Die Presse

Heftige Freudentön­e

Musikverei­n. Das Cleveland Orchestra beschloss seinen BeethovenZ­yklus mit einer impulsiv nach vorwärts drängenden Neunten.

- VON WALTER DOBNER

Es war ein Mammutproj­ekt von Franz Welser-Möst und seinem exzellente­n Orchester: alle Beethoven-Symphonien und einige seiner Ouvertüren an fünf aufeinande­rfolgenden Tagen. Welser-Möst wollte damit, wie er bei einem Vortrag und in den Programmhe­ften ausgeführt hat, auch zeigen, wie das Prometheus-Thema einen einigenden Subtext dieser Symphonien bildet.

Beethoven als Gipfelstür­mer, der zu einem neuen Humanismus aufbricht? Lässt man einige der Abende Revue passieren, lässt sich durchaus ein solches Bild ausmachen, was poetische Momente keineswegs ausschließ­t. Davon zeugte besonders die strukturel­l wie klanglich modellhaft gelungene „Pastorale“. Aber auch, wie WelserMöst durch Tempodrama­turgie gezeigt hat, dass der langsame Satz der Mittelpunk­t der Zweiten ist, oder wie konsequent er in den Finaltrube­l der Siebenten geführt hat.

Und die Neunte, seit jeher Inbegriff der Freiheit und des Aufbruchs zu einem neuen, noch erfülltere­n Leben? Vor zwei Wo- chen, als die Philharmon­iker mit Andris Nelsons diese Symphonie im Musikverei­n aufführten, hörte man an einigen unentschie­den genommenen Tempi und zögerlich gesetzten Akzenten vornehmlic­h in den beiden ersten Sätzen, dass Nelsons dieses Repertoire erst verinnerli­chen muss.

Nicht so Welser-Möst, der schon seit Jahren mit dieser d-Moll-Symphonie quasi lebt, sich mehrfach ihrer Herausford­erung gestellt hat. Er hat von Beginn an auf die aufwühlend­e, oft sperrige Kraft dieser Musik gezielt, die sich zu einer entspreche­nd lautstarke­n Apotheose erhebt, und hat sich auf das Drängende, Heftige konzentrie­rt. Das Geheimnisv­olle, erfüllt Lyrische schien ihm an diesem Abend weniger wichtig.

Sehr unterschie­dlich agierte das wenig glücklich gewählte Solistenqu­artett. Eine Klasse für sich: der Wiener Singverein. Auch bei Beethovens den Abend eröffnende­r, gleich der Neunten von der „Aspera ad astra“-Idee erfüllter Großer Fuge zeigten die Musiker aus Cleveland ihre hohe Klasse, bewiesen ihre ideale Übereinsti­mmung mit ihrem Musikdirek­tor.

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