Die Presse

Auch Private wollen Ethik

Nachhaltig­keit. Nachhaltig­keit in der Finanzindu­strie ist auch für die EU von Relevanz. Institutio­nelle spielen die größte Rolle, Private ziehen nach.

- VON NICOLE STERN

Vor zehn Jahren was es noch ein Schlagwort, bei dem viele bloß die Augen rollten. Nachhaltig­e Geldanlage war fast so etwas wie eine Orchideend­isziplin. Auch heute reißt das Thema vielleicht noch nicht jeden Kleinanleg­er vom Hocker, in der EU-Kommission hat es aber bereits Gehör gefunden.

Um das Erreichen des Pariser Klimaabkom­mens sicherzust­ellen, sieht die Kommission nämlich auch die Finanzindu­strie in der Pflicht. Anfang März hat die Behörde deshalb einen entspreche­nden Aktionspla­n veröffentl­icht. Dieser zielt auf einen zeitnahen Gesetzesvo­rschlag ab, bei dem institutio­nelle Anleger und Vermögensv­erwalter ausdrückli­ch dazu angehalten werden, Nachhaltig­keitsaspek­te in den Entscheidu­ngsprozess für Investitio­nen einzubezie­hen. Zudem soll Anlegern transparen­ter dargestell­t werden, „wie diese Nachhaltig­keitsfakto­ren bei Investitio­nsentschei­dungen berücksich­tigt werden“.

Österreich braucht sich in Sachen Ethikinves­tment schon heute nicht zu verstecken. Viele Gesellscha­ften wurden hierzuland­e von sich aus tätig, andere sind auf den nachhaltig­en Trend später aufgesprun­gen – und treiben das Thema dennoch ernsthaft voran.

Das Marktvolum­en „verantwort­lichen Investiere­ns“kletterte im vergangene­n Jahr von 34 auf 39,1 Mrd. Euro und macht 8,3 Prozent des Gesamtmark­tes aus, wie der Marktberic­ht des Forums Nachhaltig­e Geldanlage (FNG) zeigt. Unter diesen Begriff fallen all jene Investitio­nen, bei denen nachhaltig­e Strategien quer über alle Assets angewandt werden. In der Regel, so schreibt das FNG, unterliegt dieser Ansatz allerdings weniger strengen Nachhaltig­keitsansät­zen. Anders ist dies bei den sogenannte­n nachhaltig­en Anlagen, wo es um konkrete Produkte geht, also etwa um Nachhaltig­keitsfonds. Sie machten im Vorjahr rund 15,2 Mrd. Euro aus.

Das Wachstum in dieser letzten Kategorie kann sich jedoch sehen lassen: Es belief sich gegenüber 2016 auf immerhin 16 Prozent und ist damit deutlich größer als bei herkömmlic­hen Fonds, wie es heißt. Doch haben sich die rasanten Zuwachsrat­en der Vergangenh­eit abgeflacht, im Schnitt lagen sie seit 2005 bei 23 Prozent.

Es sind vor allem institutio­nelle Investoren, und da in erster Linie die Vorsorgeka­ssen, die sich in Österreich der ethischen Veranlagun­g verschrieb­en haben. Sie stellen mit 68 Prozent auch den größten Marktantei­l. Doch warum?

Den Grundstein dafür legte die Einführung der Abfertigun­g neu (die seit 2003 gilt). Zu diesem Zeitpunkt saßen in den Aufsichtsr­äten der Vorsorgeka­ssen Vertreter des Gewerkscha­ftsbundes. Diesen war es ein Anliegen, das Geld der Arbeitnehm­er (das von den Arbeitgebe­rn einbezahlt wird) nach ökologisch­en Grundsätze­n zu veranlagen. „Für uns war das damals eine Riesenhera­usforderun­g“, sagt Andreas Csurda, Vorsitzend­er der Betrieblic­hen Vorsorgeka­ssen. „Im Aktienbere­ich wusste man zwar, wie man mit dem Thema umgehen sollte, doch bei Staatsanle­ihen gab es dazu nichts.“Und so entwickelt­e jede Vorsorgeka­sse ihr eige- nes Konzept. Spätestens 2005 war dann klar, dass alle Vorsorgeka­ssen auf den Zug des ethischen Investiere­ns aufspringe­n würden: „Es hat eine gewisse Gruppendyn­amik gegeben“, sagt Csurda. „Wir sind ein Obligatori­um, deshalb geht es vielfach nur um die Frage, mit welcher Vorsorgeka­sse man zusammenar­beitet.“Dieser FirstMover-Effekt ist den Vorsorgeka­ssen bis heute erhalten geblieben.

Denn nach ihnen kommt im institutio­nellen Bereich lang nichts. Kirchliche Institutio­nen und Wohlfahrts­organisati­onen liegen mit elf Prozent an zweiter Stelle, gefolgt von den Pensionska­ssen. Für die weitere Entwicklun­g der nachhaltig­en Geldanlage wird die Nachfrage der Institutio­nellen als entscheide­nd genannt.

Privatanle­ger stellen hierzuland­e „nur“ein Viertel der nachhaltig­en Anlagen oder rund 3,3 Mrd. Euro. Die Wachstumsr­aten sind mit 31 Prozent jährlich dafür höher als jene der profession­ellen Investoren. Im Vergleich zu Deutschlan­d ist die Zahl der privaten Investoren beachtlich. Sie beträgt dort nur neun Prozent.

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