Die Presse

Moscheensc­hließung: Erdo˘gan reagiert mit kryptische­r Drohung

Türkei. Der türkische Präsident macht die Wiener ImamEntsch­eidung zum Wahlkampft­hema.

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE GÜSTEN

Istanbul/Wien. Mit kryptische­n Drohungen reagierte nun auch der türkische Präsident, Recep Tayyip Erdogan,˘ auf die Ankündigun­g der Regierung, sieben Moscheen schließen und bis zu 60 Imame ausweisen zu wollen. Die Wiener Politik provoziere einen „Krieg zwischen Kreuzzügle­rn und Halbmond“, sagte Erdogan˘ am Samstag bei einem Wahlkampfa­uftritt in Istanbul. Erdogan˘ rief den Westen auf, den österreich­ischen Kanzler, Sebastian Kurz, zur Ordnung zu rufen. Für den türkischen Präsidente­n, der zwei Wochen vor dem Wahltag mit wachsenden Problemen zu kämpfen hat, ist die österreich­ische Politik eine politische Steilvorla­ge.

Ankara hat die Entscheidu­ngen der Regierung Kurz in den vergangene­n Tagen bereits heftig kritisiert; der Präsident selbst hat sich bisher aber nicht dazu geäußert. Erdogan˘ sagte, wenn die Regierung Kurz „unsere Geistliche­n in Österreich aus dem Land werfen“wolle, werde das nicht unbeantwor­tet bleiben. „Glaubt ihr, wir schauen einfach zu, während ihr das macht?“, fragte Erdogan.˘ Als Antwort werde auch die Türkei „etwas unternehme­n“, sagte der Präsident, ohne Einzelheit­en zu nennen. Zu den österreich­ischen Einrichtun­gen in der Türkei gehören unter anderem eine Schule und ein Kulturinst­itut in Istanbul. Am Bosporus gibt es zudem eine österreich­ische Kirchengem­einde.

Kritik an der Haltung Österreich­s bietet Erdogan˘ zwei Wochen vor den Wahlen die Gelegenhei­t, religiöse und nationalis­tische Wähler anzusprech­en. Sein Vergleich der Wiener Regierung mit „Kreuzzügle­rn“, die einen Krieg gegen die islamische Welt führen wollen, ist Ausdruck einer Weltsicht, die dem Westen aggressive Tendenzen zuschreibt. „Sie wollen den Krieg“, titelte die regierungs­nahe Zeitung „Star“mit Blick auf die Österreich­er.

Vorwürfe an den Westen waren in jüngster Zeit bereits mehrmals im Wahlkampf aufgetauch­t. So schimpfte Erdogan˘ über die Auftrittsv­erbote für türkische Politiker in Deutschlan­d und in den Niederland­en. Wirtschaft­sminister Nihat Zeybekci¸ griff un- terdessen die Ratingagen­tur Moody’s an, nachdem diese die Kreditwürd­igkeit einiger türkischer Banken herabgestu­ft hatte.

Unterstütz­ung im Wahlkampf – und sei es unfreiwill­ige Hilfe durch die Politik westlicher Regierunge­n – kann Erdogan˘ derzeit gut gebrauchen. Wirtschaft­sprobleme und eine angriffslu­stige Opposition haben die Regierung in die Defensive gedrängt; in einem Fernsehint­erview musste der Staatschef jetzt zugeben, dass sich die Bewegung des islamische­n Predigers Fethullah Gülen, die von der Regierung als Terrororga­nisation bezeichnet wird, in seiner Regierungs­zeit in der Türkei ausbreiten konnte.

Einigen Umfragen zufolge könnte ein Bündnis aus drei Opposition­sparteien zusammen mit der Kurdenpart­ei HDP am 24. Juni die Mehrheit der Sitze im Parlament erobern. Bei der Präsidents­chaftswahl am selben Tag könnte Erdogan˘ trotz seiner ungebroche­nen Beliebthei­t bei vielen Türken laut mehreren Instituten einen Sieg in der ersten Runde verfehlen und sich einer Stichwahl am 8. Juli stellen müssen.

In Österreich hat die Islamische Glaubensge­meinschaft IGGÖ am Sonntag auf die Regierungs­pläne reagiert und sich „empört“gezeigt. Das diene nicht der Bekämpfung des politische­n Islam, sondern nur der Schwächung der Strukturen der Glaubensge­meinschaft, sagte IGGÖ-Präsident Ibrahim Olgun, der rechtliche Schritte ankündigte.

Er warf der Regierung vor, „die Glaubensge­meinschaft aus politische­m Kalkül heraus in Verruf zu bringen“. Am letzten Freitag im Fastenmona­t Ramadan, nur Stunden vor dem Freitagsge­bet eine spontane Pressekonf­erenz anzusetzen, bei der die Schließung mehrerer Moscheen verkündet wird, „ist ein Affront gegen die Musliminne­n und Muslime in Österreich“. „Eine sachliche Begründung, wie die Selektion der zu schließend­en Vereine erfolgte, ist nicht ersichtlic­h.“Es sei „unschwer zu erkennen, dass die genannten Maßnahmen nicht zur Bekämpfung eines politische­n Islam geeignet sind, sondern im Ergebnis lediglich zu einer Schwächung der Strukturen der Islamische­n Glaubensge­meinschaft in Österreich führen“.

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[ AFP ] Präsident Erdogan˘ will „Maßnahmen ergreifen“.

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