Enquete: Das fordern die Medienbosse
Medienpolitik. Mathias Döpfner und Gerhard Zeiler blickten über den Tellerrand: EU-Verlegerrecht und E-PrivacyVerordnung als „Steilvorlagen“für Medienminister Gernot Blümel und die österreichische EU-Präsidentschaft.
Medienminister Gernot Blümel machte gleich zum Auftakt klar, was die zweitägige Medienenquete seiner Meinung nach nicht leisten kann: „Man wird nicht alle Probleme im Medienbereich mit einem Fingerschnippen lösen.“Aber allein die Ankündigung habe Bewegung in die Sache gebracht – schon im Vorfeld seien Bücher, Konzepte, Ideen präsentiert worden. Es tut sich also etwas. Und: Es sollte mehr sein als die übliche Schnappatmung, die Medienvertreter hierzulande befällt, wenn über Zukunftsfragen diskutiert wird, was Blümel selbst erlebt hat: „Nach zwei Minuten haben sie nur mehr gestritten, wer wie viel Geld bekommen soll.“
Mathias Döpfner denkt größer. Das mag daran liegen, dass er als Chef der Axel Springer SE einen Milliardenkonzern leitet und als Deutschlands Verlegerpräsident das Ohr von Branche und Politik hat. Er zeigte sich in seiner Keynote am Eröffnungstag betrübt über die weltweite Schwächung der Demokratien, den Aufschwung autokratischer Systeme, zunehmende „Sprech- und Denkverbote“in Politik und Journalismus, die eine Entfremdung von Bevölkerung und Wählern bringen, während der gleichzeitige Wandel der Medienlandschaft hin zu digitalen, sozialen Medien es jedem leicht mache, Unwahrheiten zu verbreiten – bis hin zu bewusster Wahlmanipulation. Döpfner nennt Google, Facebook und Co. „digitale Superverleger“, die weltweit entscheiden, wer welche Informationen bekommt, ob und wo welche Inhalte erscheinen dürfen.
Dass die internationalen Mediengiganten dann auch noch den überwiegenden Teil der Werbeerlöse einstreifen, die sie über die auf ihre Plattformen gestellten Inhalte erzielen, sei „eine problematische Situation“, so Döpfner, der konkrete Forderungen an die Politik formulierte: „Wir brauchen den Schutz des geistigen Eigentums!“
Das in Vorbereitung befindliche europäische Verlegerrecht, das während der österreichischen EU-Ratspräsidentschaft beschlossen wird, soll journalistische Inhalte schützen – wie es bei Film, TV und Musik längst der Fall ist. Gleichzeitig warnte Döpfner vor der geplanten E-Privacy-Verordnung: Dann dürften Unternehmen in Europa Daten nicht mehr ohne die Einwilligung des Nutzers für kommerzielle Zwecke weiterverarbeiten. „Medienunternehmen müssen davon ausgenommen werden“, forderte Döpfner von Blümel, der sich für „die Steilvorlagen“bedankte.
Auch Gerhard Zeiler, der als Präsident von Turner Broadcasting International für 130 TV-Kanäle weltweit zuständig ist, formulierte einige „Aufgabenstellungen an die Medienpolitik“: Sie müsse dafür sorgen, dass es „halbwegs faire Marktbedingungen“im Vergleich zu globalen Medienunternehmen gibt. „Medien sind wie Medien zu regulieren und zu kontrollieren, auch wenn sie leugnen, Medien zu sein“, das gelte für alle Bereiche – vom Urheberrecht bis zum Jugendschutz. „Monopole sind wie Monopole zu regulieren“und seien mit Auflagen zu versehen, wie in anderen Wirtschaftsbereichen auch. Steuerlich müssten alle gleichbehandelt werden: „Das Konzept der digitalen Betriebsstätte könnte teilweise Abhilfe schaffen“, glaubt Zeiler.
Der duale Rundfunk in Österreich sei nach wie vor „ein zartes Pflänzchen“, das man fördern muss, meint Zeiler: „Aber nicht, indem man vom ORF umschichtet.“Man solle österreichische Wertschöpfung fördern – auch fiktionale Programme. Eine gemeinsame Werbevermarktung von ORF und Privatsendern sei mittlerweile „fast ein Muss“, der gemeinsame Erwerb von Sportrechten wäre sinnvoll. Die Gebührenfinanzierung des ORF steht für ihn außer Zweifel: Für Zeiler ist „die Existenz des ORF nicht weniger wichtig als vor 20 Jahren“. An Blümel gewandt sagte er: „Sie haben eine große Verantwortung für die Vielfalt der Medienlandschaft und faire Marktbedingungen – und dafür, dass Medien in Österreich unabhängig von der Politik sind und die Politik unabhängig von den Medien ist.“Für Blümel „klingt das nach einer unlösbaren Aufgabe. Das bin ich als Landesparteichef der ÖVPWien gewöhnt.“
Die von Döpfner und Zeiler ins Spiel gebrachten Stichworte Desinformation und Fake-News erinnerten schließlich die tschechische EU-Kommissarin Veraˇ Jourova´ an ihre Jugend hinter dem Eisernen Vorhang und die damalige Gehirnwäsche: „Eine hundert Mal wiederholte Lüge wird zur Wahrheit.“Auch auf EU-Ebene werde versucht, die Menschen über Social Media zu beeinflussen (etwa mit unterschwelliger Wahlpropaganda oder vor der Brexit-Abstimmung). Regulierungen dagegen müssten nationale Regierungen beschließen, das werde nicht auf EU-Ebene passieren.