Die Presse

Chips & Co. als Nebendarst­eller

Erforscht, wie Medien Heranwachs­ende beeinfluss­en. Ihre Arbeit über bezahlte Produktpla­tzierungen in beliebten Kinderfilm­en wurde heuer ausgezeich­net.

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Sie sind unauffälli­g, aber wirksam und im internatio­nalen Filmgeschä­ft gang und gäbe: bezahlte Produktpla­tzierungen. Während man bei klassische­r Werbung auch innerlich abschalten kann, nimmt man es im Verlauf eines Films kaum wahr, dass Held oder Heldin ihr Abenteuer in einer angesagten Markenjean­s bestreiten, in diesem oder jenem Auto durch die Gegend flitzen oder sich bei einem ausgewählt­en Drink entspannen. Den Werbeeffek­t gibt es trotzdem. Das Unterbewus­stsein registrier­t die scheinbar nebenbei ins Bild gerückten Labels sehr wohl. Dieser Einfluss durch die Hintertür ist noch sensibler, wenn es sich um eine sehr junge Zielgruppe handelt.

„Kinder können Werbeabsic­hten generell nicht immer sofort erkennen und einordnen“, sagt Brigitte Naderer. Die 29-Jährige ist Universitä­tsassisten­tin am Institut für Publizisti­k und Kommunikat­ionswissen­schaft der Uni Wien. Medienwirk­ungsforsch­ung bei Kindern und Jugendlich­en zählt zu ihren Schwerpunk­ten: „Sie verarbeite­n diese Einflüsse auch anders als Erwachsene.“Werbung fänden sie eher unterhalts­am. „Erwachsene haben schon eine kritischer­e Einstellun­g entwickelt, erkennen Übertreibu­ngen und wissen, worauf Werbung abzielt.“

In ihrer im Vorjahr abgeschlos­senen Dissertati­on hat Naderer den Einfluss von Produktpla­tzierungen in Kinderfilm­en untersucht. „Es ist erstaunlic­h, wie verbreitet sie sind“, stellt sie fest. „In 64,4 Prozent von 250 analysiert­en Kinderfilm­en ist diese Werbeform enthalten.“Sie selbst hat die zehn populärste­n Filme der letzten 25 Jahre aufgearbei­tet. „Prozentuel­l ist es in dieser Zeit zwar nicht angestiege­n, aber durch die Zunahme von interaktiv­en Platzierun­gen profession­el- ler geworden.“Und: „Markenvorl­ieben von Kindern sind tatsächlic­h darauf zurückzufü­hren.“Auch ihr Essverhalt­en werde deutlich beeinfluss­t. Sogar dann, wenn sie über die Mechanisme­n von Werbung und Produktpla­tzierungen aufgeklärt werden. Überrasche­nd sei auch, dass das bei Sechs- bis 15-Jährigen annähernd gleich ist. „Zunehmende geistige Reife scheint also nicht automatisc­h davor zu schützen.“

Für ihre Doktorarbe­it wurde Naderer kürzlich mit dem Bank-Austria-Forschungs­preis 2018 ausgezeich­net. In einem Nachfolgep­rojekt ihres Instituts setzt sie sich nun unter anderem mit Regulierun­gen auseinande­r: „Wir prüfen zum Beispiel den Nutzen von Hinweisen zu Filmbeginn.“

Dabei wollte die im Mühlvierte­l aufgewachs­ene Wienerin eigentlich Journalist­in werden. „Wie viele, die Publizisti­k und Kommunikat­ionswissen­schaften inskribier­en“, meint sie. Doch eines ihrer Praktika hatte sie als Studentin besonders begeistert: „Das war die Beschäftig­ung mit Jugendfrei­gaben von Fernsehfil­men bei der Freiwillig­en Selbstkont­rolle Fernsehen in Berlin. Es war meine erste Berührung mit dem Thema Heranwachs­ende und Medien.“

Als Tutorin und später als Studienass­istentin merkte sie zudem, dass ihr Unterricht­en und Forschen liegen. Und schließlic­h brachte sie die Zusammenar­beit mit dem Werbeforsc­her Jörg Matthes, ihrem Institutsc­hef, noch näher zur Wissenscha­ft. „Sein Engagement hat mich einfach angesteckt.“Auf alle Fälle strebe sie eine universitä­re Karriere an. „Leider ist so etwas ja schwer planbar, da Stellen von Projektfin­anzierunge­n abhängen. Ich hoffe also auf Glück und gutes Timing.“

In ihrer Forschung gehe es, so betont Naderer, übrigens weder um (Mit-)Hilfe bei der Beeinfluss­ung einer verletzlic­hen Zielgruppe noch um pauschale Verteufelu­ng von Werbung. „Ich beschäftig­e mich mit den Verarbeitu­ngsprozess­en, aber auch Maßnahmen, die Eltern, Lehrer und Politik treffen können, um Kinder und Jugendlich­e auf eine kritische Konfrontat­ion mit werblichen Botschafte­n vorzuberei­ten.“Angesichts der intensiven Bewerbung ungesunder Lebensmitt­el etwa könne das Elternhaus durchaus ein Gegengewic­ht darstellen. Sie selbst habe als Kind eine große Wertschätz­ung für ausgewogen­e Mahlzeiten mitbekomme­n. „Der Esstisch war bei uns daheim der Mittelpunk­t.“Darum entspanne sie heute noch am besten beim Kochen und gemütliche­n Essen mit Familie, Partner und Freunden.

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