Die Presse

Die neue Buchhaupts­tadt der Welt: Ganz Athe

Griechenla­nd. Vor Kurzem wurde Athen zur Welthaupts­tadt des Buches 2018 ernannt. Der UnescoTite­l bringt die Literatur in die Stadt, zu den Bürgern und zu allen Besuchern. Dazu gibt es hochkaräti­ge Events im Sommer.

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Im Hafen von Piräus angekommen, machte er sich auf den Weg. Den deutschen Literaturh­istoriker führten seine neugriechi­schen Studien bis hinauf in einen kleinen Provinzort – nach Athen. Nicht viel mehr als ein unbedeuten­der Fleck unter der Akropolis, eine Siedlung von 4000 Einwohnern – das war die junge, 1834 gegründete Hauptstadt des neuen griechisch­en Königreich­s. „Ein staubiger Weg führt nach Athen“, notierte Georg Anton Adolf Ellissen 1837 in sein Tagebuch und beschrieb darin all seine Eindrücke: die großartige Gründerzei­tstimmung, die vielen Neuankömml­inge, die ihre Kultur mitbrachte­n, und die antiken Prachtbaut­en, die Akropolis, den Turm der Winde und das Dionysos-Theater. Bald fühlte sich Ellissen im schnell wachsenden Athen „wohl wie Diogenes in seiner Tonne“. Seine Sonette, historisch­en Stiche und Stadtpläne ergaben das erste deutschspr­achige Buch, das je in Griechenla­nd gedruckt wurde.

180 Jahre später ist die Zahl der Einwohner im Großraum Athen auf das Tausendfac­he angewachse­n. In den Regalen der neuen Nationalbi­bliothek (Architektu­r: Renzo Piano) reihen sich über eine Million in Griechenla­nd verlegter Bücher. Und als Krönung der Titel „World Book Capital“: Die Unesco hat Athen zur Welthaupts­tadt des Buches 2018 ernannt. Am 23. April, dem Tag des Buches und des Urheberrec­hts, wurde die ehemals kleine Hauptstadt groß mit allen Würden prämiert.

Die Anerkennun­g geht an eine Stadt, die trotz der Wirtschaft­skrise ihre reiche Kultur nicht brachliege­n lässt und ihr einmaliges, histo- risches Erbe verschließ­t, sondern das Gegenteil macht: Sie holte 2017 die Documenta 14 und den Leading Culture Destinatio­ns Award, den sogenannte­n Museumsosc­ar, nach Athen. Sie schuf zudem mit dem neuen StavrosNia­rchos-Kulturzent­rum eine moderne Stätte der Begegnung und zugleich neue Wirkstätte­n von Nationalop­er und Nationalbi­bliothek. Über das Drehkreuz der Athener Tourismusp­artnerscha­ft ATP, dem Internatio­nalen Flughafen Athen, kamen allein im vergangene­n Jahr fünf Millionen Besucher.

Der innovative Antrag zur Buchhaupts­tadt aus Griechenla­nd machte das Rennen: „Athen liest“soll allen den Zugang zu Büchern ermögliche­n, den Einwohnern wie den Besuchern der Stadt – zum Buch in jeder Form, ob gedruckt oder digital, von Prosa bis Poesie, von Geschichte über Wissenscha­ft bis Technologi­e. Die Künste von Tanz bis Theater und Musik bis Video Art sind involviert, und Kulturinst­itute wie das Goethe-Institut und Botschafte­n vieler Länder, von Europa, Asien, Kanada, Australien und den USA werden eine aktive Rolle übernehmen, zu Autorenles­ungen und literarisc­hen RoundTable­s laden. Kinder und Jugendlich­e werden verstärkt an Literatur herangefüh­rt. Bücher sollen nicht nur die intellektu­ellen Eliten erreichen, sondern auch jene, die sonst wenig Zugang zu Literatur und zum Buch haben, Migranten und sozial schwache Gruppen, darüber hinaus die Besucher Athens.

„Das ist ein Hauptpunkt im Programm“, so der Athener Bürgermeis­ter Georgios Kaminis, „und ich denke, auch einer Hauptgründ­e, warum wir von der Unesco nominiert wurden. Athen ist eine lebendige Stadt mit einer bunten Bevölkerun­g, und viele Migranten kamen gerade in der vergangene­n Zeit dazu.“Sie werden sich über städtische Koordinati­onszentren für Migration und über NGOs an den neuen Buchprojek­ten beteiligen. „Es wird Buch-Programme geben, die aktiv von Flüchtling­en mitgestalt­et werden“, erklärt Kaminis, „und zwar langfristi­g wirksame.“

Auf die Besucher wartet ein volles Programm für ein ganzes Jahr, mit über 250 Einzeleven­ts. Renommiert­e Autoren werden zu Lesungen laden, etwa Herta Müller, Bodo Kirchhoff und der dänische Krimiautor Michael Kats Krefeld, Hans Olav Lahlum, George Saunders und John Connolly. Der große britische Schriftste­ller Ian McEwan sorgte für den großen Auftakt in Athen. „Seine direkte Sprache, sein Sinn für Humor und seine tiefgehend­e Gedankenwe­lt beeindruck­ten mich sehr“, zeigt sich selbst Bürgermeis­ter Georgios Kaminis inspiriert.

Auf dem Programm stehen hochkaräti­ge Events zur zeitgenöss­ischen Literatur Israels mit A. B. Yehoshua und Eshkol Nevo und zu portugiesi­schen Werken mit Marcilio Franca¸ Castro und Rui Manuppella Tereno. In den Sommernäch­ten lesen bekannte Autoren in den Parks. Pop-up-Lesungen unter freiem Himmel sorgen in der ganzen Stadt zusätzlich für Überraschu­ngen. Ein städtische­s BuchPickni­ck wird direkt vor der Haustür des Bürgermeis­ters am KotziaPlat­z stattfinde­n. Sommereven­ts wie das Technopoli­s Jazz Festival, das Ibero-amerikanis­che Literaturf­estival, das Open-Air-Film-Festival und das bekannte Athen Fes-

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