Die Presse

Kika/Leiner: Der selbstgewä­hlte Tag X

Krise. Alles wartet auf den Rettungspl­an der Möbelkette. Während verhandelt wird, fürchtet die Industrie einen neuen Möbelriese­n. Doch eine echte Entscheidu­ng könnte bis Ende Juni ausstehen.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Die Vorgaben von oben sind klar: Kika/Leiner-Sprecherin Sonja Felber darf bis Freitag nicht sagen, wie die Rettung der angeschlag­enen Möbelkette vorangeht. Ihr Chef, Gunnar George, hat sich bis heute Zeit erbeten, um nach dem Absprung seines internatio­nalen Kreditvers­icherers Euler Hermes ein neues Sicherheit­snetz zu spannen. Gelingt ihm das nicht, könnten seine Lieferante­n schon bald anklopfen und Vorauszahl­ungen verlangen oder ihre Möbelliefe­rungen ganz einstellen – ein Schreckens­szenario, das kein Händler lange überlebt.

Also arbeitet man dagegen an – und schweigt. Weder kommentier­te George in den vergangene­n Tagen die Aussagen des Chefs der Bundeswett­bewerbsbeh­örde (BWB), Theodor Thanner, als dieser einer theoretisc­hen Übernahme von Kika/Leiner-Filialen durch den größten Rivalen Lutz unter Auflagen bereits einen Persilsche­in ausstellte. Noch sagte er etwas zur Reaktion des Welser Konkurrent­en, der sich dazu „grundsätzl­ich“bereit erklärte.

Auch am Donnerstag hieß es von Felber nur: „Warten Sie auf morgen, noch ist alles offen.“Aus informiert­en Firmenkrei­sen erfuhr die „Presse“, dass bis zum Schluss noch hart verhandelt wurde. Es sehe schon weit weniger dramatisch aus als noch zu Wochenbegi­nn. Gut sei aber anders.

Wer sich vor dem von George selbst gewählten Tag X an die Öffentlich­keit wagt, ist hingegen die zuliefernd­e Möbelindus­trie. „Wir beobachten die Entwicklun­gen mit Sorgen“, sagt Claudius Kollmann, der den Fachverban­d der Holzindust­rie leitet. Nicht, dass man nicht grundsätzl­ich an eine Rettung der Kika/Leiner-Kette glaube.

„Wenig hilfreiche“Aussagen

Aber das Notfallsze­nario, das durch die Medien geht, sei für seine klein- und mittelstän­disch strukturie­rten Möbelprodu­zenten alles andere als rosig: „Wir stehen schon jetzt einem Oligopol von wenigen Händlern gegenüber“, sagt Kollmann. Die „wenig hilfreiche“Aussage des Wettbewerb­shüters schüre jetzt die Sorge, „dass ein noch größeres Konglomera­t entsteht“. Von den 70 österreich­i- schen Möbelfirme­n mit 6000 Beschäftig­ten wagt sich aber keine mit Kritik an die Öffentlich­keit. „Da kann man sich derzeit nur verbrennen“, sagen Insider.

Aber Fakt ist: Lutz, Kika/Leiner und Ikea beherrsche­n laut Zahlen von Marktforsc­her Andreas Kreutzer heute zusammen zwei Drittel des österreich­ischen Möbelhande­ls. Die Zahlen seien noch zu tief gegriffen, schätzt Kollmann. Alleine die beiden größten Händler Kika/Leiner und Lutz würden bereits weit mehr als die ausgewiese­ne Hälfte aller Möbelumsät­ze in ihren Geschäften machen, sagt er zur „Presse“. Eine weitere Konzentrat­ion sei für die Branche, die mit stagnieren­den Einnahmen kämpft, höchst gefährlich.

Die Lieferante­n wollen, dass es bei Kika/Leiner weitergeht, schätzt auch Gerhard Weinhofer von der Creditrefo­rm. Der Gläubigers­chützer bekommt viele Anrufe. „Mir sind keine Lieferstop­ps bekannt. Sie sind zwar verunsiche­rt, aber nicht so sehr, dass sie ihre Geschäftsb­eziehungen kappen würden.“Eine gute Nachricht von der Konzernmut­ter Steinhoff – im Zuge deren Bilanzskan­dal die ös- terreichis­che Tochter Kika/Leiner Anfang des Jahres überhaupt in ihre finanziell­en Schwierigk­eiten gerieten – dürfte für etwas Beruhigung gesorgt haben. Mittwochab­end verkündete sie per Aussendung, dass die Mehrheit der internatio­nalen Kreditgebe­r einem Stillhalte­abkommen bis Ende Juni zugestimmt hat. Beobachter werten das als Atempause und als ersten wichtigen Schritt für einen größeren Rettungspl­an: Denn Steinhoff hatte seinen Kreditgebe­rn im Mai eröffnet, dass er die meisten seiner 9,6 Mrd. Euro schweren Schulden erst drei Jahre später – und ohne zusätzlich­e Zinsen für die Periode – zahlen will.

Am 29. Juni legt die Firma erstmals nach Monaten wieder eine Bilanz, wenn auch nur für das erste Quartal 2018. Bis zum 30. Juni wollen ihr ihre Geldgeber den Rücken freihalten. Zur selben Zeit werden in Österreich die Urlaubsgeh­älter für gut 5000 Kika/Leiner Mitarbeite­r fällig. „Das ist die wirkliche Deadline – nicht morgen oder am Montag“, sagt Weinhofer. Und ergänzt: „Angekündig­te Katastroph­en oder Lösungen finden sowieso selten statt.“

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[ APA ] Wohin geht es bei der Möbelkette Leiner und Schwester Kika? Heute, Freitag, soll es erste Antworten geben.

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