Köpfe und Balken: Pakostas Kunst polarisiert
Albertina. Man könnte ihren Stil Dark Pop Art nennen. Jedenfalls war die Wienerin Florentina Pakosta damit immer eine Außenseiterin in der österreichischen Kunst. Heuer wird sie 85 Jahre alt. Die Albertina widmet ihr eine große Retrospektive.
Florentina Pakostas Kunst, ihre Zeichnungen, ihre Gemälde sind nicht jedermanns Sache. Bei der Eröffnung der größten Retrospektive, die bisher in der Albertina eine Künstlerin bekommen hat (Kuratorin ist Elsy Lahner), war man sich schwer uneins. Diese Grimassen, diese Köpfe, diese drastische, zum Teil satirische Symbolik des frühen Werkblocks, die knalligen Farben der vielen abstrakten Balkenbilder des späteren, bis heute andauernden. Ist das nicht zu platt? Zu hart? Zu plakativ?
85 Jahre wird Pakosta heuer. Sie hat eine lange Karriere hinter sich, bei der sie sicher viel Ablehnung erfahren hat. Auch Unterstützung, sie hatte Galeristen und Sammler, viele waren an diesem großen Tag da. Aber die Erinnerung an Enttäuschung, an Kampf überwiegt, den eine Frau, die gegen den Willen ihrer Eltern Künstlerin wurde, seit den 1950er-Jahren führen musste, um ernst genommen zu werden. Die Kunstwelt war, wie überall, lang eine Männerwelt. Erst in den vergangenen Jahren ändert sich daran auch strukturell etwas.
Es gibt eine großartige Serie von Pakosta von Anfang der 1980er-Jahre, in der sie diese mächtigen Männer, denen sie begegnet ist, von denen u. a. ihre Karriere abhängig war, porträtiert hat. Der Bildhauer Alfred Hrdlicka, der Politiker Helmut Zilk, der Kulturhistoriker Friedrich Heer etc. Mit der typischen exakten Schraffierung hielt Pakosta ihre streng frontalen, selbstgefällig lächelnden Gesichter fest. Nebeneinander gehängt wirken sie wie eine seltsam uniforme Armee des Kunstpatriarchats. Auch Walter Koschatzky, damaliger Direktor der Albertina, war darunter. Es wäre der Oberschmäh die- ser Ausstellung gewesen, wäre jetzt noch ein Klaus-Albrecht-Schröder-Porträt beigefügt worden. Aber die Serie ist nur im Katalog zu finden (sie wird erst bei der zweiten Ausstellungsstation im Sprengel-Museum Hannover gezeigt). Schröder hat sich außerdem wohl zu früh als großer Bewunderer der Pakosta geoutet, um in diese Galerie Eingang zu finden (er ist sogar selbst unter den Leihgebern, wie er gesagt hat). Überhaupt sieht es nicht so aus, als würde Pakosta wieder zur gegenständlichen Zeichnung zurückkehren. Schließlich malt sie seit 30 Jahren abstrakt.
In der Ausstellung sieht man, wie sich diese knalligen trikoloren Balkenbilder aus den „Massenbildern“davor entwickeln. In ihnen hat Pakosta erst Männer, dann Alltagsgegenstände wie Tuben, Schlüssel oder Wäschekluppen in scheinbar unendlichen Haufen gemalt. 1988 häufte sie dann Bretter in derselben Manier wild übereinander, angeregt durch im Keller ihres Hauses gelager- tes Holz, sagt sie. 1989 kommt die politische Aufladung: Die Anhäufung von rot-schwarzen Balken und Metallstreben wirkt wie ein Abbruchhaus, wie eine Schutthalde vor blauem Hintergrund. „Zusammenbruch der Ostblockstaaten“nennt sie das Bild. Sie habe in ihrer Kunst in dieser Zeit (noch) aggressiver werden wollen, erklärt sie. Seither spiegeln diese einmal zarten, einmal sich abstoßenden, einmal zerbrechenden, dann sich verdichtenden oder auseinanderstrebenden Balken in kräftigem Gelb, Blau, Rot, Türkis, Pink, Grün etc. ihre Emotionen wider, die sie angesichts gesellschaftlicher, feministischer, politischer, künstlerischer Entwicklungen überkommen. Die kleinen Vorzeichnungen dazu (auch sie sieht man nur im Katalog) erzählen in ihrer expressiven Gestik von der direkten Übertragung aus dem Inneren. Präzise werden die Formen auf Leinwand übertragen. Man sieht ihnen die ursprüngliche Emotion nicht mehr an.
Diese Kühlheit, diese Coolness ist typisch für Pakostas beide großen Werkphasen. Sie erklärt auch, warum ihre Kunst in Österreich polarisiert, mit Pop Art hat man hier nie viel anfangen können (siehe die in die USA ausgewanderte Kiki Kogelnik). Man liebte immer mehr die Emphase, die sichtbare Leidenschaft, die Expression. Pakostas „Dark Pop“, mit den kafkaesken Köpfen (auch wenn sie sich dabei auf die Tradition der Charakterköpfe eines Franz Xaver Messerschmidt bezogen hat) und ihr „Cool Pop“der Balkenbilder sind in ihrer jahrzehntelangen Konsequenz ein Fremdkörper in der neueren österreichischen Kunstgeschichte. Einen besseren Grund, ihn einmal derart breit auszustellen, kann man wohl nicht finden.