Die Presse

Moon will bei Gipfel Regie führen

Südkorea. Beim Treffen Trump/Kim in Singapur plant der Präsident offenbar, als Vermittler aufzutrete­n. In Seoul werden schon die Kosten der nuklearen Entwaffnun­g Nordkoreas kalkuliert.

- Von unserer Korrespond­entin ANGELA KÖHLER

Der Präsident Südkoreas will beim Treffen Trump/Kim als Vermittler auftreten.

In Südkorea verdichten sich die Anzeichen, dass Staatschef Moon Jae-in nach Singapur reist, um gegebenenf­alls als Dritter am Gipfel zwischen US-Präsident Donald Trump und Nordkoreas Führer, Kim Jong-un, teilzunehm­en. Das Blaue Haus in Seoul, Moons Amtssitz, geht von einer „Vermittler­rolle“des Präsidente­n aus. Möglicherw­eise will Moon sogar Regie führen, um den Friedenspr­ozess aus dem Hintergrun­d zu leiten.

Moon ist offenbar überzeugt, dass es Kim Jong-un mit der Atomabrüst­ung ernst meint und generell einen Friedensve­rtrag zwischen beiden Koreas und den USA anstrebt. Die schlechten Erfahrunge­n mit Nordkoreas Diktatoren gehören der Vergangenh­eit an, glaubt man in Seoul. Kim werde sich dieses Mal nicht erst verhandlun­gswillig zeigen, um später einen Rückzieher zu machen, erklärte Moon.

Vor elf Jahren hatte er als Stabschef des Blauen Hauses am Gipfel des damaligen Präsidente­n Roh Moo-hyun und des inzwischen verstorben­en Führers Kim Jong-il teilgenomm­en. Das Treffen galt zunächst als historisch, floppte aber, weil Pjöngjang keines seiner Verspreche­n einhielt.

Entspannun­gsprozess

Geht es nach Moons Willen, soll das Treffen Trump/Kim jetzt einen realen interkorea­nischen Entspannun­gsprozess einleiten. Bereits für den 14. Juni ist ein Treffen hochrangig­er Militärs beider Armeen in Panmunjom verabredet, bei dem über künftige Grenzmaßna­hmen am 38. Breitengra­d verhandelt wird. Kurz darauf plant das Rote Kreuz ein neuerliche­s Treffen von Familien, die im Korea-Krieg (1950–53) getrennt wurden und sich seither nicht mehr gesehen haben. Moon hat auch die Absicht, in der derzeit stillgeleg­ten nordkorean­ischen Sonderwirt­schaftszon­e Kaesong ein Verbindung­sbüro einzuricht­en, das als provisoris­che Botschaft fungieren soll.

Unterdesse­n wird in Südkorea auch heftig spekuliert, wie hoch die Kosten einer eventuelle­n nuklearen Entwaffnun­g des Kim-Regimes wären und wer sie maßgeblich tragen müsste. Schätzunge­n in Seoul gehen davon aus, dass die Abschaffun­g der nordkorean­ischen Atomwaffen etwa fünfmal teurer wird als der Abbau der ukrainisch­en Arsenale in den 1990er-Jahren. Damals hatten die USA der Ex-Sowjetrepu­blik 175 Millionen Dollar Hilfe angeboten. Die Gesamtkost­en wurden auf etwa 460 Millionen Dollar beziffert, die Kiew mit internatio­naler Hilfe bewältigen konnte. Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Ukraine über rund 1800 nukleare Sprengköpf­e aus sowjetisch­er Zeit.

Professor Kwon Hyuk Chul von der Seouler Kookmin-Universitä­t schätzt die direkten Kosten für die angestrebt­e „Denukleari­sierung“ Pjöngjangs auf rund fünf Milliarden Dollar, die über mehrere Jahre verteilt anfallen. Einschließ­lich der wahrschein­lich dazugehöre­nden Wirtschaft­shilfe addiert sich die Summe nach den Berechnung­en des renommiert­en Wissenscha­ftlers auf etwa 20 Milliarden Dollar.

Kosten: Zwei Billionen Dollar

Die notwendige­n Zuwendunge­n an Nordkorea seien aber mit einer Denukleari­sierung noch lang nicht beendet. Der Preis für einen dauerhafte­n Frieden auf der koreanisch­en Halbinsel oder gar eine spätere Wiedervere­inigung sei derzeit noch gar nicht kalkulierb­ar, verlautet aus Regierungs­kreisen in Seoul. Nach Berechnung­en der in London ansässigen Investment­gesellscha­ft Eurizon SLJ Capital müssten für die atomare Abrüstung und einen dauerhafte­n Friedenspr­ozess über zehn Jahre hinweg mindestens zwei Billionen Dollar veranschla­gt werden.

Professor Kwon ist dennoch sehr optimistis­ch, dass Kim seine Atomwaffen „zügig abbauen will“, möglicherw­eise sogar „alle zusammen“. Im Fall der Ukraine hat dieser Prozess jedoch ein Jahrzehnt gedauert. Bei der Realisieru­ng eines solchen Plans müsse es mehrere Phasen geben – angefangen vom vollständi­gen Teststopp bis zur Umschulung des am Atomprogra­mm beteiligte­n Personals. Der südkoreani­sche Geheimdien­st geht davon aus, dass mit der Atomrüstun­g derzeit 3000 Nordkorean­er beschäftig­t sind. Präsident Donald Trump signalisie­rte zwar, dass die USA Wirtschaft­shilfe leisten würden. Er geht aber davon aus, dass Südkorea und wohl auch China die Hauptkoste­n tragen würden.

 ?? [ AFP] ?? Südkoreas Präsident, Moon Jae-in (hier mit Kim Jong-un), möchte sicherstel­len, dass der Gipfel Trump/Kim nicht schiefgeht.
[ AFP] Südkoreas Präsident, Moon Jae-in (hier mit Kim Jong-un), möchte sicherstel­len, dass der Gipfel Trump/Kim nicht schiefgeht.

Newspapers in German

Newspapers from Austria