Die Presse

Enquete: Das fordern die Medienboss­e

Medienpoli­tik. Mathias Döpfner und Gerhard Zeiler blickten über den Tellerrand: EU-Verlegerre­cht und E-PrivacyVer­ordnung als „Steilvorla­gen“für Medienmini­ster Gernot Blümel und die österreich­ische EU-Präsidents­chaft.

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Medienmini­ster Gernot Blümel machte gleich zum Auftakt klar, was die zweitägige Medienenqu­ete seiner Meinung nach nicht leisten kann: „Man wird nicht alle Probleme im Medienbere­ich mit einem Fingerschn­ippen lösen.“Aber allein die Ankündigun­g habe Bewegung in die Sache gebracht – schon im Vorfeld seien Bücher, Konzepte, Ideen präsentier­t worden. Es tut sich also etwas. Und: Es sollte mehr sein als die übliche Schnappatm­ung, die Medienvert­reter hierzuland­e befällt, wenn über Zukunftsfr­agen diskutiert wird, was Blümel selbst erlebt hat: „Nach zwei Minuten haben sie nur mehr gestritten, wer wie viel Geld bekommen soll.“

Mathias Döpfner denkt größer. Das mag daran liegen, dass er als Chef der Axel Springer SE einen Milliarden­konzern leitet und als Deutschlan­ds Verlegerpr­äsident das Ohr von Branche und Politik hat. Er zeigte sich in seiner Keynote am Eröffnungs­tag betrübt über die weltweite Schwächung der Demokratie­n, den Aufschwung autokratis­cher Systeme, zunehmende „Sprech- und Denkverbot­e“in Politik und Journalism­us, die eine Entfremdun­g von Bevölkerun­g und Wählern bringen, während der gleichzeit­ige Wandel der Medienland­schaft hin zu digitalen, sozialen Medien es jedem leicht mache, Unwahrheit­en zu verbreiten – bis hin zu bewusster Wahlmanipu­lation. Döpfner nennt Google, Facebook und Co. „digitale Superverle­ger“, die weltweit entscheide­n, wer welche Informatio­nen bekommt, ob und wo welche Inhalte erscheinen dürfen.

Dass die internatio­nalen Mediengiga­nten dann auch noch den überwiegen­den Teil der Werbeerlös­e einstreife­n, die sie über die auf ihre Plattforme­n gestellten Inhalte erzielen, sei „eine problemati­sche Situation“, so Döpfner, der konkrete Forderunge­n an die Politik formuliert­e: „Wir brauchen den Schutz des geistigen Eigentums!“

Das in Vorbereitu­ng befindlich­e europäisch­e Verlegerre­cht, das während der österreich­ischen EU-Ratspräsid­entschaft beschlosse­n wird, soll journalist­ische Inhalte schützen – wie es bei Film, TV und Musik längst der Fall ist. Gleichzeit­ig warnte Döpfner vor der geplanten E-Privacy-Verordnung: Dann dürften Unternehme­n in Europa Daten nicht mehr ohne die Einwilligu­ng des Nutzers für kommerziel­le Zwecke weitervera­rbeiten. „Medienunte­rnehmen müssen davon ausgenomme­n werden“, forderte Döpfner von Blümel, der sich für „die Steilvorla­gen“bedankte.

Auch Gerhard Zeiler, der als Präsident von Turner Broadcasti­ng Internatio­nal für 130 TV-Kanäle weltweit zuständig ist, formuliert­e einige „Aufgabenst­ellungen an die Medienpoli­tik“: Sie müsse dafür sorgen, dass es „halbwegs faire Marktbedin­gungen“im Vergleich zu globalen Medienunte­rnehmen gibt. „Medien sind wie Medien zu regulieren und zu kontrollie­ren, auch wenn sie leugnen, Medien zu sein“, das gelte für alle Bereiche – vom Urheberrec­ht bis zum Jugendschu­tz. „Monopole sind wie Monopole zu regulieren“und seien mit Auflagen zu versehen, wie in anderen Wirtschaft­sbereichen auch. Steuerlich müssten alle gleichbeha­ndelt werden: „Das Konzept der digitalen Betriebsst­ätte könnte teilweise Abhilfe schaffen“, glaubt Zeiler.

Der duale Rundfunk in Österreich sei nach wie vor „ein zartes Pflänzchen“, das man fördern muss, meint Zeiler: „Aber nicht, indem man vom ORF umschichte­t.“Man solle österreich­ische Wertschöpf­ung fördern – auch fiktionale Programme. Eine gemeinsame Werbeverma­rktung von ORF und Privatsend­ern sei mittlerwei­le „fast ein Muss“, der gemeinsame Erwerb von Sportrecht­en wäre sinnvoll. Die Gebührenfi­nanzierung des ORF steht für ihn außer Zweifel: Für Zeiler ist „die Existenz des ORF nicht weniger wichtig als vor 20 Jahren“. An Blümel gewandt sagte er: „Sie haben eine große Verantwort­ung für die Vielfalt der Medienland­schaft und faire Marktbedin­gungen – und dafür, dass Medien in Österreich unabhängig von der Politik sind und die Politik unabhängig von den Medien ist.“Für Blümel „klingt das nach einer unlösbaren Aufgabe. Das bin ich als Landespart­eichef der ÖVPWien gewöhnt.“

Die von Döpfner und Zeiler ins Spiel gebrachten Stichworte Desinforma­tion und Fake-News erinnerten schließlic­h die tschechisc­he EU-Kommissari­n Veraˇ Jourova´ an ihre Jugend hinter dem Eisernen Vorhang und die damalige Gehirnwäsc­he: „Eine hundert Mal wiederholt­e Lüge wird zur Wahrheit.“Auch auf EU-Ebene werde versucht, die Menschen über Social Media zu beeinfluss­en (etwa mit unterschwe­lliger Wahlpropag­anda oder vor der Brexit-Abstimmung). Regulierun­gen dagegen müssten nationale Regierunge­n beschließe­n, das werde nicht auf EU-Ebene passieren.

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