Ein Italiener in Dallas – und fast überall
Dirigent im Gespräch. Er wolle amerikanische Klassiker dieses Jahrhunderts entdecken, sagt Fabio Luisi. Mit der „Presse“sprach er auch über seine Pläne für Florenz, seinen Auftritt in Grafenegg und sein Faible für handgemachte Parfums.
Die Presse: Sie beginnen 2019 als Chefdirigent beim Dallas Symphony Orchestra, ab 2020 sind Sie dort Music Director. Waren Sie überrascht, als man Ihnen diesen Posten angeboten hat? Wie gut kennen Sie dieses Orchester? Fabio Luisi: Ich habe das Dallas Symphony Orchestra zum ersten Mal im Jahr 2002 dirigiert, unter anderem mit der dritten Sinfonie von Felix Mendelssohn Bartholdy. Vor zweieinhalb Jahren haben wir eine Periode für diesen März vereinbart. In der Zwischenzeit hat Jaap van Zweden entschieden, seine Verbindung mit dem Orchester zu beenden, und dieses hat sich auf die Suche nach einem neuen Musikdirektor gemacht. Nach den Konzerten in März hat mich der CEO des Orchesters, Kim Noltemy, gefragt, ob ich mir vorstellen kann, Chef des Orchesters zu werden. Ich habe dann einfach gesagt: Reden wir darüber.
Sie wollen in Dallas in zehn Jahren zehn Auftragskompositionen vergeben. Nach welchen Kriterien? Wir wollen lebende Komponisten und Komponistinnen – Frauen sollen die Hälfte der Aufträge bekommen – ansprechen, die nach unserer Meinung Klassiker der zeitgenössischen amerikanischen Musik dieses Jahrhunderts werden könnten. Wir werden aber auch Klassiker des vergangenen Jahrhunderts pflegen, wie William Grant Still, Virgil Thomson, William Piston, Bernard Herrmann, selbstverständlich neben anderen Größen wie Samuel Barber, Charles Ives und Aaron Copland.
Sie sind derzeit Generalmusikdirektor der Zürcher Oper, Musikdirektor des Maggio Musicale Fiorentino und des Danish National Symphony Orchestra. Dallas wird Ihre vierte Chefposition. Wie lässt sich denn dies alles vereinbaren? Ich werde in den nächsten Jahren meine Operntätigkeit etwas reduzieren, damit die Balance erreicht wird, die ich mir vorstelle.
Beim Maggio Musicale haben Sie eben erst begonnen. Ihr Vertrag dort läuft fünf Jahre, welche Pläne gibt es für die kommenden Jahre? Ich möchte das Festival wieder zu dem machen, was es einmal war: das wichtigste Festival in Italien und eines der wichtigsten in Europa mit Uraufführungen, klassischer Moderne und Kompositionsaufträgen. Im September werde ich die Verdi-Trilogie – „Trovatore“, „Traviata“, „Rigoletto“– dirigieren. Geplant ist ein ganzer Mahler-Zyklus, nächstes Jahr steht Reimanns „Lear“in der Pariser Produktion von Calixto Bieito auf dem Programm.
In den Medien wurde wiederholt kolportiert, dass Sie mit dem Zürcher Opernintendanten Andreas Homoki nach München wechseln wollten. Ist das nur ein Gerücht oder gab es konkrete Gespräche? Es gab Kontakte, aber weder er noch ich wollte wechseln.
In Österreich waren Sie lange Chefdirigent der Niederösterreichischen Tonkünstler und der Wiener Symphoniker, und Sie haben viel an der Staatsoper dirigiert. Ist Wien für Sie derzeit kein Thema mehr? Es gab mehrere Einladungen der Wiener Symphoniker, auch der Tonkünstler, die ich leider aus terminlichen Gründen nicht annehmen konnte. Von der Staatsoper gab es in den vergangenen Jahren keine Einladungen. Ich werde aber die Wiener Symphoniker während der Bregenzer Festspiele 2019 wieder in einem Konzert dirigieren, worüber ich mich sehr freue!
Ende August kommen Sie wenigstens in die Nähe von Wien: zum Musikfestival nach Grafenegg mit dem Danish National Symphony Orchestra, dessen Chef Sie seit 2017 sind. Ich verbinde Schloss Grafenegg mit meinen pianistischen Anfängen Ende der Siebzigerjahre und habe dort auch sehr oft mit dem Tonkünstler-Orchester musiziert. Allerdings noch nicht in der neuen Klangwolke. Ich freue mich außerordentlich, wieder dort zu sein, zudem mit meinem dänischen Orchester. Für die Musiker des Orchesters wird es das erste Mal in Grafenegg sein.
Seit einigen Jahren haben Sie Ihr Faible für das Kreieren von Parfums entdeckt. Wie ist es dazu gekommen? Das war schon immer eine große Leidenschaft, seit ich ein Teenager war. Dann habe ich mich dazu entschlossen, es selber zu probieren, mit Selbststudium und mit einem Lehrer in New York.
Was ist das Besondere Ihrer Marke? Es handelt sich um handwerklich produzierte Parfums. Der ganze Workflow liegt bei mir, vom Einkauf der Ingredienzien bis zur Verschickung der fertigen Parfums.
Zurück zur Musik: Was haben sie abseits Ihrer Chefpositionen in nächster Zukunft vor? Gibt es Auftritte an der Metropolitan Opera, wo Sie ja auch sechs Jahre lang Chefdirigent waren? Auftritte an der Met sind momentan nicht geplant. Ich werde weiterhin bei wichtigen Orchestern gastieren, wie in München, Philadelphia, Cleveland, London, mich aber vor allem auf „meine“Orchester konzentrieren.
ZUR PERSON
Fabio Luisi, 1959 in Genua als Sohn eines Lokomotivführers geboren, studierte Klavier. 1979 absolvierte er auch einen Meisterkurs auf Schloss Grafenegg. Dann begann er ein Kapellmeisterstudium im Graz. 1995 wurde er erstmals Chefdirigent: bei den Niederösterreichischen Tonkünstlern. 2000 wurde er Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin, 2004 der Sächsischen Staatsoper, 2012 der Zürcher Oper.