Die Presse

Kosten für Altersteil­zeit explodiere­n

Arbeitsmar­kt. Allein im Vorjahr sind die Kosten für die Altersteil­zeit um 25 Prozent auf 440 Millionen Euro gestiegen. Experten fordern daher eine Abschaffun­g der geblockten Variante.

- MITTWOCH, 30. MAI 2018 VON CHRISTIAN HÖLLER

Arbeitsmar­kt. Der Andrang auf die vom Arbeitsmar­ktservice geförderte Altersteil­zeit ist nicht zu stoppen. Alleine im Vorjahr sind die Kosten um 25 Prozent auf 440 Millionen Euro gestiegen. Experten verlangen nun eine Reform.

Der Andrang auf die vom Arbeitsmar­ktservice (AMS) geförderte Altersteil­zeit ist nicht zu stoppen. Allein im Vorjahr sind die Kosten für dieses Arbeitsmod­ell von 352 Millionen Euro auf 440 Millionen Euro gestiegen. Dies zeigt eine parlamenta­rische Anfragebea­ntwortung von Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ), die der „Presse“vorliegt. Eingebrach­t wurde die Anfrage von Neos-Sozialspre­cher Gerald Loacker. Bemerkensw­ert ist ein Langzeitve­rgleich. 2013 lagen die Kosten bei 204 Millionen Euro.

Die Altersteil­zeit wird immer wieder als versteckte Frühpensio­n bezeichnet. Sie kann von Männern ab 58 Jahren und von Frauen ab 53 Jahren in Anspruch genommen werden. Seit 2012 hat sich die Zahl der Leistungsb­ezieher von 17.334 auf 33.989 Personen fast verdoppelt.

Helmut Hofer, Experte vom Institut für Höhere Studien (IHS), geht nicht davon aus, dass der Andrang in den nächsten Jahren abnehmen wird. „Denn es bewegen sich geburtenst­arke Jahrgänge in Richtung Pension“, so Hofer. Um die Kosten zu senken, haben ÖVP und FPÖ im Regierungs­programm eine Einschränk­ung der Altersteil­zeit beschlosse­n. Demnach sollen Männer ab 2019 erst mit 59 Jahren und ab 2020 mit 60 Jahren in Altersteil­zeit gehen dürfen. Auch bei Frauen ist eine Anhebung vorgesehen – auf 54 Jahre ab 2019 und auf 55 Jahre ab 2020.

Vielen Experten geht diese Reform aber nicht weit genug. AMSVorstan­d Johannes Kopf, die Experten Helmut Hofer (IHS) und Thomas Url (Wifo) sowie die Neos fordern eine Abschaffun­g der geblockten Altersteil­zeit. Derzeit kann bei der Altersteil­zeit zwischen drei Varianten gewählt werden: die kontinuier­liche Altersteil­zeit, die geblockte Variante und die Teilpensio­n. Die beliebtest­e Variante ist die kontinuier­liche Altersteil­zeit. Dabei wird die Arbeitszei­t für maximal fünf Jahre kontinuier­lich reduziert. „Dieses Modell macht Sinn. Denn es bietet einen gleitenden Übergang in die Pension“, sagt Wifo-Pensionsex­perte Url.

Einsparung von 100 Mio. Euro

Kritik gibt es an der geblockten Variante. „Hier arbeiten Menschen häufig 2,5 Jahre voll, und dann 2,5 Jahre überhaupt nicht mehr“, kritisiert Neos-Sozialspre­cher Loacker. Damit finanziere der Staat de facto eine Frühpensio­nierung aus Mitteln der Arbeitsmar­ktpolitik.

Die geblockte Variante ist laut Loacker für Firmen ein guter Weg, um Jobs einfach abzubauen und ältere Arbeitnehm­er früher in die Pension zu schicken, ohne sich mit diversen Abfertigun­gsansprüch­en herumschla­gen zu müssen. Im Vorjahr zahlte das Arbeitsmar­ktservice für die geblockte Variante 100,4 Millionen Euro. Das Geld könnte mit der Abschaffun­g eingespart werden.

Kaum in Anspruch genommen wird, wie die parlamenta­rische Anfragebea­ntwortung zeigt, die von der früheren SPÖ-ÖVP-Regierung Anfang 2016 eingeführt­e Teilpensio­n. Auch hier gibt es Zuschüsse vom AMS. Doch im Vorjahr haben nur 367 Menschen davon Gebrauch gemacht. Der Grund für die geringe Popularitä­t liegt darin, dass die Teilpensio­n erst ab Vollendung des 62. Lebensjahr­es möglich ist. Wer in Altersteil­zeit gehen will, tut dies meist zum frühest möglichen Zeitpunkt.

Ohne die AMS-Millionen für die Altersteil­zeit wäre die Arbeitslos­igkeit bei älteren Menschen viel höher. Im Vorjahr lag in Österreich die Arbeitslos­enquote bei 8,5 Prozent. Aufgeschlü­sselt nach Altersgrup­pen war die Quote bei Personen zwischen 60 und 64 Jahren mit 12,4 Prozent am höchsten, gefolgt von Personen zwischen 55 und 59 Jahren (10,8 Prozent).

Die Altersteil­zeit hat neben anderen Maßnahmen dazu beigetrage­n, dass die Erwerbstät­igenquote von älteren Menschen in Österreich zuletzt gestiegen ist. Denn alle Menschen, welche die Altersteil­zeit in Anspruch nehmen, erscheinen in der Statistik während der gesamten Laufzeit (auch wenn sie in der Blockvaria­nte längere Zeit nicht arbeiten) als Beschäftig­te auf. Laut Statistik Austria kletterte die Erwerbstät­igenquote der über 55-Jährigen von 2011 bis 2017 von 39,9 Prozent auf 51,3 Prozent. In anderen europäisch­en Ländern ist der Wert viel höher. In Deutschlan­d sind es über 70 Prozent.

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