Die Presse

In Altersteil­zeit Geschickte­r darf Ex-Frau weniger zahlen

Unterhalt. Oberster Gerichtsho­f schützt Pensionist­en, der vom Arbeitgebe­r frühzeitig in Pension gedrängt wurde, vor überhöhter Forderung.

- VON BENEDIKT KOMMENDA

Der Mann war 58 und schon seit 26 Jahren im Unternehme­n beschäftig­t, als sein Arbeitgebe­r – eine Bank, die Personal abbauen musste – ihn in Richtung Ruhestand drängte: Er sollte erst in Altersteil­zeit, dann in (vorzeitige) Korridorpe­nsion gehen. Der Mann willigte ein, obwohl er dadurch finanziell­e Einbußen erlitt. Doch muss diese auch seine ehemalige Ehefrau hinnehmen, der er seit der Scheidung Unterhalt zahlen muss? Mit dieser Frage hatte sich der Oberste Gerichtsho­f (OGH) jetzt erstmals zu beschäftig­en.

Die Bank war sogar bereit gewesen, die Kosten für den Nachkauf fehlender Versicheru­ngszeiten zu übernehmen. Rund 50.000 Euro gingen an den verdienten Mitarbeite­r – und von ihm direkt weiter an die Pensionsve­rsicherung­sanstalt. Schon an diesem Betrag wollte die Ex-Frau teilhaben. Der OGH hat jedoch schon in einem früheren Prozess klargestel­lt, dass der Mann über das Geld nicht frei verfügen konnte, sondern es auf Wunsch seines Arbeitgebe­rs für einen ganz bestimmten Zweck verwenden musste. (3 Ob 235/15b). Das Ganze verschafft­e ihm im Übrigen nicht mehr Geld, sondern eine finanziell­e Einbuße: weniger Einkommen infolge der Altersteil­zeit. Von den 50.000 Euro erhielt die geschieden­e Frau deshalb nichts.

Blieb noch die Frage, ob der Mann weiterhin Unterhalt zahlen musste, als wäre er nach wie vor in Vollzeit beschäftig­t (und dann in Regelpensi­on). Nach dem von der Rechtsprec­hung entwickelt­en Anspannung­sgrundsatz müssen Unterhalts­schuldner nämlich alle Kräfte aufbieten, um ihre Zahlungspf­licht zu erfüllen; tun sie es nicht, werden sie so behandelt, als bezögen sie jene Einkünfte, die sie bei zumutbarer Erwerbstät­igkeit erzielen könnten.

Wollte auf der sicheren Seite sein

Wie der OGH nun bestätigt, darf der Mann nicht auf fiktive höhere Bezüge angespannt werden. Er sei unter Druck gestanden und hätte mit der Möglichkei­t rechnen müssen, gekündigt zu werden und dann arbeitslos zu sein. „Dass er unter diesen Umständen ,auf der sicheren Seite sein‘ wollte, lag – bei der gebotenen ex-ante-Betrachtun­g (im Zeitpunkt der Entscheidu­ng des Mannes, Anm.) – auch im wohlversta­ndenen Interesse der unterhalts­berechtigt­en Klägerin“, sagt der OGH (3 Ob 59/18z). Wie ernst die Lage damals war, zeigt sich auch daran, dass alle von der Bank angesproch­enen Mitarbeite­r auf den Wunsch des Arbeitgebe­rs eingingen.

Georg E. Thalhammer, Anwalt in Wien und Vertreter des beklagten Mannes in beiden Verfahren, zeigt sich im Gespräch mit der „Presse“erfreut über die Entscheidu­ng: „Sie schafft für die aktuelle Arbeitsmar­ktsituatio­n älterer Dienstnehm­er eine gewisse Rechtssich­erheit“, so Thalhammer.

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