@FreedrichHayek würde Bitcoin kaufen
Sie wurden ignoriert, bekämpft und vertrieben – die Propheten der österreichischen Ökonomie. Aber Finanzkrise und Internet haben ihnen nach mehr als 100 Jahren ein Comeback verschafft. Und jetzt gibt es auch noch Bitcoin.
Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem eigenen Vaterland. Jesus hat das gesagt. Angeblich. So steht es jedenfalls in der Bibel. Heute gilt dieser deprimierende Satz als Sprichwort, dessen Bestätigung Österreich zur Kunstform erhoben hat. Nirgends wird das sichtbarer als beim Schicksal „unserer“Ökonomen aus der „Österreichischen Schule der Nationalökonomie“. International werden sie gefeiert, zu Hause ignoriert oder gar angefeindet. Es hat nicht weniger als eine globale Wirtschaftskrise und eine technologische Revolution gebraucht, um ihre Ideen auch in der Heimat wieder bekannt zu machen.
Nach mehr als 100 Jahren, in einer neuen Welt. Würde Carl Menger, der die Wirtschaftswissenschaften Ende des 18. Jahrhunderts von Wien aus revolutionieren sollte, die Stätte seines Wirkens heute wieder erkennen? Was würde Ludwig von Mises zu den Positionen der Wirtschaftskammer sagen, deren Chefökonom er einmal war? Würde Fritz Machlup, der 1925 unter Mises eine Dissertation mit dem Titel „Die Goldkernwährung“geschrieben hat, mit den bunten Euro-Scheinen zurechtkommen? Und wie würde es Eugen von Böhm-Bawerk gehen, den manche immerhin noch von der Hundert-Schilling-Note kennen?
Vielleicht würden sie zuerst zu etwas greifen, das sie kennen. Zur „Presse“etwa, für die sie alle geschrieben haben, als Europa schon auf den Untergang zuwankte. Immerhin hält diese Zeitung heute noch am ehesten die Fackel des klassischen Liberalismus in die Höhe und fragt ab und an kritisch nach, ob der Staat wirklich so viel Macht, Kontrolle und Geld braucht – und was er damit eigentlich vorhat.
Und wenn sie sich dann angefreundet haben mit der U-Bahn, dem Kaffee im Pappbecher und der Funktionsweise von Windows 10, vielleicht würden sie wieder in die rische Bücher über Marx schreiben – und sich dann besonders schlau vorkommen, weil Ö1 sie wieder einmal eingeladen hat.
„Nicht der Kapitalismus hat versagt, sondern die Wirtschaftspolitik des Interventionismus, Etatismus und Sozialismus, die seit Jahrzehnten am Ruder ist. Nicht noch mehr Staatseingriffe, Sozialismus, Planwirtschaft, Staatskapitalismus können uns helfen, sondern allein die Einsicht, dass eine Hebung der Lebenshaltung nur durch mehr Arbeit und durch Bildung von neuem Kapital bewirkt werden kann“, schrieb Mises schon 1931 in der „Neuen Freien Presse“.
Der Nationalbank würde Mises trotz aller Kritik wohl applaudieren, weil sie die Goldreserven nach Hause holt. Die erstaunliche Erfolgsgeschichte der PhilharmonikerMünze würde ihn faszinieren. Immerhin haben er und viele der frühen Österreicher immer schon gewusst, was angeblich der Banker JP Morgan einmal gesagt hat: „Gold ist Geld, alles andere ist Kredit.“Und Hayek, Mises’ Schüler, der mehr als alle anderen „Österreicher“zu Ruhm gelangte, weil er den Nobelpreis erhielt?
Der würde Bitcoin kaufen und Vorträge vor hunderten jungen Menschen mit T-Shirts und Laptops halten. Kein Scherz. Hayek würde keine Gastkommentare schicken, sondern einen Blog auf der „Presse“-Website schreiben. Er hätte zehntausende Fans auf Instagram und würde als @FreedrichHayek auf Twitter hitzige Debatten mit Journalisten und Politikern über Freiheit führen. Die würden ihn für verrückt erklären. Es wäre ihm egal. Er hat das alles kommen sehen.
Niemand wäre vom technologischen Durchbruch des Bitcoin-Protokolls, das erstmals sichere Wertübertragung übers Internet ermöglicht, mehr fasziniert als Friedrich August von Hayek, der 1973 sein Buch über die „Entnationalisierung des Geldes“geschrieben hat. Darin ist Hayek noch weiter gegangen als seine Lehrer und stellt die Frage, ob man die Wahl der besten Währung nicht auch dem Markt überlassen sollte. Es war ein Angriff auf den Status quo, in dem die staatlich beauftragten Zentralbanken alles lenken. Bitcoin ist auch so ein Angriff.
Freilich: Was die Mainstream-Akzeptanz dieser Idee betrifft, dass das Geld nicht nur vom Staat kommen muss, stehen wir ganz am Anfang. Noch herrscht eher Schumpeters Chaos als Hayeks neue Ordnung. Das Experiment kann scheitern. Nichts für schwache Nerven.
Aber die junge Generation, aufgewachsen mit der Krise, saugt solche Sachen auf. Und keine seriöse Erörterung der Ökonomie hinter Bitcoin kommt ohne die Ideen der „Austrians“aus, die Propheten aus Österreich. Sie wurden ignoriert, bekämpft und vertrieben. Aber jetzt sind sie wieder da.