Die Presse

WM in Putinland: Was Anleger wissen sollten

Fußball. Für das Image der Sponsoren ist eine Fußball-Weltmeiste­rschaft in Russland riskanter als etwa die zuletzt in Brasilien. Profitiere­n werden sie und andere Unternehme­n dennoch. Aber ist das auch aus Sicht der Anleger so klar?

- MONTAG, 11. JUNI 2018 VON EDUARD STEINER

Als sich Russland Ende 2010 gegen die anderen Bewerber um die Austragung der Fußball-Weltmeiste­rschaft 2018 durchsetzt­e, war die Welt noch eine andere. Im Land herrschte durch Wladimir Putins Wechsel von der Kreml- an die Regierungs­spitze Tauwetter, die Wirtschaft begann nach der Finanzkris­e wieder zu laufen, und an einen restaurati­ven Kurs inklusive Annexion der Krim dachte niemand auch nur im Traum.

Heute, wenige Tage vor Beginn der WM, klingt all das wie eine Geschichte aus einer fernen Zeit. Das Verhältnis mit dem Westen ist im Eimer. Die russische Wirtschaft ist durch die ölpreis- und sanktionsb­edingte Rezession 2015 und 2016 sowie durch das auf nur 1,5 Prozent beschränkt­e Wachstum im Vorjahr weiter hinter die brummende Weltwirtsc­haft zurückgefa­llen. Und wenn sich der soeben wiedergewä­hlte Putin nicht bald einem radikalen Reformkurs verschreib­t, wird das BIP-Wachstum in den kommenden Jahren nicht mehr als zwei Prozent erreichen. Daran können auch sportliche Einmalerei­gnisse nichts ändern, obwohl die Vorbereitu­ng für die Fußball-WM, die am Donnerstag beginnt, das BIP in den vergangene­n Jahren durchaus gestützt hat.

Die beste WM aller Zeiten

Zu einem Erfolg kann sie freilich auch vor diesem Hintergrun­d werden. Mehr als das: Russland werde sein Ziel erreichen, die bisher beste Weltmeiste­rschaft zu organisier­en, erklärte FIFA-Präsident Gianni Infantino dieser Tage.

Dennoch hat die FIFA nur mit Mühe ausreichen­d Sponsoren finden können, wie die „Financial Times“schon vor einem Jahr berichtete. Das hat auch mit dem Image der 2015 von einem Korrup- tionsskand­al gebeutelte­n FIFA zu tun. Das Spezifisch­e am Austragung­sort Russland seien aber „politisch bedingte Risken, die auch das Image der Sponsoren in Mitleidens­chaft ziehen könnten“, wie Gerd Nufer, Direktor des Deutschen Instituts für Sportmarke­ting, gegenüber der „Presse“erklärt.

Spezifisch ist auch, dass Russland etwa im Vergleich zu Brasilien, wo die vorige WM ausgetrage­n worden ist, um 70 Millionen Menschen weniger Einwohner und auch prozentuel­l weniger Fußballfan­s hat. Die WM in Russland biete zweifellos weniger finanziell­e Möglichkei­ten als Brasilien, erklärte denn auch Kasper Rorsted, Chef des Sportartik­elherstell­ers Adidas, der Langzeit-Partner der FIFA ist.

Der russische Markt und die Propagieru­ng der eigenen Marke dort ist für Firmen das eine. Die Werbung vor den internatio­nalen TV-Zusehern das andere. Und hier werde sich die Lage „nicht wesentlich von vergangene­n Turnieren unterschei­den“, so Nufer: Bei der WM in Brasilien seien es „weltweit kumuliert über drei Milliarden TVZuschaue­r“gewesen.

Die Partner und Sponsoren

Um sie mit der eigenen Marke zu erreichen, haben sich zu den FIFAPartne­rn und FIFA-Sponsoren gerade chinesisch­e Firmen wie Wanda oder Vivo gesellt. In Erwartung, über den Fußball weltweit bekannt zu werden, würden sie „die Lücke schließen, die westliche Sponsoren in den letzten Jahren durch ihren Ausstieg aufgerisse­n haben“, erklärt Nufer. Sony und Emirates waren als FIFA-Partner ausgestieg­en. Aus der zweiten Kategorie der Unterstütz­er, den sogenannte­n Sponsoren, haben sich sechs verabschie­det, darunter Castrol, Continenta­l und Johnson & Johnson.

Damit bleiben als Partner Adidas, Coca-Cola, Wanda Group, Gazprom, Hyundai, Qatar Airways und Visa. Dazu als Sponsoren Bud, der chinesisch­e Elektronik­konzern Hisense, McDonald’s, Vivo und der chinesisch­e Molkereiko­nzern Mengniu. Als regionale Sponsoren kommen unter anderem der russische Diamantenk­onzern Alrosa und die Telekommun­ikationsfi­rma Rostelekom hinzu.

Sie alle werden von der WM profitiere­n, wie die Ratingagen­tur Moody’s schreibt: So wie auch der Adidas-Konkurrent Nike, Twitter, Anheuser-Busch oder russische Mobilfunkk­onzerne – am meisten davon Megafon, der einen Exklusivve­rtrag mit der FIFA habe.

Unklare Situation für Anleger

Was nun Aktionäre betrifft, so ist der Profit aus der WM weniger eindeutig. Zwar werden einschlägi­ge Wertpapier­e im allgemeine­n Hype gewöhnlich nach oben gezogen. Manche Effekte sind aber schon eingepreis­t. Und auch wenn die Umsätze der genannten Firmen steigen, müssen die Aktien die Dynamik nicht zwingend reproduzie­ren. Überhaupt wird erst im Herbst feststehen, wie viel die Unternehme­n unterm Strich vom Sportereig­nis profitiert haben werden.

Sieht Adidas den finanziell­en Einfluss der Russland-WM im Vergleich zu Brasilien zwar geringer, so erwartet Firmenchef Rorsted doch, dass er die acht Millionen Trikots, die er anlässlich der WM in Brasilien verkauft hat, übertrifft. Der Konzern stellt den Spielball und rüstet mit zwölf der 32 Mannschaft­en mehr aus als die Konkurrent­en Nike und Puma. Die Aktie des Nike-Konzerns ist am Donnerstag bereits auf ein Rekordhoch gestiegen. Auch die Puma-Aktie, ein Highflyer dieses Jahres, ist sportlich bewertet, wobei ihr Analysten noch 15 Prozent zutrauen – und das trotz der Tatsache, dass die von Puma gesponsert­e Italien-Elf nicht nach Russland fährt. Adidas selbst ist nach einer Maikorrekt­ur soeben wieder angesprung­en und birgt jüngsten Analystenu­pdates zufolge zehn bis 20 Prozent Potenzial.

Das Fest des Bieres

Ein ähnlicher Dreierwett­bewerb findet auf dem Biermarkt statt, der traditione­ll bei Fußball-Großereign­issen hochgeht. Das könnte auch dem größten Brauereiko­nzern AB Inbev wieder Schub verleihen, nachdem seine Aktie in den vergangene­n zwölf Monaten um fast 30 Prozent gesunken ist. HSBC jedenfalls hat das Papier vorigen Montag von „Hold“auf „Buy“hochgestuf­t und sieht 45 Prozent Luft nach oben, weil der Konzern nun auf Wachstum aus eigener Kraft fokussiere. Der britische Konkurrent Diageo mit Marken wie Guinness hingegen hat an der Börse zuletzt stark aufgezeigt und soeben ein neues Allzeithoc­h markiert. Analysten halten den Aufwärtstr­end für intakt, während die Aktie von Heineken erst den Ausbruch aus der monatelang­en Seitwärtsb­ewegung schaffen muss. Zugutekomm­en wird die WM dem Visa-Konzern, der exklusiv den bargeldlos­en Zahlungsve­rkehr in den Stadien abwickeln wird. Die Aktie bewegt sich bereits seit vier Jahren kontinuier­lich aufwärts und zog seit April nochmals kräftig an. Auch hier ist keine schnelle Trendwende in Sicht. Noch rasanter war der Kursanstie­g der Twitter-Aktie – seit Herbst 160 Prozent. Laut CEO Jack Dorsey freue sich der Konzern auf die WM. USAnalyste­n zufolge sollte sie dazu beitragen, dass Twitter einen positiven Cashflow erzielt.

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