Die Presse

Investitio­nsboom ohne Österreich

Studie. Nie gab es in Europa mehr Direktinve­stitionen aus dem Ausland als im vergangene­n Jahr. Um Österreich machten die internatio­nalen Geldgeber allerdings einen großen Bogen.

- VON MATTHIAS AUER

Die gute Wirtschaft­sentwicklu­ng in Europa lockt zunehmend Investoren auf den Kontinent. Im vergangene­n Jahr setzten ausländisc­he Unternehme­n die Rekordmark­e von 6653 Investitio­nsprojekte­n in europäisch­en Ländern um und schufen dabei 353.469 zusätzlich­e Arbeitsplä­tze. Aber nicht alle Staaten profitiert­en vom globalen Kaufrausch. Just an Österreich geht der historisch­e Investitio­nsboom vorbei, so das Ergebnis der „EY Attractive­ness Survey“, die der „Presse“exklusiv vorliegt.

In Summe setzten ausländisc­he Investoren 2017 nur 40 Projekte in Österreich um. Das ist fast ein Fünftel weniger als noch im Jahr zuvor. Aber warum ist das so? Immerhin bescheinig­en sogar die sonst so vernichten­den Wettbewerb­srankings des World Economic Forum oder des Schweizer Instituts IMD dem Standort Österreich leichte Verbesseru­ngen. Für Gunther Reimoser, Österreich­Chef der Prüf- und Beratungsg­e- sellschaft EY, ist die Antwort eindeutig: Die Entscheidu­ng, wo eine neue Niederlass­ung gebaut wird, fällen Unternehme­n nicht von heute auf morgen.

Das brauche zwei bis drei Jahre Vorlaufzei­t. „Wenn wir also wirklich besser geworden sind, werden wir es frühestens in ein paar Jahren sehen“, sagt er. Ganz glauben will er daran noch nicht. Ein gutes, reformstar­kes Jahr allein genüge einfach nicht, um die Unternehme­n im Ausland das gut eingebrann­t Bild vom Hochsteuer­land und der Bürokratie­hochburg Österreich vergessen zu lassen.

Jobmotoren aus Österreich

So schufen internatio­nale Konzerne im Vorjahr nur 2913 neue Jobs im Land. Jeder zweite davon entstand bei Boehringer Ingelheim, MSD Animal Health und Infineon.

Auch die Zusammense­tzung der ausländisc­hen Direktinve­stitionen in Österreich hat sich stark verändert. Die Zahl der Forschungs- und Entwicklun­gsprojekte (F&E) stieg stark an, reine Pro- duktionsbe­triebe siedeln sich hingegen kaum noch in Österreich an. Reimoser warnt davor, diese Entwicklun­g auf die leichte Schulter zu nehmen oder gar zu begrüßen: „Produktion in Österreich geschieht auf sehr hohem Niveau und schafft hochwertig­e Jobs. Mit F&E-Projekten allein lässt sich der Rückgang der Investitio­nen nicht kompensier­en.“

Dass die heimische Wirtschaft im vergangene­n Jahr dennoch stark gewachsen ist, verdankt sie in erster Linie den österreich­ischen Unternehme­n. Sie haben viel Geld in die Hand genommen und im eigenen Land investiert. Aber nicht nur das, auch im Rest Europas haben sich österreich­ische Betriebe 2017 als Jobmotoren etabliert. Mit 140 umgesetzte­n Investitio­nsprojekte­n und 7624 neu geschaffen­en Jobs in Europa klettert Österreich auf Platz 13 im globalen Ranking der größten Investoren in Europa.

Beliebtest­es Ziel der Österreich­er ist mit 55 Projekten weiterhin Deutschlan­d. Umgekehrt zog es nur 15 deutsche Unternehme­n nach Österreich. Die alte Boomregion Osteuropa nimmt erst langsam wieder den früheren Stellenwer­t bei den heimischen Investoren ein. Auch hier dürfte der Aufschwung der Region zu jung sein, um große Investitio­nswellen nach sich zu ziehen, vermutet Reimoser.

Brexit schadet Briten nicht

Der attraktivs­te Standort für ausländisc­he Investoren bleibt Großbritan­nien. Im Vorjahr schufen internatio­nale Konzerne hier in 1205 Projekten 50.200 neue Jobs. Der bevorstehe­nde Brexit schadet dem Standort kaum. Im Gegenteil: Die Zahl der Projekte stieg zum Vorjahr um sechs Prozent.

Grund dafür sei die verlockend­e Zwitterste­llung, die Großbritan­nien bald einnehmen könnte, so Reimoser. Investoren erwarten, dass die Briten im EU-Binnenmark­t bleiben, strenge EU-Regularien jedoch über Bord werfen und sich an die USA annähern werden. London positionie­re sich geschickt als „Nicht-EU-Mitglied mit Zugang zu allen großen Märkten“.

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[ Reuters ] Der deutsche Technologi­ekonzern Infineon – mit einer starken Tochter in Kärnten – zählte 2017 zu den größten ausländisc­hen Investoren in Österreich.

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