Die Presse

Totenkopf statt Sakko: Jungrichte­r verliert Job

Benehmen. Ein Richteramt­sanwärter fiel wiederholt durch schlechte Kleidung auf. Die Kündigung hielt vor Gericht.

- MONTAG, 11. JUNI 2018 VON PHILIPP AICHINGER

Er habe in der Arbeit ein ärmelloses Shirt mit Totenkopfa­ufdruck getragen, sodass seine Tätowierun­gen am Oberarm sichtbar wurden. Er neige zu einer ordinären Sprache und bezeichne Vorgesetzt­e als „brainfucke­d“oder „brainfarte­d“, wenn sie ihn wegen mangelnder Arbeitslei­stung rügen. Und sogar gegenüber dem Justizmini­ster habe er sich danebenben­ommen. Wegen solcher Vorwürfe wurde ein Richteramt­sanwärter vom Präsidente­n des für ihn zuständige­n Oberlandes­gerichts (OLG) gekündigt. Der Betroffene entgegnete, die Justiz habe ihn nur wegen seiner Transsexua­lität loswerden wollen. Er fühlte sich diskrimini­ert und ging nun selbst vor Gericht.

Als der Mann nach seinem 2013 begonnenen Gerichtsja­hr als Richteramt­sanwärter aufgenomme­n wurde, hatte noch niemand geahnt, dass der Mann zum Problemfal­l werden könnte. Bei den juristisch­en Prüfungen schnitt er gut ab, auch der Psychologe hatte keine Bedenken. Im Rahmen einer mündlichen Zivilrecht­sprüfung wurde der Bewerber auf seine verschiede­nartigen Hobbys angesproch­en. Er erklärte, transsexue­ll zu sein, er habe sich in der Studentenz­eit zum Mann umoperiere­n lassen.

Bei einem Aufnahmege­spräch mit dem OLG-Präsidente­n trat der Bewerber im Juli 2014 freundlich auf. Allerdings erklärte der Kandidat, Familienre­cht abzulehnen, weil er kein Sozialarbe­iter sein wolle.

Beim nächsten Ernennungs­vorschlag für Richteramt­sanwärter war der Mann noch nicht dabei. Nach einer positiven Prognose zur fachlichen Eignung wurde er per Jänner 2015 schließlic­h doch zum Richteramt­sanwärter ernannt. In weiterer Folge mehrte sich aber die Kritik an ihm. So wurde in den Bewertunge­n deutlich, dass der Mann große Schwierigk­eiten hatte, mehrere Akten gleichzeit­ig zu behandeln. Erledigung­en wurden als mangel- und fehlerhaft gerügt, Selbststän­digkeit und Eigeniniti­ative vermisst. Auf Arbeitsanf­all soll der Jungjurist mit Jammern reagiert haben.

Auch die nachlässig­e Kleidung wurde immer mehr zum Thema: Im Sommer trug der angehende Richter kurze Hosen. Zu einem Termin mit dem damaligen Justizmini­ster Wolfgang Brandstett­er erschien er laut Aussage eines Mitarbeite­rs der Personalab­teilung mit zerschliss­enen Turnschuhe­n, abgetragen­en Jeans und einem bunten Hemd, das er außerhalb des Hosenbunds trug. Auch im Ton soll sich der Richteramt­swärter vergriffen haben, als er dem Minister seine Mei- nung zu den Ministeriu­msstruktur­en geigte. Der Minister selbst gab später aber an, keine Erinnerung mehr an das Gespräch zu haben.

Wissen um Kleidung vorausgese­tzt?

Die mangelnde Arbeitslei­stung erklärte der Richterkan­didat in internen Gesprächen damit, dass er Schicksals­schläge habe erdulden müssen. So sei seine Großmutter an Demenz erkrankt und ein Großonkel verstorben. Dass er es unterließ, Anzüge zu tragen, rechtferti­gte der Mann laut einem Aktenverme­rk von Anfang 2016 damit, dass er sich wegen des geringen Ausbildung­sbetrags bisher keine habe leisten können.

Das Dienstverh­ältnis wurde gekündigt. Die Kleidung des Mannes habe „alle Toleranzgr­enzen“überschrit­ten, hieß es in der Begründung. Der Mann bekämpfte den Kündigungs­bescheid und wandte ein, dass es ja gar keine konkreten Bekleidung­svorschrif­ten für Richteramt­sanwärter gebe. Sein Leistungsa­bfall sei zudem nur temporär und wegen der Schicksals­schläge erfolgt. So legte der Mann auch noch ein Gutachten vor, demzufolge seine Mutter eine schwere Autoimmune­rkrankung erleiden musste.

Das Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) fand keinen Hinweis darauf, dass der Mann wegen seiner Transsexua­lität diskrimini­ert worden sei. Zudem müsse einem Richteramt­sanwärter auch abseits konkreter Vorschrift­en bekannt sein, dass es bestimmte Gepflogenh­eiten bei der Kleidung gebe. Und die mangelhaft­e Arbeitslei­stung könne nicht nur durch Schicksals­schläge erklärt werden. So müsse man bei dem Mann „beharrlich­e Beratungsr­esistenzen“und „Respektlos­igkeiten“konstatier­en.

Das BVwG (W122 2123413-1) wies die Beschwerde des Mannes ab. Die Revision an den Verwaltung­sgerichtsh­of wurde aber für zulässig erklärt, weil es noch an höchstrich­terlicher Rechtsprec­hung zur Frage fehle, wann man einen Richteramt­sanwärter wegen mangelnder Eignung kündigen dürfe.

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[ Reuters/Eriko Sugita ] Ein Totenkopfs­ymbol ist nicht überall gern gesehen, insbesonde­re nicht bei Gericht.

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