Zentren gegen Flüchtlingsstrom
Migration. Österreich wälzt Pläne mit anderen EU-Ländern, um die illegale Einreise in die EU zu stoppen. Doch es gibt einige offene Fragen.
Die Idee unterstreicht die Prioritäten des am 1. Juli beginnenden österreichischen Ratsvorsitzes: Aufnahmezentren für Flüchtlinge außerhalb der EU sollen künftig dafür sorgen, dass die illegale Migration in die Union gestoppt wird. So will es die Bundesregierung, wie Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) am Mittwoch in Brüssel erläuterte – allerdings ohne dabei näher ins Detail zu gehen. Auch auf Nachfrage der „Presse“gab es im Bundeskanzleramt keine konkrete Information. Nur so viel: Derzeit laufen Gespräche auf Expertenebene mit anderen Mitgliedstaaten, darunter Dänemark. Dessen Regierungschef, Lars Løkke Rasmussen, will abgewiesene Asylwerber bekanntlich an einem „nicht sonderlich attraktiven“Ort unterbringen. Die Pläne seien schon relativ weit gediehen, sagte er vor wenigen Tagen.
Wie aber stellen sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Vorhaben dar? Europarechtler Walter Obwexer sieht nur eine Möglichkeit: Die EU müsste die Zentren in sicheren Drittstaaten auf Grundlage eines Abkommens errichten, erklärt er im „Presse“-Gespräch. Vor Ort würde nach dem europäischen Asylrecht bei jedem Flüchtling geprüft, ob er Anspruch auf Asyl hat oder nicht. Die Verfahren in den Flüchtlingszentren könnten von EU-Beamten geleitet werden. Ohne positiven Bescheid von einem solchen Hotspot soll künftig kein Migrant mehr in die EU einreisen können. Jene Migranten, die die Überfahrt nach Europa trotzdem schaffen, würden wohl in die Zentren rücküberstellt werden.
Doch die Sache hat noch mehrere Haken: Zum einen stellt sich die Frage, welcher sichere Drittstaat sich überhaupt bereit erklären würde, ein solches Abkommen mit der EU zu schließen und Asylzentren zu errichten. Immerhin würden Flüchtlinge mit negativem Bescheid wohl in dem Land, wo sich der Hotspot befindet, bleiben.
Zum Zweiten ist völlig unklar, nach welchem Schlüssel Menschen mit positivem Asylbescheid auf EU-Staaten verteilt werden sollen. „Es wird eine Zuständigkeitsregelung geben müssen“, so Obwexer. Das derzeitige Asylrecht, wonach jenes Land für einen Flüchtling zuständig ist, in dem dieser zum ersten Mal europäischen Boden betreten hat, gehe noch von einem „physischen Grenzübertritt“aus. Auf ein faires Quotensystem aber können sich die Mitgliedstaaten seit Monaten nicht einigen.
Die EU-Kommission wollte die Pläne am gestrigen Donnerstag nicht kommentieren. Es sei das Vorrecht der Mitgliedstaaten, eigene Vorschläge zu machen, hieß es aus der Brüsseler Behörde kryptisch. Bei dem Gipfeltreffen im Juni sollen die Staats- und Regierungschefs über eine Reform des EUAsylsystems beraten. (aga)