Wem nützt die flexible Arbeitszeit?
Arbeit. Die Regierung bereitet ein Gesetz zur Arbeitszeitflexibilisierung vor, Arbeiterkammer und Gewerkschaft laufen Sturm dagegen. Jetzt prescht der Wirtschaftsbund mit einer Umfrage vor.
Dieser Streit wird das Land noch länger beschäftigen: Die Unternehmer wollen eine Flexibilisierung der Arbeitszeit. Arbeiterkammer und Gewerkschaft wollen das verhindern. Die Regierung hat angekündigt, bis spätestens Herbst ein Gesetz vorzulegen. Es soll künftig möglich sein, bis zu zwölf Stunden am Tag – statt derzeit zehn – und 60 Stunden pro Woche zu arbeiten. Freiwillig, wie TürkisBlau betont. Und: Die wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden darf im Durchschnitt weiterhin nicht überschritten werden.
Die Arbeiterkammer (AK) fährt dagegen eine groß angelegte Kampagne. Unter der Frage „Wie soll Arbeit“befragte sie in den vergangenen Monaten die österreichischen Arbeitnehmer zur Arbeitszeitflexibilisierung. Damit brachte sie die Arbeitgeber auf die Palme: Die AK suggeriere, dass der ZwölfStunden-Tag künftig die Regel sein soll. Von der Arbeitszeitflexibilisie- rung würden aber beide Seiten profitieren, argumentieren die Unternehmervertreter. Auch sie haben eine Umfrage in Auftrag gegeben, die nun der „Presse“vorliegt. Das Ergebnis: 74 Prozent der Teilnehmer finden, dass flexible Arbeitszeiten „besser zur heutigen Zeit und ihren Bedürfnissen“passen. Für ein gutes Drittel würden flexible Arbeitszeiten ein „anderes Arbeiten“ermöglichen, von dem beide Seiten profitieren.
GfK befragte im Auftrag des Wirtschaftsbundes 3400 Menschen zwischen 15 und 65 Jahren. Der Großteil zeigt Verständnis für das Ansinnen der Unternehmer: Drei Viertel der Befragten stimmten der Aussage zu, dass Unternehmen und Mitarbeiter aufgrund des internationalen Wettbewerbs heute flexibler sein müssten als früher. 76 Prozent könnten sich vorstellen, einen „Zeitpolster“aufzubauen, mit dem sie dann mehr Freizeit am Stück konsumieren können, zum Beispiel ein langes Wochenende.
Die Umfrage zeige deutlich die „positive Einstellung“der Österreicherinnen und Österreicher zu flexiblen Arbeitszeiten, so Rene´ Tritscher, Generalsekretär des Wirtschaftsbundes. Flexible Arbeitszeiten würden bedeuten, dass bei Auftragsspitzen mehr gearbeitet, aber dafür bei geringerer Auslastung mehr Freizeit konsumiert werden könne. In Richtung Arbeitnehmervertreter sagt Tritscher: „Die Gewerkschaft ist in der neuen Arbeitswelt noch nicht angekommen und sollte sich die Frage stellen, wen sie eigentlich vertritt“.
Gewerkschaft und Arbeiterkammer fürchten, dass es durch die Neuregelung zu Einkommensverlusten kommt, weil Überstunden vermehrt nicht mehr finanziell abgegolten würden. Die Regierung plant auch die „Stärkung der Betriebsebene“. Das heißt, dass Firmen mit dem Betriebsrat oder dem Arbeitnehmer Einzelvereinbarungen über flexible Arbeitszeitmodelle treffen können. Die Regie- rung wolle damit Kollektivverträge aushebeln, sagte AK-Präsidentin Renate Anderl kürzlich. Roman Hebenstreit, Chef der Gewerkschaft Vida, sprach gar von brutalem „Lohnraub“.
Tritscher weist das zurück: Es entspreche nicht der Wahrheit, dass Überstunden oder Zuschläge nicht ausbezahlt werden. Es gehe darum, „anders zu arbeiten“und auf Bedürfnisse der Mitarbeiter und des Unternehmens besser eingehen zu können als bisher.
Die frühere rot-schwarze Regierung hatte die Sozialpartner aufgefordert, eine Lösung für die Arbeitszeitflexibilisierung auszuhandeln. Die Arbeitnehmer wollten im Gegenzug eine sechste Urlaubswoche für die Beschäftigten. Die Verhandlungen scheiterten.
Heute, Freitag, präsentiert die AK die Ergebnisse ihrer Umfrage. Man kann davon ausgehen, dass sie anders ausfällt als die des Wirtschaftsbundes.