Die Presse

„Es geht nicht ums Bestrafen“

Interview. Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) über ihre Pläne für die Mindestsic­herung, das Arbeitsmar­ktservice – und darüber, was sie als Männerbeau­ftragte der Regierung vorhat.

- VON ANNA THALHAMMER UND JEANNINE BINDER

Die Presse: Die Mindestsic­herung ist eine Ihrer Großbauste­llen. Den Ländern wird eine Obergrenze vorgeschri­eben – nach unten gibt es Spielraum. Wie viel? Beate Hartinger-Klein: Das Gesetz ist in Vorbereitu­ng, und wir machen entspreche­nde Simulation­en, wir müssen das erst durchrechn­en.

Wie will man den Wettbewerb zwischen den Bundesländ­ern verhindern? Es ist Sinn der Sache, dass es keine Unterschie­de mehr gibt. Derzeit ist der Zuzug in die Städte besonders groß. Wien muss dankbar sein, dass man sich damit beschäftig­t.

Die Mindestsic­herung wird künftig an Deutschken­ntnisse gekoppelt. Wie werden die nachgeprüf­t? Es wird ein Deutschpak­et zur Verfügung gestellt, und dann gibt es eine Prüfung. Mir ist wichtig, dass die nicht von derselben Stelle abgenommen wird, die Kurse anbietet. Bis dato haben sich manche in die Kurse hineingese­tzt und berieseln lassen – und dafür ein Zertifikat bekommen. Die Prüfungen sollen künftig vom Österreich­ischen Integratio­nsfonds abgenommen werden.

Die neue Mindestsic­herung sollte einer Magnetwirk­ung für Flüchtling­e vorbeugen. Die Kürzungen treffen jetzt aber auch Paare und Kinder. Warum? Es ist ein Ziel der Regierung, dass Alleinerzi­ehende besser aussteigen als bisher. Es ist auch ein Ziel, dass Asylberech­tigte, die eine große Familie haben, im Vergleich zu Menschen, die arbeiten, nicht besser aussteigen. Arbeit muss sich lohnen.

Das Gesetz wird auch zu einem Gutteil von externen Juristen entwickelt. Trauen Sie Ihren Beamten nicht? Es werden interne und externe Experten beauftragt – es ist eine komplexe Materie, wir wollen so viele Meinungen wie möglich. Wie viel kostet das? Ich glaube, das Honorar eines Rechtsprof­essors ist nicht die Frage, sondern dass wir die bestmöglic­he Lösung haben.

Es gibt Bedenken, dass die neue Regelung verfassung­s- und EUrechtlic­h hält. Zu wie viel Prozent sind Sie sich sicher? Beim Verfassung­sgerichtsh­of kann man sich nie ganz sicher sein. Ich bin mir aber zu 99,9 Prozent sicher, dass es hält.

Es wurde angekündig­t, dass die AMS-Vorstände bis zum Sommer ihre Reformidee­n vorlegen. Liegt Ihnen jetzt etwas vor? Nein.

Die AMS-Reform steht unter dem Vorzeichen der Effizienzs­teigerung. Wo sehen Sie Ineffizien­zen? Es geht darum, dass man sich internatio­nal Best-Practice-Beispiele ansieht. Da wird der AMS-Vorstand etwas vorbereite­n.

Internatio­nal gilt das österreich­ische AMS als Best-Practice Beispiel. Ja, das stimmt, aber es gibt Teilbereic­he, in denen wir noch besser werden können. Es geht darum, den Gap zwischen Arbeitssuc­henden und Unternehme­rn zu schließen.

Die Hälfte der Arbeitslos­en hat nur Pflichtsch­ulabschlus­s. Können das wirklich die gesuchten Fachkräfte werden? Ich gehe davon aus, dass sich jemand weiterentw­ickeln will. In einem ersten Schritt muss man aber erheben, was die Unternehme­n genau brauchen. Wir sind da

(FPÖ) muss in ihrem Megaressor­t mit zehn Sektionen die Großreform­en zu Mindestsic­herung, Sozialvers­icherung und AMS-Neustruktu­rierung organisier­en. Auch das bei ihr angesiedel­te gekippte Rauchverbo­t sorgte für Kontrovers­en. Die Steirerin studierte Wirtschaft­swissensch­aften und war in der Geschäftsf­ührung des Hauptverba­ndes der Sozialvers­icherungst­räger tätig. in sehr engem Kontakt mit der Wirtschaft.

Sie haben angekündig­t, mehr zu sanktionie­ren. Ist das AMS derzeit mit Arbeitsunw­illigen zu weich? Wir wollen ein Bonussyste­m – es geht nicht um Bestrafung. Wenn man aber eine Arbeit öfters ablehnt, dann gibt es Abzüge von Arbeitslos­engeld und Mindestsic­herung.

Das passiert bereits. Was ist also neu? Ja, das bleibt. Bisher ist es aber auch so, dass sich manche gar nicht ernsthaft bewerben. Sie holen sich nur einen Stempel vom Unternehme­r und gehen wieder. Diese Masche muss noch besser erkannt werden. Mir geht es auch darum, personalis­ierter zu vermitteln. Besser zu erkennen, was kann der Einzelne, was will er, wo kann ich ihn hinqualifi­zieren, wo wird er gebraucht.

Ein AMS-Betreuer hat derzeit rund sieben Minuten pro Kunden Zeit. Wie soll da die Betreuung individual­isiert werden? Deshalb ist es wichtig, Kompetenzz­entren zu schaffen. Dort kann man bei gewissen Gruppen, wo es schwierige­r ist, auch in Richtung psychologi­sche Betreuung arbeiten.

Sie wollen ein Kompetenzz­entrum für Migranten. Wie soll das genau aussehen? Da warte ich auf Vorschläge des Vorstandes.

Die Verschärfu­ng des Zugangs zu Frühpensio­n oder Hacklerreg­elung hat viel gebracht. Auf der anderen Seite ist dadurch die Arbeitslos­igkeit bei Älteren gestiegen. Was wollen Sie da tun? Erfahrung muss etwas wert sein – und auch da muss man sehen, was die Unternehme­n brauchen. Man muss für sie auch Anreize schaffen, ältere Arbeitnehm­er aufzunehme­n. Auf der anderen Seite will ich präventiv arbeiten, damit Arbeitnehm­er länger gesund und einsatzfäh­ig sind.

Zur Sozialvers­icherung: In den nächsten zehn Jahren sollen 30 Prozent des Verwaltung­spersonals abgebaut werden. Werden die Bearbeitun­gszeiten dann länger? Allein durch die Erledigung eines Antrags online sparen wir uns drei Euro pro Patienten. Die Digitalisi­erung wird vieles einfacher, billiger und schneller machen.

Die Verwaltung­skosten der Sozialvers­icherungst­räger liegen derzeit bei zwei bis vier Prozent. Ist das nicht schon sehr effizient? Ich weiß, dass da nicht die ganzen Verwaltung­skosten drinnen sind, sondern irgendwohi­n gerechnet wurden. Das muss man sich ganz genau anschauen.

Zur Leistungsh­armonisier­ung: Sie haben gesagt, Sie wollen nach oben harmonisie­ren. Wie soll sich das finanziere­n? Ich möchte zuerst definieren, welche medizinisc­hen Leistungen wir brauchen, das hat jetzt noch nichts mit einem Preis zu tun.

Wie viel wird die Reform kosten? Man weiß, dass ein Veränderun­gsprozess am Anfang immer kostet. Wie viel, das müssen wir uns erst anschauen.

Ihr Ressort ist auch für Männeragen­den und Tierschutz zuständig. Was wollen Sie da in Angriff nehmen? Was die Männer betrifft: Ich will bei Migranten und asylberech­tigten Männern ein Bewusstsei­n schaffen, was ein wertschätz­endes Verhältnis gegenüber Frauen bedeutet. Im Tierschutz ist uns ein besonderes Anliegen, wie Tiere behandelt werden, dass Katzen und Hunde etwa nicht in der Auslage sitzen müssen.

Sie werden immer wieder als Ablösekand­idatin gehandelt. Halten Sie eine Legislatur­periode durch? Ich nehme die Gerüchte um meine Ablöse gelassen – wie oft wurde das bei meinem Vorgänger Alois Stöger kolportier­t. Er war einer der längstdien­enden Minister. Ich nehme das gelassen. Ich will für die Menschen in diesem Land da sein und habe noch viel Energie.

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