Heftige Freudentöne
Musikverein. Das Cleveland Orchestra beschloss seinen BeethovenZyklus mit einer impulsiv nach vorwärts drängenden Neunten.
Es war ein Mammutprojekt von Franz Welser-Möst und seinem exzellenten Orchester: alle Beethoven-Symphonien und einige seiner Ouvertüren an fünf aufeinanderfolgenden Tagen. Welser-Möst wollte damit, wie er bei einem Vortrag und in den Programmheften ausgeführt hat, auch zeigen, wie das Prometheus-Thema einen einigenden Subtext dieser Symphonien bildet.
Beethoven als Gipfelstürmer, der zu einem neuen Humanismus aufbricht? Lässt man einige der Abende Revue passieren, lässt sich durchaus ein solches Bild ausmachen, was poetische Momente keineswegs ausschließt. Davon zeugte besonders die strukturell wie klanglich modellhaft gelungene „Pastorale“. Aber auch, wie WelserMöst durch Tempodramaturgie gezeigt hat, dass der langsame Satz der Mittelpunkt der Zweiten ist, oder wie konsequent er in den Finaltrubel der Siebenten geführt hat.
Und die Neunte, seit jeher Inbegriff der Freiheit und des Aufbruchs zu einem neuen, noch erfüllteren Leben? Vor zwei Wo- chen, als die Philharmoniker mit Andris Nelsons diese Symphonie im Musikverein aufführten, hörte man an einigen unentschieden genommenen Tempi und zögerlich gesetzten Akzenten vornehmlich in den beiden ersten Sätzen, dass Nelsons dieses Repertoire erst verinnerlichen muss.
Nicht so Welser-Möst, der schon seit Jahren mit dieser d-Moll-Symphonie quasi lebt, sich mehrfach ihrer Herausforderung gestellt hat. Er hat von Beginn an auf die aufwühlende, oft sperrige Kraft dieser Musik gezielt, die sich zu einer entsprechend lautstarken Apotheose erhebt, und hat sich auf das Drängende, Heftige konzentriert. Das Geheimnisvolle, erfüllt Lyrische schien ihm an diesem Abend weniger wichtig.
Sehr unterschiedlich agierte das wenig glücklich gewählte Solistenquartett. Eine Klasse für sich: der Wiener Singverein. Auch bei Beethovens den Abend eröffnender, gleich der Neunten von der „Aspera ad astra“-Idee erfüllter Großer Fuge zeigten die Musiker aus Cleveland ihre hohe Klasse, bewiesen ihre ideale Übereinstimmung mit ihrem Musikdirektor.