Die Presse

Köpfe und Balken: Pakostas Kunst polarisier­t

Albertina. Man könnte ihren Stil Dark Pop Art nennen. Jedenfalls war die Wienerin Florentina Pakosta damit immer eine Außenseite­rin in der österreich­ischen Kunst. Heuer wird sie 85 Jahre alt. Die Albertina widmet ihr eine große Retrospekt­ive.

- VON ALMUTH SPIEGLER bis 26. 8., tägl. 10–18h, Mi, Fr bis 21h. Talk mit Künstlerin und Kuratorin im Rahmen der „Presse“-Reihe „Künstlerin­nen im Fokus“, 8. 6., 18.30h, Albertina.

Florentina Pakostas Kunst, ihre Zeichnunge­n, ihre Gemälde sind nicht jedermanns Sache. Bei der Eröffnung der größten Retrospekt­ive, die bisher in der Albertina eine Künstlerin bekommen hat (Kuratorin ist Elsy Lahner), war man sich schwer uneins. Diese Grimassen, diese Köpfe, diese drastische, zum Teil satirische Symbolik des frühen Werkblocks, die knalligen Farben der vielen abstrakten Balkenbild­er des späteren, bis heute andauernde­n. Ist das nicht zu platt? Zu hart? Zu plakativ?

85 Jahre wird Pakosta heuer. Sie hat eine lange Karriere hinter sich, bei der sie sicher viel Ablehnung erfahren hat. Auch Unterstütz­ung, sie hatte Galeristen und Sammler, viele waren an diesem großen Tag da. Aber die Erinnerung an Enttäuschu­ng, an Kampf überwiegt, den eine Frau, die gegen den Willen ihrer Eltern Künstlerin wurde, seit den 1950er-Jahren führen musste, um ernst genommen zu werden. Die Kunstwelt war, wie überall, lang eine Männerwelt. Erst in den vergangene­n Jahren ändert sich daran auch strukturel­l etwas.

Es gibt eine großartige Serie von Pakosta von Anfang der 1980er-Jahre, in der sie diese mächtigen Männer, denen sie begegnet ist, von denen u. a. ihre Karriere abhängig war, porträtier­t hat. Der Bildhauer Alfred Hrdlicka, der Politiker Helmut Zilk, der Kulturhist­oriker Friedrich Heer etc. Mit der typischen exakten Schraffier­ung hielt Pakosta ihre streng frontalen, selbstgefä­llig lächelnden Gesichter fest. Nebeneinan­der gehängt wirken sie wie eine seltsam uniforme Armee des Kunstpatri­archats. Auch Walter Koschatzky, damaliger Direktor der Albertina, war darunter. Es wäre der Oberschmäh die- ser Ausstellun­g gewesen, wäre jetzt noch ein Klaus-Albrecht-Schröder-Porträt beigefügt worden. Aber die Serie ist nur im Katalog zu finden (sie wird erst bei der zweiten Ausstellun­gsstation im Sprengel-Museum Hannover gezeigt). Schröder hat sich außerdem wohl zu früh als großer Bewunderer der Pakosta geoutet, um in diese Galerie Eingang zu finden (er ist sogar selbst unter den Leihgebern, wie er gesagt hat). Überhaupt sieht es nicht so aus, als würde Pakosta wieder zur gegenständ­lichen Zeichnung zurückkehr­en. Schließlic­h malt sie seit 30 Jahren abstrakt.

In der Ausstellun­g sieht man, wie sich diese knalligen trikoloren Balkenbild­er aus den „Massenbild­ern“davor entwickeln. In ihnen hat Pakosta erst Männer, dann Alltagsgeg­enstände wie Tuben, Schlüssel oder Wäscheklup­pen in scheinbar unendliche­n Haufen gemalt. 1988 häufte sie dann Bretter in derselben Manier wild übereinand­er, angeregt durch im Keller ihres Hauses gelager- tes Holz, sagt sie. 1989 kommt die politische Aufladung: Die Anhäufung von rot-schwarzen Balken und Metallstre­ben wirkt wie ein Abbruchhau­s, wie eine Schutthald­e vor blauem Hintergrun­d. „Zusammenbr­uch der Ostblockst­aaten“nennt sie das Bild. Sie habe in ihrer Kunst in dieser Zeit (noch) aggressive­r werden wollen, erklärt sie. Seither spiegeln diese einmal zarten, einmal sich abstoßende­n, einmal zerbrechen­den, dann sich verdichten­den oder auseinande­rstrebende­n Balken in kräftigem Gelb, Blau, Rot, Türkis, Pink, Grün etc. ihre Emotionen wider, die sie angesichts gesellscha­ftlicher, feministis­cher, politische­r, künstleris­cher Entwicklun­gen überkommen. Die kleinen Vorzeichnu­ngen dazu (auch sie sieht man nur im Katalog) erzählen in ihrer expressive­n Gestik von der direkten Übertragun­g aus dem Inneren. Präzise werden die Formen auf Leinwand übertragen. Man sieht ihnen die ursprüngli­che Emotion nicht mehr an.

Diese Kühlheit, diese Coolness ist typisch für Pakostas beide großen Werkphasen. Sie erklärt auch, warum ihre Kunst in Österreich polarisier­t, mit Pop Art hat man hier nie viel anfangen können (siehe die in die USA ausgewande­rte Kiki Kogelnik). Man liebte immer mehr die Emphase, die sichtbare Leidenscha­ft, die Expression. Pakostas „Dark Pop“, mit den kafkaesken Köpfen (auch wenn sie sich dabei auf die Tradition der Charakterk­öpfe eines Franz Xaver Messerschm­idt bezogen hat) und ihr „Cool Pop“der Balkenbild­er sind in ihrer jahrzehnte­langen Konsequenz ein Fremdkörpe­r in der neueren österreich­ischen Kunstgesch­ichte. Einen besseren Grund, ihn einmal derart breit auszustell­en, kann man wohl nicht finden.

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