Konfusion im Lager der Selbstgerechten
Linke und Pinke, Grüne und Pilzige: In den Oppositionsparteien offenbaren sich tiefe innere Widersprüche. Für die tatsächlich Schwächsten der eigenen Gesellschaft aber war das Interesse der Politik schon vor 2015 gering.
Die gute Nachricht zuerst: Geld muss nicht länger verdient werden, es wird bewilligt. Von und für Nichtregierungsorganisationen (NGOs), die zu einem erheblichen Teil von der Regierung bezahlt werden. Nein, das muss kein Widerspruch sein.
Wie auch die neueste und größte Oppositionspartei herzhaft gegen Spekulanten und Kapitalisten auftritt und die leibhaftige, fleischgewordene Version davon in ihren Reihen als Strippenzieher auch weiterhin in leitender Funktion duldet. Kein Diktator scheint zu schäbig, kein Despotengeld zu stinkig, um nicht im dunklen Winkel der Parteigranden in Eigenkapital überführt zu werden.
Überhaupt scheint das Narrativ der Opposition zu sein: Lobet und preiset den guten Oligarchen, er will nur unser Bestes! Linke und Pinke (ver)mögen sich. Der gute Oligarch von Österreich hatte schon einen gescheiterten Politikversuch im Nachbarland Ungarn zu bewältigen. Die Einstellung der Strafermittlungen erfolgte auf Antrag des guten Oligarchen selbst – obwohl dieser zugegeben hatte, dass seine Firma 15 Millionen Euro an Lobbyisten bezahlt habe. Aber sicher nicht zur Beeinflussung der Entscheidungsträger in der Politik.
Die Bestechung im Ausland sei damals nur strafbar gewesen, „wenn damit die Absicht verbunden war, sich einen Auftrag oder einen ,unbilligen Vorteil‘ zu verschaffen“, lautete die Begründung der Verfahrenseinstellung. Und Vorteilnahme, guter Oligarch? Sicher nicht, immer nur im Dienst der Humanität unterwegs.
Die Opposition hat andere Probleme. Lautes Pfeifen im Wald, getrieben von der berechtigten Sorge (Angst haben nur die Rechten), die Meinungshoheit in den Medien zu verlieren. Beim Wahlund Zahlvolk haben sie dieses Kapital schon längst verspielt. Die Argumente lassen sich nicht leicht auf der immerguten Seite finden.
Das führt zwangsweise zur Erhöhung der Dosis der Indoktrination. Die einzige „Nation“, die sie anerkennen, ist die Indoktrination. Beim Volksdichter Johann Nestroy im gesellschaftlichen Biedermeier und im politischen Vormärz war das noch die „Resignation“. Jeden Tag rücken die „nützlichen Idioten“(Lenin) aus, um die Botschaft – trotz der inneren Widersprüche – zu trommeln: Die Familie ist dysfunktional, die Gesellschaft gespalten und an der Zerstörung der Solidargemeinschaft innerhalb eines definierten Rahmens durch Staatsgrenzen wird heftig gearbeitet. Durch Überdehnen des Anspruchs und Überinterpretation der Bedürftigkeit.
Die sogenannten Millennials, die um die Jahrtausendwende geborenen Mitbürger, wachsen nun in die politische Verantwortung. Die Zartbesaiteten unter ihnen tummeln sich als „Generation Schneeflöckchen“. Aufgewachsen vor dem Fernsehschirm des Erziehungsmodells „Disney-TV“: Wölfchen und Lämmchen können in Frieden gemeinsam leben.
Stimmt vielleicht. Nur wird mit der Zeit aus Wölfchen ein Wolf und aus Lämmchen ein Schaf. Aber macht nichts. Alles nur Einzelfälle, an denen wir selbst schuld sind. Aber es gibt auch Momente der Erkenntnis, sogenannte luzide Phasen, wenn dann der scheidende Neos-Chef vom „mittelfristigen Bürgerkrieg“spricht. WohlfühlWeltverbesserer-Pinke, WellnessLinke und selbst ernannte progressive grüne Kräfte (auch pilzige, ein temporäres Phänomen), die den Sozial- also Nationalstaat durch Aushöhlung von Rechtsnormen überdehnen. Was zählt, ist die Unterwerfung unter Selbstgeißelungsritualen, die die Zukunftsperspektive verschatten. Linke Schönwetterträumerei und grüne Lobbypolitik frisch aus dem Puppenheim der auf Infantilität zurückgeschraubten Sozialromantik.
Merke: Werden Stellschrauben zu sehr nach links gedreht, fallen
(geboren 1962) ist Schriftsteller und Übersetzer mit einer Vorliebe für Gesellschaftskritik; er lebt in Wien und im Burgenland. Bisher sieben Bücher, u. a.: „Der Missbrauch des aufrechten Ganges“(1993), „Die Verhaftung der Dunkelheit wegen Einbruchs“(2003), „Die schönsten Liebeslieder von Slipknot“(2007), Androkles Verlag. sie heraus. Aber das ist sicher schon ein Übermaß von Realität, das auf Hass und Hetze zurückzuführen ist. Der Standpunkt bestimmt die Perspektive.
Auch Politiker erkennen sich und den Geist der Zeit – und schmeißen hin. Dann haben die Populisten (populos, lateinisch = das Volk) über die Demokratie (demos, griechisch = das Volk) gesiegt. Obwohl die Inschrift an der Wand des Verfassungsgerichtshofs besagt, „ihr Recht geht vom Volk aus“.
Die Politik nimmt das Privileg der Macht in Anspruch, wird aber zunehmend säumig, wenn es darum geht, ihren Teil dieses alten Pakts einzuhalten. Sicherheit für alle, Schutz der Bevölkerung, Gerechtigkeit statt überzogenen Anspruchsdenkens. Alles das wäre gut und ausreichend, solang der dafür steuerzahlende Bürger in Ruhe leben könnte.
Asyl und Einwanderung, gleichgesetzt von einer politischen Lobby für fordernde, drängelnde junge Männer im Gegensatz zu tatsächlich Bedürftigen wie Alten und Kranken. Der politisch korrekte, stets hyperventilierende politisch- mediale Gesinnungskomplex hat sich in der Migrationsfrage verrannt, das ist ein Fakt. Auch wenn sich die „postdemokratischen Wahrheitsproduzenten“(© Christian Ortner) noch so sehr gegen das Eingeständnis sträuben.
Das Lager der Selbstgerechten und Selbstherrlichen, derzeit auf die Oppositionsbank geschickt, kann aus eigener Kraft nicht wieder zum vernunftgeprägten Diskurs zurückfinden, wie es scheint. Steht die Opposition für eine Gesellschaft, die sich im Namen von Toleranz und Humanität mit deren Feinden verbündet? Also Freiheit, die zur Unfreiheit führt.
Durch ihre Lakaien (vulgo „Experten“) wird das Sicherheitsbedürfnis als Krankheit wegerklärt und als Angststörung oder Phobie delegitimiert. Dieses Verhalten ist nicht nur irrational, sondern hochgradig unmoralisch. Für tatsächliche Hilfe für die tatsächlich Schwächsten der eigenen Gesellschaft interessierten sich die politischen Mandatsträger schon vor 2015 kaum.
Auch interessant, dass es bis zur Welcome-Flüchtlingswelle geheißen hat: Es sei kein Geld vorhanden, keine Mittel mehr da, weil wir alle über unsere Verhältnisse gelebt hätten. Doch seit die Schleusen sich aufgetan haben, unter Anteilnahme der jetzigen Opposition, muss Geld nicht mehr verdient, sondern nur noch bewilligt werden (siehe oben).
Die schlechte Nachricht zuletzt: Am Pfingstwochenende wurde in der nordgriechischen Hafenstadt Thessaloniki „einer der progressivsten Bürgermeister“, der immer wieder den multikulturellen Charakter seiner Stadt hervorhob, von einem „rechten Mob“, einem „entfesselten Pöbel“mit geworfenem Müll und fliegenden Fetzen vom Feld gejagt.
So etwas wie ein „gerechter Volkszorn“kann dabei sicher nicht der Auslöser gewesen sein. Hätte es sich bei den unprofessionellen, weil nicht vermummten Demonstranten um „Friedensaktivisten“oder gar „gemäßigte Rebellen“gehandelt, wäre deren Mittel der Wahl wahrscheinlich der Pflasterstein oder gar der Molotowcocktail gewesen.