Totenkopf statt Sakko: Jungrichter verliert Job
Benehmen. Ein Richteramtsanwärter fiel wiederholt durch schlechte Kleidung auf. Die Kündigung hielt vor Gericht.
Er habe in der Arbeit ein ärmelloses Shirt mit Totenkopfaufdruck getragen, sodass seine Tätowierungen am Oberarm sichtbar wurden. Er neige zu einer ordinären Sprache und bezeichne Vorgesetzte als „brainfucked“oder „brainfarted“, wenn sie ihn wegen mangelnder Arbeitsleistung rügen. Und sogar gegenüber dem Justizminister habe er sich danebenbenommen. Wegen solcher Vorwürfe wurde ein Richteramtsanwärter vom Präsidenten des für ihn zuständigen Oberlandesgerichts (OLG) gekündigt. Der Betroffene entgegnete, die Justiz habe ihn nur wegen seiner Transsexualität loswerden wollen. Er fühlte sich diskriminiert und ging nun selbst vor Gericht.
Als der Mann nach seinem 2013 begonnenen Gerichtsjahr als Richteramtsanwärter aufgenommen wurde, hatte noch niemand geahnt, dass der Mann zum Problemfall werden könnte. Bei den juristischen Prüfungen schnitt er gut ab, auch der Psychologe hatte keine Bedenken. Im Rahmen einer mündlichen Zivilrechtsprüfung wurde der Bewerber auf seine verschiedenartigen Hobbys angesprochen. Er erklärte, transsexuell zu sein, er habe sich in der Studentenzeit zum Mann umoperieren lassen.
Bei einem Aufnahmegespräch mit dem OLG-Präsidenten trat der Bewerber im Juli 2014 freundlich auf. Allerdings erklärte der Kandidat, Familienrecht abzulehnen, weil er kein Sozialarbeiter sein wolle.
Beim nächsten Ernennungsvorschlag für Richteramtsanwärter war der Mann noch nicht dabei. Nach einer positiven Prognose zur fachlichen Eignung wurde er per Jänner 2015 schließlich doch zum Richteramtsanwärter ernannt. In weiterer Folge mehrte sich aber die Kritik an ihm. So wurde in den Bewertungen deutlich, dass der Mann große Schwierigkeiten hatte, mehrere Akten gleichzeitig zu behandeln. Erledigungen wurden als mangel- und fehlerhaft gerügt, Selbstständigkeit und Eigeninitiative vermisst. Auf Arbeitsanfall soll der Jungjurist mit Jammern reagiert haben.
Auch die nachlässige Kleidung wurde immer mehr zum Thema: Im Sommer trug der angehende Richter kurze Hosen. Zu einem Termin mit dem damaligen Justizminister Wolfgang Brandstetter erschien er laut Aussage eines Mitarbeiters der Personalabteilung mit zerschlissenen Turnschuhen, abgetragenen Jeans und einem bunten Hemd, das er außerhalb des Hosenbunds trug. Auch im Ton soll sich der Richteramtswärter vergriffen haben, als er dem Minister seine Mei- nung zu den Ministeriumsstrukturen geigte. Der Minister selbst gab später aber an, keine Erinnerung mehr an das Gespräch zu haben.
Wissen um Kleidung vorausgesetzt?
Die mangelnde Arbeitsleistung erklärte der Richterkandidat in internen Gesprächen damit, dass er Schicksalsschläge habe erdulden müssen. So sei seine Großmutter an Demenz erkrankt und ein Großonkel verstorben. Dass er es unterließ, Anzüge zu tragen, rechtfertigte der Mann laut einem Aktenvermerk von Anfang 2016 damit, dass er sich wegen des geringen Ausbildungsbetrags bisher keine habe leisten können.
Das Dienstverhältnis wurde gekündigt. Die Kleidung des Mannes habe „alle Toleranzgrenzen“überschritten, hieß es in der Begründung. Der Mann bekämpfte den Kündigungsbescheid und wandte ein, dass es ja gar keine konkreten Bekleidungsvorschriften für Richteramtsanwärter gebe. Sein Leistungsabfall sei zudem nur temporär und wegen der Schicksalsschläge erfolgt. So legte der Mann auch noch ein Gutachten vor, demzufolge seine Mutter eine schwere Autoimmunerkrankung erleiden musste.
Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) fand keinen Hinweis darauf, dass der Mann wegen seiner Transsexualität diskriminiert worden sei. Zudem müsse einem Richteramtsanwärter auch abseits konkreter Vorschriften bekannt sein, dass es bestimmte Gepflogenheiten bei der Kleidung gebe. Und die mangelhafte Arbeitsleistung könne nicht nur durch Schicksalsschläge erklärt werden. So müsse man bei dem Mann „beharrliche Beratungsresistenzen“und „Respektlosigkeiten“konstatieren.
Das BVwG (W122 2123413-1) wies die Beschwerde des Mannes ab. Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde aber für zulässig erklärt, weil es noch an höchstrichterlicher Rechtsprechung zur Frage fehle, wann man einen Richteramtsanwärter wegen mangelnder Eignung kündigen dürfe.