Die Presse

Eine breite Streuung ist sicherer als Heimatlieb­e BLACK MONDAY

Anleger aus Österreich, Deutschlan­d und der Schweiz halten jeweils ausländisc­he Aktien für riskanter als solche aus der Heimat. Wer hat recht? Viele Anleger halten sogar privates Risikokapi­tal für sicherer als ausländisc­he Aktien.

- VON BEATE LAMMER

Wie gefährlich sind eigentlich Aktien? Dazu gehen die Meinungen auseinande­r: Während die einen die höhere Volatilitä­t scheuen, halten die anderen Cash langfristi­g für riskanter (in dem Sinn, dass man mit ziemlicher Sicherheit real verliert). Schließt man sich der Meinung wohlhabend­er Privatanle­ger an, hängt das Aktienrisi­ko jedoch vor allem von einem Faktor ab: von dem Land, in dem die Unternehme­n beheimatet sind.

Dabei geht es nicht etwa um die Einschätzu­ng, dass italienisc­he Bankaktien ein höheres Risiko bergen als deutsche Industriek­onzerne. Es geht primär darum, ob Aktien von inländisch­en Unternehme­n sicherer sind als solche von ausländisc­hen. Und diese Frage beantworte­n Anleger mit einem klaren Ja – ob sie nun aus Österreich, Deutschlan­d oder der Schweiz kommen. Das zeigt der Private Banking Report 2018 der LGT Bank: Forscher des Instituts für betrieblic­he Finanzwirt­schaft an der Johannes-KeplerUniv­ersität Linz haben 360 vermögende Personen aus den drei Ländern befragt. Die Befragten haben ein frei verfügbare­s Finanzverm­ögen von 500.000 Euro (Deutschlan­d, Österreich) bzw. 900.000 Franken aufwärts (Schweiz).

Sie mussten Anlageklas­sen nach Risiko bewerten. Ganz vorne rangieren Derivate und Hedgefonds. Bereits an dritter Stelle kommen Aktien von ausländisc­hen Unternehme­n. Deutsche und Österreich­er halten diese sogar für riskanter als Private Equity.

Private Equity ist privates Eigenkapit­al, mit dem man sich außerbörsl­ich an einem Unternehme­n beteiligt. Wer so ein Investment tätigt, sollte das Unternehme­n wirklich gut kennen, da es keinen Markt als Bewertungs­korrektiv gibt. Zumeist beteiligen sich Private-Equity-Investoren auch mit größeren Summen als Kleinaktio­näre. Dennoch hält man ein solches Investment für sicherer als ausländisc­he Aktien. Inländisch­e Aktien gelten in allen drei Ländern hingegen als sicherer.

In der Einschätzu­ng der Deutschen schieben sich auch Anleihen und Anlagefond­s hinsichtli­ch Risiko zwischen ausländisc­he und inländisch­e Aktien. Das schlägt sich im Anlageverh­alten nieder: Bei Deutschen und Schweizern kommen mehr als die Hälfte der Aktien aus dem eigenen Land, bei Österreich­ern fast die Hälfte. „Home Bias“heißt dieses Verhalten und gilt als typischer Anlegerfeh­ler.

Weil die Namen heimischer Firmen vertrauter klingen als die von ausländisc­hen, glaubt man, sie tatsächlic­h besser zu kennen und schneller Informatio­nen zu erhalten. Meist ist das nicht der Fall. Hat man keine Insiderinf­ormationen aus Management­kreisen (deren Verwertung strafbar wäre), weiß man selten mehr als der Markt – we- der bei in- noch bei ausländisc­hen Unternehme­n. Eine starke Heimatlast­igkeit in der Veranlagun­g birgt auch ein Klumpenris­iko, vor allem in Österreich: Der ATX ist stark bankenund industriel­astig, doch gibt es kein Konsumgüte­r- oder Pharmaunte­rnehmen. Zudem handelt es sich bei den heimischen Unternehme­n meist um (durchaus erfolgreic­he) Nischenpla­yer: Solche haben großes Potenzial, können aber in schwierige­n Zeiten so richtig durchgebeu­telt werden.

Im Vorjahr haben die befragten Österreich­er mit knapp neun Prozent eine höhere Rendite erzielt als die Deutschen mit 6,3 Prozent – obwohl die Österreich­er auch den höchsten Cash-Anteil haben. Das verdanken sie der Tatsache, dass der ATX im Vorjahr um 30 Prozent gestiegen ist, der DAX aber nur um 13 Prozent. Doch es können auch andere Zeiten kommen. Anleger, die Diversifik­ation für sicherer halten als Heimatlieb­e, könnten für diese Zeiten besser gerüstet sein.

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