Die Presse

„Sonderbare­r“Einsatz von Lehrern

Schule. Wien setze 1100 Lehrer nicht in den Klassen, sondern in der Verwaltung ein, wirft das Bildungsmi­nisterium der Stadt vor. Das sei „übliche Praxis in Österreich“, heißt es dort.

- VON JULIA NEUHAUSER

Die Spannungen zwischen der türkisblau­en Bundesregi­erung und der rot-grünen Stadtregie­rung in Wien machen sich im Bildungsbe­reich besonders stark bemerkbar. Bildungsmi­nisterium und Stadtschul­rat sind selten einer Meinung. Das hat sich gerade erst bei der Diskussion um die Deutschkla­ssen gezeigt. Nun folgt der nächste Streit. Das Bildungsmi­nisterium wirft der Stadt einen „sonderbare­n Umgang“mit den Personalre­ssourcen vor.

Es müssten laut Berechnung­en des Bildungsre­ssort eigentlich 1100 Lehrer mehr in den Klassen unterricht­en. So würde es der Stellenpla­n vorsehen. „Wien hat eine große Zahl an Lehrern, die nicht als Klassenleh­rer eingeteilt sind. Was diese Lehrer machen, ist dem Bund nur teilweise bekannt“, heißt es aus dem Bildungsmi­nisterium gegenüber der „Presse“. Die in den Klassen fehlenden Lehrer würden wohl in der Verwaltung eingesetzt. Sogar in den Büros des Stadtschul­rates sollen Lehrer sitzen. „Gerüchtewe­ise“, heißt es, würden außerdem 30 Lehrer als Schulsozia­larbeiter verwendet. Dabei sei die Schulsozia­larbeit Aufgabe der Schulerhal­ter, und das seien im Pflichtsch­ulbereich die Länder und damit die Stadt Wien. Dem Bund würden durch diese falsche Verwendung der 1100 Lehrer Kosten in der Höhe von 70 Millionen Euro entstehen.

In den vergangene­n Jahren wurde immer wieder Kritik an der Praxis laut, Personen offiziell als Lehrer anzustelle­n, ihnen dann aber Verwaltung­saufgaben zu übergeben – und zwar nicht nur in Wien, sondern auch in den anderen Bundesländ­ern. Deshalb würde man, heißt es aus dem Bildungsmi­nisterium, zwar „für kein Land die Hand ins Feuer legen“, doch in Wien scheine die falsche Mittelverw­endung „massiver“. Das würden auch die Zahlen belegen.

Hier wird es komplizier­t. Der sogenannte Stellenpla­n teilt den einzelnen Ländern eine bestimmte Anzahl von Lehrern zu. Basis dafür ist ein fix festgeschr­iebener Verteilung­sschlüssel. Dieser sieht etwa im Volksschul­bereich vor, dass auf 14,5 Kinder ein Lehrer zu kommen hat. Zusätzlich gibt es zweckgebun­dene Zuschläge.

Dieser Verteilung­sschlüssel sichert einer durchschni­ttlich großen Volksschul­klasse in Österreich (18,58 Kinder hat diese) rein rechnerisc­h 1,28 Lehrer zu. In Wien sind die Klassen im Schnitt allerdings größer (22,02 Kin- der). Eine Klasse erhält hier also 1,52 Lehrer. Diese dürften, so das Argument des Ministeriu­ms, vielfach aber nicht in den Klassen eingesetzt werden. Ansonsten würde es nicht so viele Klagen über personelle Engpässe in Wiens Schulen geben.

Im Stadtschul­rat weist man all diese Vorwürfe zurück. Der zweckfremd­e Einsatz der Lehrer sei „übliche Praxis in Österreich“und zudem „gesetzlich legitimier­t“. Dass 27 Lehrer als Sozialarbe­iter arbeiten, sei mit dem Ministeriu­m vor Jahren schriftlic­h vereinbart worden. Insgesamt sei der Anteil der Lehrer, die für administra­tive Tätigkeite­n eingesetzt werden, außerdem verschwind­end gering.

Der Stellenpla­n sorgt derzeit nicht nur zwischen Bund und Stadt für Wirbel, sondern auch innerhalb der Regierung. Denn das (türkise) Finanzmini­sterium verweigert dem vom (ebenso türkisen) Bildungsmi­nisterium vorgelegte­n Plan die Zustimmung. Es pocht auf Einsparung­en. Diese will Bildungsmi­nister Heinz Faßmann aber nicht vornehmen.

Und so warten die Direktoren weiterhin auf die Informatio­n, wie viele Lehrer sie im nächsten Jahr an ihrer Schule einsetzen dürfen. Das macht die Klassenein­teilungen und die Stundenpla­nerstellun­g schwierig. Im Bildungsmi­nisterium hofft man auf eine Einigung vor Schulschlu­ss. Finden Finanz- und Bildungsmi­nisterium keinen Konsens, dann müssen die Personalwü­nsche der Länder automatisc­h erfüllt werden. Das will der Bund vermutlich tunlichst vermeiden – und zwar nicht nur mit Blick auf Wien.

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