Die Presse

@FreedrichH­ayek würde Bitcoin kaufen

Sie wurden ignoriert, bekämpft und vertrieben – die Propheten der österreich­ischen Ökonomie. Aber Finanzkris­e und Internet haben ihnen nach mehr als 100 Jahren ein Comeback verschafft. Und jetzt gibt es auch noch Bitcoin.

- VON NIKOLAUS JILCH

Ein Prophet gilt nirgends weniger als in seinem eigenen Vaterland. Jesus hat das gesagt. Angeblich. So steht es jedenfalls in der Bibel. Heute gilt dieser deprimiere­nde Satz als Sprichwort, dessen Bestätigun­g Österreich zur Kunstform erhoben hat. Nirgends wird das sichtbarer als beim Schicksal „unserer“Ökonomen aus der „Österreich­ischen Schule der Nationalök­onomie“. Internatio­nal werden sie gefeiert, zu Hause ignoriert oder gar angefeinde­t. Es hat nicht weniger als eine globale Wirtschaft­skrise und eine technologi­sche Revolution gebraucht, um ihre Ideen auch in der Heimat wieder bekannt zu machen.

Nach mehr als 100 Jahren, in einer neuen Welt. Würde Carl Menger, der die Wirtschaft­swissensch­aften Ende des 18. Jahrhunder­ts von Wien aus revolution­ieren sollte, die Stätte seines Wirkens heute wieder erkennen? Was würde Ludwig von Mises zu den Positionen der Wirtschaft­skammer sagen, deren Chefökonom er einmal war? Würde Fritz Machlup, der 1925 unter Mises eine Dissertati­on mit dem Titel „Die Goldkernwä­hrung“geschriebe­n hat, mit den bunten Euro-Scheinen zurechtkom­men? Und wie würde es Eugen von Böhm-Bawerk gehen, den manche immerhin noch von der Hundert-Schilling-Note kennen?

Vielleicht würden sie zuerst zu etwas greifen, das sie kennen. Zur „Presse“etwa, für die sie alle geschriebe­n haben, als Europa schon auf den Untergang zuwankte. Immerhin hält diese Zeitung heute noch am ehesten die Fackel des klassische­n Liberalism­us in die Höhe und fragt ab und an kritisch nach, ob der Staat wirklich so viel Macht, Kontrolle und Geld braucht – und was er damit eigentlich vorhat.

Und wenn sie sich dann angefreund­et haben mit der U-Bahn, dem Kaffee im Pappbecher und der Funktionsw­eise von Windows 10, vielleicht würden sie wieder in die rische Bücher über Marx schreiben – und sich dann besonders schlau vorkommen, weil Ö1 sie wieder einmal eingeladen hat.

„Nicht der Kapitalism­us hat versagt, sondern die Wirtschaft­spolitik des Interventi­onismus, Etatismus und Sozialismu­s, die seit Jahrzehnte­n am Ruder ist. Nicht noch mehr Staatseing­riffe, Sozialismu­s, Planwirtsc­haft, Staatskapi­talismus können uns helfen, sondern allein die Einsicht, dass eine Hebung der Lebenshalt­ung nur durch mehr Arbeit und durch Bildung von neuem Kapital bewirkt werden kann“, schrieb Mises schon 1931 in der „Neuen Freien Presse“.

Der Nationalba­nk würde Mises trotz aller Kritik wohl applaudier­en, weil sie die Goldreserv­en nach Hause holt. Die erstaunlic­he Erfolgsges­chichte der Philharmon­ikerMünze würde ihn fasziniere­n. Immerhin haben er und viele der frühen Österreich­er immer schon gewusst, was angeblich der Banker JP Morgan einmal gesagt hat: „Gold ist Geld, alles andere ist Kredit.“Und Hayek, Mises’ Schüler, der mehr als alle anderen „Österreich­er“zu Ruhm gelangte, weil er den Nobelpreis erhielt?

Der würde Bitcoin kaufen und Vorträge vor hunderten jungen Menschen mit T-Shirts und Laptops halten. Kein Scherz. Hayek würde keine Gastkommen­tare schicken, sondern einen Blog auf der „Presse“-Website schreiben. Er hätte zehntausen­de Fans auf Instagram und würde als @FreedrichH­ayek auf Twitter hitzige Debatten mit Journalist­en und Politikern über Freiheit führen. Die würden ihn für verrückt erklären. Es wäre ihm egal. Er hat das alles kommen sehen.

Niemand wäre vom technologi­schen Durchbruch des Bitcoin-Protokolls, das erstmals sichere Wertübertr­agung übers Internet ermöglicht, mehr fasziniert als Friedrich August von Hayek, der 1973 sein Buch über die „Entnationa­lisierung des Geldes“geschriebe­n hat. Darin ist Hayek noch weiter gegangen als seine Lehrer und stellt die Frage, ob man die Wahl der besten Währung nicht auch dem Markt überlassen sollte. Es war ein Angriff auf den Status quo, in dem die staatlich beauftragt­en Zentralban­ken alles lenken. Bitcoin ist auch so ein Angriff.

Freilich: Was die Mainstream-Akzeptanz dieser Idee betrifft, dass das Geld nicht nur vom Staat kommen muss, stehen wir ganz am Anfang. Noch herrscht eher Schumpeter­s Chaos als Hayeks neue Ordnung. Das Experiment kann scheitern. Nichts für schwache Nerven.

Aber die junge Generation, aufgewachs­en mit der Krise, saugt solche Sachen auf. Und keine seriöse Erörterung der Ökonomie hinter Bitcoin kommt ohne die Ideen der „Austrians“aus, die Propheten aus Österreich. Sie wurden ignoriert, bekämpft und vertrieben. Aber jetzt sind sie wieder da.

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