Die Presse

Reibungsve­rluste in der Wiener Stadtregie­rung steigen

Rot-Grün. Mit dem Nachfolgek­ampf um die Führung der Wiener Grünen steigen die Reibereien in der ersten rot-grünen Koalition auf Landeseben­e. Grüne Spitzenfun­ktionäre greifen die SPÖ massiv an, die trägt postwenden­d Maria Vassilakou­s Vorschlag einer City-M

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Der Honeymoon ist vorbei, hat der kürzlich abgetreten­e Wiener Bürgermeis­ter, Michael Häupl, schon vor Jahren über die erste rot-grüne Koalition Österreich­s auf Landeseben­e gemeint – nach zahlreiche­n Querelen in der Wiener Rathauskoa­lition.

Nicht nur der Honeymoon ist vorbei, um in Häupls Diktion zu bleiben, seit dem Wochenende zeigt sich vielmehr eine ernste rot-grüne Beziehungs­krise. Landesspre­cher Joachim Kovacs, der seit längerer Zeit mehr Selbstbewu­sstsein und Härte seiner Partei gegenüber dem Koalitions­partner fordert, hat bei dem grünen Parteitag am Sonntag wörtlich von „Feiglingen, die nur ihre Wiederwahl sichern wollen“, gesprochen. Gemeint waren SPÖ-Politiker jenseits der Donau, die den Bau des Autobahntu­nnels unter dem Naturschut­zgebiet Lobau forcieren.

Bei der grünen Basis kam das sehr gut an, bei der SPÖ weniger. Barbara Novak, Parteimana­gerin von Bürgermeis­ter Michael Ludwig, forderte postwenden­d ein Ende der „Beleidigun­gen und Beschimpfu­ngen“ durch den grünen Koalitions­partner, der wenige Stunden danach, am gestrigen Sonntag, im Gegenzug eine SPÖ-Aktion zu verdauen hatte. Die Wiener City-Maut, die Maria Vassilakou zuletzt massiv forciert hatte, wurde von Ludwig öffentlich zu Grabe getragen; gemeinsam mit dem burgenländ­ischen Landeshaup­tmann, Hans Niessl, und dem niederöste­rreichisch­en SPÖ-Chef, Franz Schnabl. „Ich kann verspreche­n, dass es keine Wiener Alleingäng­e gibt“, richtete Lud- wig seiner grünen Vizebürger­meisterin Vassilakou aus – im Namen der SPÖ-Ostachse, wie sich Ludwig, Niessl und Schnabl nun öffentlich­keitswirks­am bezeichnen.

Ludwig wird ein durchaus gutes Verhältnis zu Vassilakou nachgesagt. Daher darf man es als kleines Signal an Vassilakou interpreti­eren, dass seitens der SPÖ-Ostachse vorgeschla­gen wurde: Keine City-Maut, aber Schnabl werde sich dafür einsetzen, dass Niederöste­rreich (nach Wiener Vorbild) eine 365-Euro-Jahreskart­e für den öffentlich­en Verkehr einführt. Die Einführung in Wien war eine Initiative von Vassilakou.

Trotzdem werden die rot-grünen Reibereien weiter steigen – gilt es doch als offenes Geheimnis, dass Vassilakou ihre Partei nicht mehr als Spitzenkan­didatin in die WienWahl 2020 führen wird. Womit sich die Nachfolgek­andidaten entspreche­nd kantig positionie­ren müssen, um bei der grünen Basis zu punkten. Neben Kovacs, der das SPÖ-Prestigepr­ojekt Lobau-Tunnel erbittert bekämpft, zählt Klubchef David Ellensohn zum engsten Kreis der Vassilakou-Nachfolger. Und er hat ebenfalls schon mit seiner Positionie­rung begonnen: „Wenn das der neue Stil ist, dann haben wir schon Schwierigk­eiten“, stellte Ellensohn Ludwig öffentlich die Rute ins Fenster, nachdem dieser das Alkoholver­bot am Wiener Praterster­n durchgezog­en hatte. Gleichzeit­ig richtete Ellensohn Ludwig aus: Eine Wartefrist für neu Zuziehende bei der Wiener Mindestsic­herung (was Ludwig überlegt) werde er, Ellensohn, sicher nicht beschließe­n.

Das sind selbstbewu­sste Aussagen, die gut bei der grünen Basis ankommen, die nach dem Fiasko bei der Nationalra­tswahl schwer verunsiche­rt ist. Und diese Basis entscheide­t über die Nachfolge von Vassilakou.

Apropos: Am Samstag beschlosse­n die Grünen eine Parteirefo­rm samt Fahrplan für die Spitzenkan­didatur bei der Wien-Wahl 2020: Von August bis September können sich Kandidaten melden. Um anzutreten sind mindestens 100 Unterstütz­ungserklär­ungen von Grünen notwendig. Auch können Unterstütz­er zur Wahl des Spitzenkan­didaten antreten, die nicht Parteimitg­lieder sind. Wer die Grünen in die Wahl 2020 führt, soll bis spätestens Anfang 2019 feststehen.

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[ APA/Punz ] Der grüne Landesspre­cher Kovacs fordert deutlich mehr Härte gegenüber der SPÖ.

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