„Es geht nicht ums Bestrafen“
Interview. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) über ihre Pläne für die Mindestsicherung, das Arbeitsmarktservice – und darüber, was sie als Männerbeauftragte der Regierung vorhat.
Die Presse: Die Mindestsicherung ist eine Ihrer Großbaustellen. Den Ländern wird eine Obergrenze vorgeschrieben – nach unten gibt es Spielraum. Wie viel? Beate Hartinger-Klein: Das Gesetz ist in Vorbereitung, und wir machen entsprechende Simulationen, wir müssen das erst durchrechnen.
Wie will man den Wettbewerb zwischen den Bundesländern verhindern? Es ist Sinn der Sache, dass es keine Unterschiede mehr gibt. Derzeit ist der Zuzug in die Städte besonders groß. Wien muss dankbar sein, dass man sich damit beschäftigt.
Die Mindestsicherung wird künftig an Deutschkenntnisse gekoppelt. Wie werden die nachgeprüft? Es wird ein Deutschpaket zur Verfügung gestellt, und dann gibt es eine Prüfung. Mir ist wichtig, dass die nicht von derselben Stelle abgenommen wird, die Kurse anbietet. Bis dato haben sich manche in die Kurse hineingesetzt und berieseln lassen – und dafür ein Zertifikat bekommen. Die Prüfungen sollen künftig vom Österreichischen Integrationsfonds abgenommen werden.
Die neue Mindestsicherung sollte einer Magnetwirkung für Flüchtlinge vorbeugen. Die Kürzungen treffen jetzt aber auch Paare und Kinder. Warum? Es ist ein Ziel der Regierung, dass Alleinerziehende besser aussteigen als bisher. Es ist auch ein Ziel, dass Asylberechtigte, die eine große Familie haben, im Vergleich zu Menschen, die arbeiten, nicht besser aussteigen. Arbeit muss sich lohnen.
Das Gesetz wird auch zu einem Gutteil von externen Juristen entwickelt. Trauen Sie Ihren Beamten nicht? Es werden interne und externe Experten beauftragt – es ist eine komplexe Materie, wir wollen so viele Meinungen wie möglich. Wie viel kostet das? Ich glaube, das Honorar eines Rechtsprofessors ist nicht die Frage, sondern dass wir die bestmögliche Lösung haben.
Es gibt Bedenken, dass die neue Regelung verfassungs- und EUrechtlich hält. Zu wie viel Prozent sind Sie sich sicher? Beim Verfassungsgerichtshof kann man sich nie ganz sicher sein. Ich bin mir aber zu 99,9 Prozent sicher, dass es hält.
Es wurde angekündigt, dass die AMS-Vorstände bis zum Sommer ihre Reformideen vorlegen. Liegt Ihnen jetzt etwas vor? Nein.
Die AMS-Reform steht unter dem Vorzeichen der Effizienzsteigerung. Wo sehen Sie Ineffizienzen? Es geht darum, dass man sich international Best-Practice-Beispiele ansieht. Da wird der AMS-Vorstand etwas vorbereiten.
International gilt das österreichische AMS als Best-Practice Beispiel. Ja, das stimmt, aber es gibt Teilbereiche, in denen wir noch besser werden können. Es geht darum, den Gap zwischen Arbeitssuchenden und Unternehmern zu schließen.
Die Hälfte der Arbeitslosen hat nur Pflichtschulabschluss. Können das wirklich die gesuchten Fachkräfte werden? Ich gehe davon aus, dass sich jemand weiterentwickeln will. In einem ersten Schritt muss man aber erheben, was die Unternehmen genau brauchen. Wir sind da
(FPÖ) muss in ihrem Megaressort mit zehn Sektionen die Großreformen zu Mindestsicherung, Sozialversicherung und AMS-Neustrukturierung organisieren. Auch das bei ihr angesiedelte gekippte Rauchverbot sorgte für Kontroversen. Die Steirerin studierte Wirtschaftswissenschaften und war in der Geschäftsführung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger tätig. in sehr engem Kontakt mit der Wirtschaft.
Sie haben angekündigt, mehr zu sanktionieren. Ist das AMS derzeit mit Arbeitsunwilligen zu weich? Wir wollen ein Bonussystem – es geht nicht um Bestrafung. Wenn man aber eine Arbeit öfters ablehnt, dann gibt es Abzüge von Arbeitslosengeld und Mindestsicherung.
Das passiert bereits. Was ist also neu? Ja, das bleibt. Bisher ist es aber auch so, dass sich manche gar nicht ernsthaft bewerben. Sie holen sich nur einen Stempel vom Unternehmer und gehen wieder. Diese Masche muss noch besser erkannt werden. Mir geht es auch darum, personalisierter zu vermitteln. Besser zu erkennen, was kann der Einzelne, was will er, wo kann ich ihn hinqualifizieren, wo wird er gebraucht.
Ein AMS-Betreuer hat derzeit rund sieben Minuten pro Kunden Zeit. Wie soll da die Betreuung individualisiert werden? Deshalb ist es wichtig, Kompetenzzentren zu schaffen. Dort kann man bei gewissen Gruppen, wo es schwieriger ist, auch in Richtung psychologische Betreuung arbeiten.
Sie wollen ein Kompetenzzentrum für Migranten. Wie soll das genau aussehen? Da warte ich auf Vorschläge des Vorstandes.
Die Verschärfung des Zugangs zu Frühpension oder Hacklerregelung hat viel gebracht. Auf der anderen Seite ist dadurch die Arbeitslosigkeit bei Älteren gestiegen. Was wollen Sie da tun? Erfahrung muss etwas wert sein – und auch da muss man sehen, was die Unternehmen brauchen. Man muss für sie auch Anreize schaffen, ältere Arbeitnehmer aufzunehmen. Auf der anderen Seite will ich präventiv arbeiten, damit Arbeitnehmer länger gesund und einsatzfähig sind.
Zur Sozialversicherung: In den nächsten zehn Jahren sollen 30 Prozent des Verwaltungspersonals abgebaut werden. Werden die Bearbeitungszeiten dann länger? Allein durch die Erledigung eines Antrags online sparen wir uns drei Euro pro Patienten. Die Digitalisierung wird vieles einfacher, billiger und schneller machen.
Die Verwaltungskosten der Sozialversicherungsträger liegen derzeit bei zwei bis vier Prozent. Ist das nicht schon sehr effizient? Ich weiß, dass da nicht die ganzen Verwaltungskosten drinnen sind, sondern irgendwohin gerechnet wurden. Das muss man sich ganz genau anschauen.
Zur Leistungsharmonisierung: Sie haben gesagt, Sie wollen nach oben harmonisieren. Wie soll sich das finanzieren? Ich möchte zuerst definieren, welche medizinischen Leistungen wir brauchen, das hat jetzt noch nichts mit einem Preis zu tun.
Wie viel wird die Reform kosten? Man weiß, dass ein Veränderungsprozess am Anfang immer kostet. Wie viel, das müssen wir uns erst anschauen.
Ihr Ressort ist auch für Männeragenden und Tierschutz zuständig. Was wollen Sie da in Angriff nehmen? Was die Männer betrifft: Ich will bei Migranten und asylberechtigten Männern ein Bewusstsein schaffen, was ein wertschätzendes Verhältnis gegenüber Frauen bedeutet. Im Tierschutz ist uns ein besonderes Anliegen, wie Tiere behandelt werden, dass Katzen und Hunde etwa nicht in der Auslage sitzen müssen.
Sie werden immer wieder als Ablösekandidatin gehandelt. Halten Sie eine Legislaturperiode durch? Ich nehme die Gerüchte um meine Ablöse gelassen – wie oft wurde das bei meinem Vorgänger Alois Stöger kolportiert. Er war einer der längstdienenden Minister. Ich nehme das gelassen. Ich will für die Menschen in diesem Land da sein und habe noch viel Energie.