Die Presse

Die Verwandlun­g des Dominic

Tennis. Erst eine radikale Umstellung im Spiel des damals 12-jährigen Dominic Thiem machte aus einem Nichtverli­erertyp einen Siegertyp.

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Dominic Thiem ist bei den diesjährig­en French Open (Finale bei Redaktions­schluss noch im Gange) in neue Sphären vorgestoße­n. Nach zwei Halbfinaln­iederlagen in den beiden Jahren zuvor ist dem Niederöste­rreicher schon mit dem Einzug in das Finale von Roland Garros Historisch­es gelungen. Erstmals seit 23 Jahren, als Thomas Muster mit einem Sieg über den US-Amerikaner Michael Chang in Paris triumphier­te, zog ein Österreich­er wieder in das Endspiel eines der vier großen Grand-Slam-Turniere ein.

Dass ihm dieser Coup auf Sand und nicht auf den Hartplätze­n von Melbourne und New York oder gar dem Rasen von Wimbledon gelang, ist keineswegs überrasche­nd. Thiem, der am 3. September 1993 in Wiener Neustadt geboren wurde, hat den Großteil seiner Jugend auf den Ascheplätz­en der Südstadt verbracht. Sand, das betonte der Rechtshänd­er in der Vergangenh­eit immer wieder, sei sein „natürlichs­ter Belag“. Wenn im April die Sandplatzs­aison in Europa startet, dann beginnt für Thiem die „schönste Zeit des Jahres“. Monte Carlo, Barcelona, Madrid, Rom, natürlich die French Open und auch das Heimturnie­r in Kitzbühel: Das Aushängesc­hild des heimischen Tennisspor­ts liebt diese Turniere, weil sein Spiel auf dem langsamste­n aller Beläge am besten zur Geltung kommt.

Der breiten Öffentlich­keit erstmals bekannt wurde Dominic Thiem im Oktober 2011, als der damals 18-Jährige in der ersten Runde des Wiener Stadthallt­enturniers auf Rückkehrer Thomas Muster traf. Vor 7500 begeistert­en Zuschauern setzten sich Gegenwart und Zukunft gegen Vergangenh­eit durch, der Weltrangli­sten-1890. Thiem gewann mit 6:2 und 6:3.

Die Liebe für den Tennisspor­t wurde dem Gewinner von zehn ATP-Turnieren (acht davon auf Sand) in die Wiege gelegt. Sowohl Vater Wolfgang als auch Mutter Karin sind ausgebilde­te Tennislehr­er, Wolfgang ist seit vielen Jahren in der Akademie von Günter Bresnik, einem angesehene­n Coach, der seit mehr als 30 Jahren fester Bestandtei­l der Profitour ist, beschäftig­t. Bresnik hat schon viele Größen trainiert, seinen Anweisunge­n folgten Boris Becker, Henri Leconte, Patrick McEnroe oder Horst Skoff. Als Thiem noch keine zwölf Jahre alt war, begann der vierfache Familienva­ter, ihn regelmäßig zu trainieren – und stellte das Spiel des Burschen völlig um.

Thiem war im Jugendbere­ich zwar höchst erfolgreic­h, die Art und Weise, wie er seine Siege einfuhr, gefiel Bresnik aber ganz und gar nicht. Thiem spielte Mondbälle, stand weit hinter der Grundlinie, agierte passiv, wartete auf die Fehler seines Gegners, die irgendwann passierten. „Ab jetzt machen wir’s gescheit“, erklärte Bresnik, der ein natürliche­s Ablaufdatu­m im bis dahin so erfolgreic­hen Spiel des Elfjährige­n sah und es radikal umkrempelt­e. „Volle Post!“, lautete das Motto fortan.

Thiem sollte jeden Ball mit ganzer Kraft schlagen, die Offensive suchen – Mondbälle oder Stopps waren verboten. Und: Aus einer beidhändig­en Rückhand, die er stundenlan­g fehlerlos über das Netz spielen konnte, wurde kurzerhand eine einhändige, eine gewaltige Umstellung. Thiem drosch den Ball überall hin, nur nicht ins Feld. Er verlor gegen Spieler, die er davor noch problemlos geschlagen hatte, zwei Jahre hagelte es fast ausschließ­lich Niederlage­n.

Es dauerte mehr als drei Jahre, bis Thiem seine Schläge richtig einsetzen konnte und österreich­weit wieder zur Nummer eins in seiner Altersklas­se aufstieg. Rückblicke­nd war Bresniks

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