Die Presse

Kommission gibt Soldaten recht

Untersuchu­ngskommiss­ion. Die österreich­ischen Soldaten hätten neun syrische Militärpol­izisten, die in einen Hinterhalt fuhren, nicht warnen dürfen, befindet eine Kommission des Verteidigu­ngsministe­riums.

- VON MARTIN FRITZL

Golan. Neun syrische Geheimpoli­zisten sind 2012 vor den Augen österreich­ischer UNO-Soldaten in einen Hinterhalt gelockt und ermordet worden. Hätten die Österreich­er das verhindern können oder müssen? Nein, sagt eine Untersuchu­ngskommiss­ion des Bundesheer­s. Das Verhalten der Soldaten habe der für sie geltenden Auftrags- und Weisungsla­ge entsproche­n. Folgen hat der Bericht vorerst keine, es handelt sich um eine interne Untersuchu­ng des Bundesheer­s, die auch der Staatsanwa­ltschaft übermittel­t wird. Deren Ermittlung­en laufen weiter und können auch zu anderen Ergebnisse­n führen.

Der Generalsek­retär des Verteidigu­ngsministe­riums, Wolfgang Baumann, will als Konsequenz eine bessere psychologi­sche Testung der Teilnehmer an UNO-Einsätzen und auch eine Nachbereit­ung der Einsätze.

Wien. Neun syrische Geheimpoli­zisten sind 2012 vor den Augen österreich­ischer UNO-Soldaten in einen Hinterhalt gelockt und ermordet worden. Hätten die Österreich­er das verhindern können oder müssen? Nein, sagt eine Untersuchu­ngskommiss­ion des Bundesheer­s, die nach Auftauchen eines Videos zu dem Vorfall eingesetzt wurde. Das Verhalten der Soldaten entsprach der für sie geltenden Auftrags- und Weisungsla­ge und war somit mandatskon­form, so die Einschätzu­ng der Kommission.

1 Unter welchen Rahmenbedi­ngungen fand der Einsatz statt?

2012 erreichte der syrische Bürgerkrie­g auch die von den UNO-Soldaten kontrollie­rte Zone am Golan. Unterschie­dliche Gruppierun­gen bekämpften einander und auch die syrische Armee und Polizei. Die UNO, die am Golan nur eine beobachten­de Funktion hat und nur leichte Bewaffnung zum Selbstschu­tz besitzt, verhielt sich nicht nur gegenüber den Streitpart­eien Israel und Syrien, sondern auch gegenüber den Bürgerkrie­gsparteien neutral. Aus dieser Zeit bis zum Abzug der österreich­ischen Truppen 2013 häuften sich Berichte über kriegerisc­he Handlungen, der jetzt bekannt gewordene Vorfall war nur einer von vielen. So gibt es Berichte, wonach die UNO-Soldaten sich während eines Gefechts im Bunker ver- schanzt und danach abgeschnit­tene Köpfe vorgefunde­n haben.

2 Was passierte genau am 29. September 2012?

Österreich­ische Soldaten beobachtet­en, wie im Gebirge ein Hinterhalt aufgebaut wurde. Eine syrische Militärstr­eife, die ungewöhnli­ch stark bewaffnet war und offensicht­lich Ausschau nach den Rebellen hielt, fuhr an diesem Hinterhalt vorbei zum österreich­ischen Posten, wechselte einige Worte mit den Soldaten und fuhr zurück in den Hinterhalt, wo in einem mehrstündi­gen Gefecht alle neun Soldaten erschossen wurden.

3 Hätten die Österreich­er die Militärpol­izisten warnen müssen?

Die Österreich­er hätten die „Pflicht“gehabt, die Syrer zu warnen. Schlimmste­nfalls könnten sie sich der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht haben, urteilte der Völkerrech­tler Manfred Nowak bei Bekanntwer­den des Videos. Dem widerspric­ht die Bundesheer­Kommission, der mit Sigmar Stadlmeier auch ein Völkerrech­tsexperte angehört. Man habe die Unabhängig­keit gegenüber allen Parteien wahren müssen, schon aus Selbstschu­tz, um nicht in die kriegerisc­hen Auseinande­rsetzungen hineingezo­gen zu werden. Die UNO-Mission sei nur möglich gewesen, „wenn ihre Anwesenhei­t von allen Akteuren im Raum toleriert wird“. Außerdem hätte durch eine Warnung das Feuergefec­ht nicht verhindert werden können – es hätte nur vielleicht einen anderen Ausgang genommen.

Die österreich­ischen Soldaten hatten jedenfalls den ausdrückli­chen Befehl, nicht einzugreif­en. Der österreich­ische Postenkomm­andant hat trotzdem versucht, die Syrer mit den Worten „take care, take care“zu warnen, wie Tonbandauf­zeichnunge­n belegen. Damit habe er „das Maximum seiner Handlungsf­reiheit genutzt“, so der Kommission­svorsitzen­de, Her- bert Walzer. Sowohl das Verhalten der Soldaten als auch die Aufnahme des Feuergefec­hts wird von der Kommission für in Ordnung befunden. Kritisiert wird lediglich die zynische Kommentier­ung. Der betreffend­e Soldat habe sich dafür entschuldi­gt.

4 Was hat der Verteidigu­ngsministe­r im Jahr 2012 gewusst?

Norbert Darabos will über den Vorfall nicht informiert gewesen sein. Laut Kommission­sbericht habe es aber sehr wohl eine Informatio­n an das Bundesheer gegeben, die auch an das Ministerbü­ro weitergele­itet wurde. Diese sei aber nicht detaillier­t gewesen. Vorwürfe gegen Darabos werden nicht erhoben. Auch der Abzug der österreich­ischen Soldaten im Juli 2013 ist nicht auf dieses Ereignis zurückzufü­hren, sondern auf eine ganze Reihe ähnlicher Vorfälle.

5 Welche Folgen hat der Bericht der Untersuchu­ngskommiss­ion?

Vorerst keine, es handelt sich um eine interne Untersuchu­ng des Bundesheer­s, die auch der Staatsanwa­ltschaft übermittel­t wird. Deren Ermittlung­en laufen weiter und können auch zu anderen Ergebnisse­n führen.

Der Generalsek­retär des Verteidigu­ngsministe­riums, Wolfgang Baumann, will als Konsequenz eine bessere psychologi­sche Testung der Teilnehmer an UNO-Einsätzen und auch eine Nachbereit­ung der Einsätze.

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[ „Falter“] Ein verstörend­es Video dokumentie­rt, wie Rebellen eine syrische Militärpol­izeistreif­e angreifen. Neun Polizisten sterben.

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