„Sonderbarer“Einsatz von Lehrern
Schule. Wien setze 1100 Lehrer nicht in den Klassen, sondern in der Verwaltung ein, wirft das Bildungsministerium der Stadt vor. Das sei „übliche Praxis in Österreich“, heißt es dort.
Die Spannungen zwischen der türkisblauen Bundesregierung und der rot-grünen Stadtregierung in Wien machen sich im Bildungsbereich besonders stark bemerkbar. Bildungsministerium und Stadtschulrat sind selten einer Meinung. Das hat sich gerade erst bei der Diskussion um die Deutschklassen gezeigt. Nun folgt der nächste Streit. Das Bildungsministerium wirft der Stadt einen „sonderbaren Umgang“mit den Personalressourcen vor.
Es müssten laut Berechnungen des Bildungsressort eigentlich 1100 Lehrer mehr in den Klassen unterrichten. So würde es der Stellenplan vorsehen. „Wien hat eine große Zahl an Lehrern, die nicht als Klassenlehrer eingeteilt sind. Was diese Lehrer machen, ist dem Bund nur teilweise bekannt“, heißt es aus dem Bildungsministerium gegenüber der „Presse“. Die in den Klassen fehlenden Lehrer würden wohl in der Verwaltung eingesetzt. Sogar in den Büros des Stadtschulrates sollen Lehrer sitzen. „Gerüchteweise“, heißt es, würden außerdem 30 Lehrer als Schulsozialarbeiter verwendet. Dabei sei die Schulsozialarbeit Aufgabe der Schulerhalter, und das seien im Pflichtschulbereich die Länder und damit die Stadt Wien. Dem Bund würden durch diese falsche Verwendung der 1100 Lehrer Kosten in der Höhe von 70 Millionen Euro entstehen.
In den vergangenen Jahren wurde immer wieder Kritik an der Praxis laut, Personen offiziell als Lehrer anzustellen, ihnen dann aber Verwaltungsaufgaben zu übergeben – und zwar nicht nur in Wien, sondern auch in den anderen Bundesländern. Deshalb würde man, heißt es aus dem Bildungsministerium, zwar „für kein Land die Hand ins Feuer legen“, doch in Wien scheine die falsche Mittelverwendung „massiver“. Das würden auch die Zahlen belegen.
Hier wird es kompliziert. Der sogenannte Stellenplan teilt den einzelnen Ländern eine bestimmte Anzahl von Lehrern zu. Basis dafür ist ein fix festgeschriebener Verteilungsschlüssel. Dieser sieht etwa im Volksschulbereich vor, dass auf 14,5 Kinder ein Lehrer zu kommen hat. Zusätzlich gibt es zweckgebundene Zuschläge.
Dieser Verteilungsschlüssel sichert einer durchschnittlich großen Volksschulklasse in Österreich (18,58 Kinder hat diese) rein rechnerisch 1,28 Lehrer zu. In Wien sind die Klassen im Schnitt allerdings größer (22,02 Kin- der). Eine Klasse erhält hier also 1,52 Lehrer. Diese dürften, so das Argument des Ministeriums, vielfach aber nicht in den Klassen eingesetzt werden. Ansonsten würde es nicht so viele Klagen über personelle Engpässe in Wiens Schulen geben.
Im Stadtschulrat weist man all diese Vorwürfe zurück. Der zweckfremde Einsatz der Lehrer sei „übliche Praxis in Österreich“und zudem „gesetzlich legitimiert“. Dass 27 Lehrer als Sozialarbeiter arbeiten, sei mit dem Ministerium vor Jahren schriftlich vereinbart worden. Insgesamt sei der Anteil der Lehrer, die für administrative Tätigkeiten eingesetzt werden, außerdem verschwindend gering.
Der Stellenplan sorgt derzeit nicht nur zwischen Bund und Stadt für Wirbel, sondern auch innerhalb der Regierung. Denn das (türkise) Finanzministerium verweigert dem vom (ebenso türkisen) Bildungsministerium vorgelegten Plan die Zustimmung. Es pocht auf Einsparungen. Diese will Bildungsminister Heinz Faßmann aber nicht vornehmen.
Und so warten die Direktoren weiterhin auf die Information, wie viele Lehrer sie im nächsten Jahr an ihrer Schule einsetzen dürfen. Das macht die Klasseneinteilungen und die Stundenplanerstellung schwierig. Im Bildungsministerium hofft man auf eine Einigung vor Schulschluss. Finden Finanz- und Bildungsministerium keinen Konsens, dann müssen die Personalwünsche der Länder automatisch erfüllt werden. Das will der Bund vermutlich tunlichst vermeiden – und zwar nicht nur mit Blick auf Wien.