjorn Fratangelo, aktuell Nummer 109). Der einzige Einzelsieg auf JuniorGrand-Slam-Ebene gelang übrigens Jürgen Melzer. Er gewann 1999, ein Jahr nach Roger Federer, die Wimbledon-Konkurrenz.
Gegenwärtig werden Defizite im heimischen Tennis von den Erfolgen Dominic Thiems überdeckt. Der 24-Jährige, er bestreitet heute sein Zweitrundenspiel bei den French Open (siehe Artikel unten), liefert regelmäßig positive Schlagzeilen. Bleibt der Niederösterreicher fit, stehen ihm zumindest noch sieben, acht gute Jahre bevor. Doch wer sind die Thiems der Zukunft?
Über großes Potenzial verfügt zweifelsohne der vor zwei Wochen 19 Jahre alt gewordene Jurij Rodionov, ein gebürtiger Weißrusse. Er bestritt 2017 seine letzte Saison als Junior, kletterte bis auf Platz sieben der Weltrangliste und versucht sich nun auf der Profitour. Nach einer verletzungsbedingten Pause zu Jahres- beginn zog Rodionov zuletzt in ein Challenger-Viertelfinale ein, er findet sich gegenwärtig auf Platz 456 der Weltrangliste wieder – Tendenz stark steigend.
Die Juniorenrangliste der Burschen zeichnet ein düsteres Bild. Bester Österreicher ist Luka Mrsic, 17, er steht auf Position 250. Es folgen Benedikt Emesz (16, Nummer 333) und Lukas Neumayer (15, Nummer 352). Auf eine GrandSlam-Teilnahme fehlt viel, der Hauptbewerbraster umfasst nur 64 Spieler. Bei den Mädchen ist die Situation nur unwesentlich besser.
Mit der 16-jährigen Sinja Kraus (Nummer 97) gibt es zumindest eine Hoffnungsträgerin, sie könnte die Misere im heimischen Damentennis mittelfristig lösen. Seit Mira Antonitsch, die Tochter von ExProfi Alexander Antonitsch, bei den US Open 2016 aufgeschlagen hat, nahm keine heimische Nachwuchsspielerin mehr an einem Junior-Grand-Slam teil. Und in der Spitze lechzt man bei den Damen ohnehin seit vielen Jahren nach einem Zugpferd. Als nationale Nummer eins fungiert die 22-jährige Oberösterreicherin Barbara Haas, Nummer 190 der Welt.