„Und neues Leben blüht aus den Ruinen . . .“
Es gibt eine tröstliche Lehre aus dem katastrophalen Börsenzusammenbruch von 1987: Systemimmanent kracht es relativ oft im Wirtschaftsgebälk, aber es ist fast immer ein reinigendes Gewitter, aus dem neue Chancen entstehen.
Nichts deutete beim Abflug in Frankfurt am Vormittag jenes 19. Oktober 1987 auf Außergewöhnliches hin. Gut, über das Wochenende hatte es ein paar kleinere Scharmützel zwischen Iranern und Amerikanern am Golf gegeben, und die heiß gelaufenen Börsen waren zum vorigen Wochenschluss ein wenig nervös geworden. Aber Grund zur Aufregung? Nein!
Wäre da nicht dieser Taxifahrer nach der Landung in Los Angeles gewesen: Ob man denn auch glaube, dass das nun das Ende des gewohnten Wohlstands sei und von nun an alles den Bach hinuntergehe? Nein, wieso? Man wisse es noch nicht? Am Golf hätten Iraner und Amerikaner wieder aufeinander geschossen, die Kriegsgefahr sei stark gestiegen – und der Dow Jones Index (ja, für den interessieren sich in den USA auch Taxifahrer) habe tagsüber ordentlich gecrasht.
Nicht irgendwie, sondern richtig brutal: Um 22,6 Prozent war das wichtigste Börsenbarometer der Welt seit dem Morgen gefallen. Fast ein Viertel des Börsenwerts der amerikanischen Wirtschaft hatte sich inner- halb von acht Handelsstunden in Luft aufgelöst. Aus dem kühlen, aber schönen Herbsttag war der Black Monday geworden. Der bis heute unerreichte, prozentuell größte TagesBörsencrash der Wirtschaftsgeschichte.
Und, ist die Welt eingestürzt? Das beantwortet man am besten mit dem Dow Jones Chart: Das am Black Monday auf 1738 Punkte abgestürzte Börsenbarometer steht heute bei knapp 25.000 Punkten. Also beim annä- hernd Vierzehnfachen. Wer damals nicht panisch verkauft, sondern beherzt zugegriffen hat, war schon wenig später ziemlich reich.
Das ist die tröstliche Lehre aus dem Schwarzen Montag: Es kracht systemimma- nent relativ oft im Wirtschaftsgebälk. Aber es ist fast immer ein reinigendes Gewitter, das zwar Verwüstungen anrichtet, aus dem aber neue Chancen sprießen.
So selten passiert das nämlich gar nicht: Seit dem Black Monday ist die Weltwirtschaft von mehreren Argentinien-Krisen, vom Südostasien-Crash, von der RusslandKrise, vom Platzen der „Tech Bubble“in den USA, von der Weltfinanzkrise der Jahre 2008 ff, von der Griechenland-Krise, die zur Eurokrise wurde, und so weiter und so weiter heimgesucht worden.
Und die nächsten Krisen stehen schon am Horizont: Die Staatsschulden sind in vielen Ländern außer Kontrolle, Italien kracht wie eine Kaisersemmel, die europäischen Banken haben ein Jahrzehnt nach Ausbruch der Finanzkrise ihre Bilanzen noch immer nicht saniert, die Eurozone leidet am gefährlichen Populismusvirus, Schwellenländer nagen schwer an Dollar-Kreditexzessen und die Börsen treiben es wieder einmal recht luftig.
Jedes einzelne dieser Krisensymptome hat das Zeug, einen ordentlichen Crash auszulösen. Zum Teil stellen sie Bedrohungsszenarien dar, die nicht nur die Vermögen der Börsenteilnehmer (also einer Minderheit), sondern ganze Währungen bedrohen. Und damit Massenarmut auslösen können.
Aber: Sie sind bekannt. Man kann also gegensteuern. Und meist wird das auch mehr oder weniger erfolgreich getan. Es ist ein bisschen wie mit den Revolutionen: Angesagte finden meist nicht statt. Gefährlicher sind die, die aus heiterem Himmel kommen. Wie etwa der Crash des Jahres 1987. Natürlich, die geopolitischen Spannungen waren groß. Aber das sind sie meist in dieser politisch unruhigen Welt. Und die Börsen waren ein bisschen weit gelaufen. Aber das regeln sie meist mit gesunden Korrekturen, nicht mit Brutalabstürzen. Kurzum: Bis heute weiß niemand genau, wieso damals, im Oktober 1987, plötzlich alle in Panik zu den Notausgängen gestürmt sind und dabei einander niedergetrampelt haben.
Was wir allerdings gesichert wissen: Aus jedem Crash lernen wir ein bisschen. Jener des Jahres 1987, in dem erstmals in der Geschichte Computerprogramme zerstörend mitgemischt haben, hat beispielsweise zu Regularien geführt, die verhindern sollen, dass sich Algorithmen zu sehr selbstständig machen. Und der weltweite Bankenstillstand von 2008 hat zumindest zum Versuch geführt, Bankrisiken mit hoher Ansteckungsgefahr für die Weltwirtschaft ein bisschen einzuzäunen.
Das ändert nichts daran, dass der nächste Crash kommen wird. Nicht nur in der Wirtschaft. Auch in der Politik hat sich ja einiges aufgestaut. Der gesellschaftliche Sprengstoff, den die unkontrollierte Migration der Jahre 2015/16 hinterlassen hat, ist so eine Gefahr. Dass die Lunte glimmt, erkennt man am Kippen der Stimmung in weiten Teilen Europas, am Erstarken politischer Abenteurer, am Abgleiten in die Bedeutungslosigkeit jener Strömungen, die für die Situation verantwortlich gemacht werden.
Es wird also, so oder so, wieder krachen. Und es wird für den Einzelnen, wie immer, darauf ankommen, was er daraus macht. Man kann im Crash untergehen, oder man kann sich vom Crash nach oben treiben lassen. Man sollte jedenfalls vorbereitet sein. Grund zur Panik ist es nicht. Man hält es am besten mit dem alten, etwas aus der Mode gekommenen Friedrich von Schiller, der Werner von Attinghausen in „Wilhelm Tell“den Zeitenlauf mit einem einzigen Satz sehr schön beschreiben lässt: „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, und neues Leben blüht aus den Ruinen.“