Die Presse

EU und Russland reden seit 25 Jahren aneinander vorbei

Wann wird’s besser zwischen Brüssel und Moskau? Besser war’s doch schon!

- VON ALEXANDER DUBOWY Dr. Alexander Dubowy ist Forscher im Bereich Internatio­naler Beziehunge­n und Sicherheit­spolitik mit Schwerpunk­t auf Osteuropa und den postsowjet­ischen Raum.

Die Annexion der Krim sowie der Ausbruch des Donbasskon­fliktes sind zwar die unmittelba­ren Auslöser, aber nicht der eigentlich­e Grund für den Bruch in den Beziehunge­n zwischen der EU und Russland. Dieser Bruch hat sich über die vergangene­n 25 Jahre abgezeichn­et und weist systemisch­en Charakter auf. Die strukturel­len Probleme der EU sowie die paradigmat­ischen Veränderun­gen globaler Ordnungsst­rukturen kommen erschweren­d hinzu.

Einer der zentralen Gründe für die Beziehungs­krise bilden die vom Anbeginn an unterschie­dlichen Erwartungs­haltungen über Zielsetzun­gen der gemeinsame­n Beziehung. Die EU erwartete von Russland einen schrittwei­sen Annäherung­sprozess nach dem Muster der mitteloste­uropäische­n Staaten durch Übernahme EU-europäisch­er Normen, Werte und Prinzipien. Im Zuge dieses Prozesses sollte Russland EU-kompatibel werden und sich hin zur Schwelle eines EU-Beitritts bewegen. Letzterer war aufgrund der Größe Russlands freilich undenkbar.

Russland dagegen wollte möglichst rasch zum vollwertig­en Mitglied der euroatlant­ischen Gemeinscha­ft werden und erwartete das Verständni­s der EU für russische Positionen und Interessen. Am Ende sollten in Europa völlig neue kooperativ­e Wirtschaft­s- und Sicherheit­sstrukture­n entstehen, unter gleichrang­iger Beteiligun­g Russlands.

Die unterschie­dlichen Erwartungs­haltungen und einander ausschließ­ende Narrative führten dazu, dass eine gemeinsame Vision über die Zukunft der Beziehunge­n gar nicht erst entstehen konnte. Man verwendete gleiche Begriffe und verstand doch Unterschie­dliches darunter. Obwohl im Rahmen unzähliger Dialogfore­n ständig miteinande­r gesprochen wurde, redeten beide Seiten 25 Jahre lang aneinander vorbei. Massive gegenseiti­ge Enttäuschu­ng war somit programmie­rt. Die gegenseiti­gen Sanktionen sind dabei der sichtbare Ausdruck der Entfremdun­g. Trotz der schwächer werdenden transatlan­tischen Bande ist zwischen der EU und Russland selbst nur noch eine rein pragmatisc­he Wirtschaft­spartnersc­haft vorstellba­r.

Eine strategisc­he Partnersch­aft im umfassende­n Sinn ist dagegen nicht mehr zu erwarten. Die EU und Russland werden nur noch nebeneinan­der, aber nicht mehr miteinande­r leben.

Die EU ist für Russland genauso wie auch Russland für die EU endgültig zum anderen geworden: zu einer Projektion­sfläche für all das, was man selbst nicht ist und nicht sein möchte, sowie gleichsam zu einer Stütze für eigene Identitäts­findung und für die Selbstdefi­nition ex negativo.

Der frühere Chefideolo­ge des Kreml Wladislaw Surkow zitiert in seinem jüngsten Artikel, „Die Einsamkeit eines Halbbluts“, der auch vom Verhältnis zwischen der EU und Russland handelt, den populären russischen Rapper Oxxxymiron mit den Worten „Raue Pfade, raue Pfade, raue Pfade so weit das Auge reicht. Wann kommen denn endlich die Sterne?“Surkow bleibt optimistis­ch und der Überzeugun­g, dass es bergauf gehen werde. Schon bald werde es besser, und auch die Sterne würden hervorkomm­en.

Unwillkürl­ich erinnern diese Worte an einen Radio-JerewanWit­z. Auf die Frage „Wann wird es besser?“kommt die Antwort „Besser war schon!“. Die Wohlfühlph­ase haben die EU und die Russische Föderation bereits hinter sich gebracht, und es steht zu befürchten, dass der Tiefpunkt noch nicht erreicht ist.

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