Technologie: Hört diese Rallye nie auf ?
Branchen. Die meisten Märkte bewegen sich seit Monaten bestenfalls seitwärts. Nur Technologieaktien stürmen von einem Rekord zum nächsten. Lohnt es sich für Anleger, jetzt noch einzusteigen?
Jeder macht Fehler, sogar Warren Buffett. „Ich war zu blöd, um zu realisieren, was da passiert“, sagte der legendäre Investor beim Aktionärstreffen seines Investmenthauses Berkshire Hathaway im Jahr 2017. Er bezog sich auf sein altes Credo, die Finger von Technologieaktien zu lassen. Buffett war lange Zeit ein sogenannter „Value Investor“. Solche konzentrieren sich auf die „alte Wirtschaft“, also Einzelhändler, Energieunternehmen oder Banken.
Die Frage ist immer, ob man aus seinen Fehlern lernt. Buffett ist spät, aber doch, auf den Zug – nein, die Rakete – des US-amerikanischen Technologiesektors aufgesprungen. Anfang 2016 stieg er bei Apple ein. Dessen Aktie war damals knapp das Doppelte wie 2013 wert, hatte aber ein eher mageres 2015 hinter sich. Buffett roch seine Chance. Seitdem hat sich das Papier erneut verdoppelt. Apple ist nach Börsenwert zum weltgrößten Unternehmen aufgestiegen, Buffett ist ein paar Milliarden reicher.
Der Erfolgslauf des Technologiesektors ist nahezu unheimlich. In zehn der vergangenen elf Jahren hat der Wachstumssektor, der zum großen Teil aus Tech-Aktien besteht, jenen der Wertaktien hinter sich gelassen. Auch im heurigen Jahr zeigt sich dieser Trend bislang deutlich. Der Technologieindex Nasdaq markierte vergangene Woche ein neues Rekordhoch und liegt seit Jahresanfang knapp zehn Prozent im Plus.
Zum Vergleich: Wer zu Jahresbeginn einen Indexfonds auf den breit gestreuten S&P 500 gekauft hat, verdiente zwei Prozent. Wer unmittelbar vor der Korrektur vom Februar eingestiegen ist, liegt immer noch im Minus. Und das, obwohl der S&P 500 mittlerweile natürlich viele Technologieaktien beinhaltet. Soll heißen: Ohne Technologie befände sich der weltwichtigste Aktienindex auf Talfahrt.
Und nun? Das kann so nicht weitergehen, sagen die einen. Sie verweisen gern auf die DotcomBlase zu Beginn des Jahrtausends, als der Nasdaq von Februar 2000 bis September 2002 drei Viertel seines Wertes einbüßte. Jetzt gehe es erst richtig los, sagen die anderen. Sie betonen, dass die Situation mit jener von damals nicht zu vergleichen sei. Das Problem: In gewisser Weise haben beide recht. Ob sich ein Einstieg noch lohnt, ist deshalb eine schwierige Entscheidung. Es stimmt, 2000 war alles anders. Damals schossen die Kurse von Firmen durch die Decke, die noch nicht mal ein ordentliches Geschäftsmodell hatten. Mittelgroße Neulinge, an die sich heute kaum jemand erinnert, waren an der Börse plötzlich Milliarden wert. Heute sprechen wir von Firmen wie Apple, Facebook oder Amazon, die hochprofessionell geführt werden und unser Leben verändern. Amazon ist längst nicht mehr nur Buchhändler, Apple nicht nur Handyhersteller, und wer weiß, was Mark Zuckerberg mit Facebook noch einfällt. Auf der anderen Seite: Wenn uns die Geschichte der Aktienmärkte irgendetwas lehrt, dann, dass zumindest zwischenzeitliche Abstürze noch jeden Bullenmarkt unterbrochen haben. Es muss ja nicht so schlimm kommen wie zu Beginn des Jahrtausends. Doch wer weiß schon: Vielleicht stehen neue Technologien an, bei denen die jetzigen Schwergewichte hinterherhinken werden. Vielleicht stehen Apple & Co. in zehn Jahren nur noch in der zweiten Reihe. Das scheint heute undenkbar, unmöglich ist es aber nicht.
Die Gefahr für viele Kleininvestoren ist die Angst, die der Amerikaner gerne „FOMO“nennt. Das steht für „Fear of missing out“und umschreibt das Phänomen, dass Anleger sehr oft genau dann in einen boomenden Markt einsteigen, wenn es bereits zu spät ist. Jeder konnte dieses gesellschaftspolitische Drama um den Jahreswechsel bei Bitcoin verfolgen.
Das soll keineswegs heißen, dass man die Finger von Technologieaktien lassen soll. Diese Rallye kann sehr wohl noch lange andauern. Man sollte sich nur des Risikos bewusst sein. Wenn es nach unten geht, dann wohl deutlicher als bei vielen Wertaktien, bei denen man sich zumindest auf eine Dividende verlassen kann. Eine Regel sollte man bei Technologiewerten ganz besonders berücksichtigen: Nur jenen Teil des Vermögens einsetzen, den man in naher Zukunft nicht unbedingt braucht.