WM in Putinland: Was Anleger wissen sollten
Fußball. Für das Image der Sponsoren ist eine Fußball-Weltmeisterschaft in Russland riskanter als etwa die zuletzt in Brasilien. Profitieren werden sie und andere Unternehmen dennoch. Aber ist das auch aus Sicht der Anleger so klar?
Als sich Russland Ende 2010 gegen die anderen Bewerber um die Austragung der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 durchsetzte, war die Welt noch eine andere. Im Land herrschte durch Wladimir Putins Wechsel von der Kreml- an die Regierungsspitze Tauwetter, die Wirtschaft begann nach der Finanzkrise wieder zu laufen, und an einen restaurativen Kurs inklusive Annexion der Krim dachte niemand auch nur im Traum.
Heute, wenige Tage vor Beginn der WM, klingt all das wie eine Geschichte aus einer fernen Zeit. Das Verhältnis mit dem Westen ist im Eimer. Die russische Wirtschaft ist durch die ölpreis- und sanktionsbedingte Rezession 2015 und 2016 sowie durch das auf nur 1,5 Prozent beschränkte Wachstum im Vorjahr weiter hinter die brummende Weltwirtschaft zurückgefallen. Und wenn sich der soeben wiedergewählte Putin nicht bald einem radikalen Reformkurs verschreibt, wird das BIP-Wachstum in den kommenden Jahren nicht mehr als zwei Prozent erreichen. Daran können auch sportliche Einmalereignisse nichts ändern, obwohl die Vorbereitung für die Fußball-WM, die am Donnerstag beginnt, das BIP in den vergangenen Jahren durchaus gestützt hat.
Die beste WM aller Zeiten
Zu einem Erfolg kann sie freilich auch vor diesem Hintergrund werden. Mehr als das: Russland werde sein Ziel erreichen, die bisher beste Weltmeisterschaft zu organisieren, erklärte FIFA-Präsident Gianni Infantino dieser Tage.
Dennoch hat die FIFA nur mit Mühe ausreichend Sponsoren finden können, wie die „Financial Times“schon vor einem Jahr berichtete. Das hat auch mit dem Image der 2015 von einem Korrup- tionsskandal gebeutelten FIFA zu tun. Das Spezifische am Austragungsort Russland seien aber „politisch bedingte Risken, die auch das Image der Sponsoren in Mitleidenschaft ziehen könnten“, wie Gerd Nufer, Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarketing, gegenüber der „Presse“erklärt.
Spezifisch ist auch, dass Russland etwa im Vergleich zu Brasilien, wo die vorige WM ausgetragen worden ist, um 70 Millionen Menschen weniger Einwohner und auch prozentuell weniger Fußballfans hat. Die WM in Russland biete zweifellos weniger finanzielle Möglichkeiten als Brasilien, erklärte denn auch Kasper Rorsted, Chef des Sportartikelherstellers Adidas, der Langzeit-Partner der FIFA ist.
Der russische Markt und die Propagierung der eigenen Marke dort ist für Firmen das eine. Die Werbung vor den internationalen TV-Zusehern das andere. Und hier werde sich die Lage „nicht wesentlich von vergangenen Turnieren unterscheiden“, so Nufer: Bei der WM in Brasilien seien es „weltweit kumuliert über drei Milliarden TVZuschauer“gewesen.
Die Partner und Sponsoren
Um sie mit der eigenen Marke zu erreichen, haben sich zu den FIFAPartnern und FIFA-Sponsoren gerade chinesische Firmen wie Wanda oder Vivo gesellt. In Erwartung, über den Fußball weltweit bekannt zu werden, würden sie „die Lücke schließen, die westliche Sponsoren in den letzten Jahren durch ihren Ausstieg aufgerissen haben“, erklärt Nufer. Sony und Emirates waren als FIFA-Partner ausgestiegen. Aus der zweiten Kategorie der Unterstützer, den sogenannten Sponsoren, haben sich sechs verabschiedet, darunter Castrol, Continental und Johnson & Johnson.
Damit bleiben als Partner Adidas, Coca-Cola, Wanda Group, Gazprom, Hyundai, Qatar Airways und Visa. Dazu als Sponsoren Bud, der chinesische Elektronikkonzern Hisense, McDonald’s, Vivo und der chinesische Molkereikonzern Mengniu. Als regionale Sponsoren kommen unter anderem der russische Diamantenkonzern Alrosa und die Telekommunikationsfirma Rostelekom hinzu.
Sie alle werden von der WM profitieren, wie die Ratingagentur Moody’s schreibt: So wie auch der Adidas-Konkurrent Nike, Twitter, Anheuser-Busch oder russische Mobilfunkkonzerne – am meisten davon Megafon, der einen Exklusivvertrag mit der FIFA habe.
Unklare Situation für Anleger
Was nun Aktionäre betrifft, so ist der Profit aus der WM weniger eindeutig. Zwar werden einschlägige Wertpapiere im allgemeinen Hype gewöhnlich nach oben gezogen. Manche Effekte sind aber schon eingepreist. Und auch wenn die Umsätze der genannten Firmen steigen, müssen die Aktien die Dynamik nicht zwingend reproduzieren. Überhaupt wird erst im Herbst feststehen, wie viel die Unternehmen unterm Strich vom Sportereignis profitiert haben werden.
Sieht Adidas den finanziellen Einfluss der Russland-WM im Vergleich zu Brasilien zwar geringer, so erwartet Firmenchef Rorsted doch, dass er die acht Millionen Trikots, die er anlässlich der WM in Brasilien verkauft hat, übertrifft. Der Konzern stellt den Spielball und rüstet mit zwölf der 32 Mannschaften mehr aus als die Konkurrenten Nike und Puma. Die Aktie des Nike-Konzerns ist am Donnerstag bereits auf ein Rekordhoch gestiegen. Auch die Puma-Aktie, ein Highflyer dieses Jahres, ist sportlich bewertet, wobei ihr Analysten noch 15 Prozent zutrauen – und das trotz der Tatsache, dass die von Puma gesponserte Italien-Elf nicht nach Russland fährt. Adidas selbst ist nach einer Maikorrektur soeben wieder angesprungen und birgt jüngsten Analystenupdates zufolge zehn bis 20 Prozent Potenzial.
Das Fest des Bieres
Ein ähnlicher Dreierwettbewerb findet auf dem Biermarkt statt, der traditionell bei Fußball-Großereignissen hochgeht. Das könnte auch dem größten Brauereikonzern AB Inbev wieder Schub verleihen, nachdem seine Aktie in den vergangenen zwölf Monaten um fast 30 Prozent gesunken ist. HSBC jedenfalls hat das Papier vorigen Montag von „Hold“auf „Buy“hochgestuft und sieht 45 Prozent Luft nach oben, weil der Konzern nun auf Wachstum aus eigener Kraft fokussiere. Der britische Konkurrent Diageo mit Marken wie Guinness hingegen hat an der Börse zuletzt stark aufgezeigt und soeben ein neues Allzeithoch markiert. Analysten halten den Aufwärtstrend für intakt, während die Aktie von Heineken erst den Ausbruch aus der monatelangen Seitwärtsbewegung schaffen muss. Zugutekommen wird die WM dem Visa-Konzern, der exklusiv den bargeldlosen Zahlungsverkehr in den Stadien abwickeln wird. Die Aktie bewegt sich bereits seit vier Jahren kontinuierlich aufwärts und zog seit April nochmals kräftig an. Auch hier ist keine schnelle Trendwende in Sicht. Noch rasanter war der Kursanstieg der Twitter-Aktie – seit Herbst 160 Prozent. Laut CEO Jack Dorsey freue sich der Konzern auf die WM. USAnalysten zufolge sollte sie dazu beitragen, dass Twitter einen positiven Cashflow erzielt.