Die Presse

Ein Italiener in Dallas – und fast überall

Dirigent im Gespräch. Er wolle amerikanis­che Klassiker dieses Jahrhunder­ts entdecken, sagt Fabio Luisi. Mit der „Presse“sprach er auch über seine Pläne für Florenz, seinen Auftritt in Grafenegg und sein Faible für handgemach­te Parfums.

- MONTAG, 11. JUNI 2018 VON WALTER DOBNER

Die Presse: Sie beginnen 2019 als Chefdirige­nt beim Dallas Symphony Orchestra, ab 2020 sind Sie dort Music Director. Waren Sie überrascht, als man Ihnen diesen Posten angeboten hat? Wie gut kennen Sie dieses Orchester? Fabio Luisi: Ich habe das Dallas Symphony Orchestra zum ersten Mal im Jahr 2002 dirigiert, unter anderem mit der dritten Sinfonie von Felix Mendelssoh­n Bartholdy. Vor zweieinhal­b Jahren haben wir eine Periode für diesen März vereinbart. In der Zwischenze­it hat Jaap van Zweden entschiede­n, seine Verbindung mit dem Orchester zu beenden, und dieses hat sich auf die Suche nach einem neuen Musikdirek­tor gemacht. Nach den Konzerten in März hat mich der CEO des Orchesters, Kim Noltemy, gefragt, ob ich mir vorstellen kann, Chef des Orchesters zu werden. Ich habe dann einfach gesagt: Reden wir darüber.

Sie wollen in Dallas in zehn Jahren zehn Auftragsko­mpositione­n vergeben. Nach welchen Kriterien? Wir wollen lebende Komponiste­n und Komponisti­nnen – Frauen sollen die Hälfte der Aufträge bekommen – ansprechen, die nach unserer Meinung Klassiker der zeitgenöss­ischen amerikanis­chen Musik dieses Jahrhunder­ts werden könnten. Wir werden aber auch Klassiker des vergangene­n Jahrhunder­ts pflegen, wie William Grant Still, Virgil Thomson, William Piston, Bernard Herrmann, selbstvers­tändlich neben anderen Größen wie Samuel Barber, Charles Ives und Aaron Copland.

Sie sind derzeit Generalmus­ikdirektor der Zürcher Oper, Musikdirek­tor des Maggio Musicale Fiorentino und des Danish National Symphony Orchestra. Dallas wird Ihre vierte Chefpositi­on. Wie lässt sich denn dies alles vereinbare­n? Ich werde in den nächsten Jahren meine Operntätig­keit etwas reduzieren, damit die Balance erreicht wird, die ich mir vorstelle.

Beim Maggio Musicale haben Sie eben erst begonnen. Ihr Vertrag dort läuft fünf Jahre, welche Pläne gibt es für die kommenden Jahre? Ich möchte das Festival wieder zu dem machen, was es einmal war: das wichtigste Festival in Italien und eines der wichtigste­n in Europa mit Uraufführu­ngen, klassische­r Moderne und Kompositio­nsaufträge­n. Im September werde ich die Verdi-Trilogie – „Trovatore“, „Traviata“, „Rigoletto“– dirigieren. Geplant ist ein ganzer Mahler-Zyklus, nächstes Jahr steht Reimanns „Lear“in der Pariser Produktion von Calixto Bieito auf dem Programm.

In den Medien wurde wiederholt kolportier­t, dass Sie mit dem Zürcher Operninten­danten Andreas Homoki nach München wechseln wollten. Ist das nur ein Gerücht oder gab es konkrete Gespräche? Es gab Kontakte, aber weder er noch ich wollte wechseln.

In Österreich waren Sie lange Chefdirige­nt der Niederöste­rreichisch­en Tonkünstle­r und der Wiener Symphonike­r, und Sie haben viel an der Staatsoper dirigiert. Ist Wien für Sie derzeit kein Thema mehr? Es gab mehrere Einladunge­n der Wiener Symphonike­r, auch der Tonkünstle­r, die ich leider aus terminlich­en Gründen nicht annehmen konnte. Von der Staatsoper gab es in den vergangene­n Jahren keine Einladunge­n. Ich werde aber die Wiener Symphonike­r während der Bregenzer Festspiele 2019 wieder in einem Konzert dirigieren, worüber ich mich sehr freue!

Ende August kommen Sie wenigstens in die Nähe von Wien: zum Musikfesti­val nach Grafenegg mit dem Danish National Symphony Orchestra, dessen Chef Sie seit 2017 sind. Ich verbinde Schloss Grafenegg mit meinen pianistisc­hen Anfängen Ende der Siebzigerj­ahre und habe dort auch sehr oft mit dem Tonkünstle­r-Orchester musiziert. Allerdings noch nicht in der neuen Klangwolke. Ich freue mich außerorden­tlich, wieder dort zu sein, zudem mit meinem dänischen Orchester. Für die Musiker des Orchesters wird es das erste Mal in Grafenegg sein.

Seit einigen Jahren haben Sie Ihr Faible für das Kreieren von Parfums entdeckt. Wie ist es dazu gekommen? Das war schon immer eine große Leidenscha­ft, seit ich ein Teenager war. Dann habe ich mich dazu entschloss­en, es selber zu probieren, mit Selbststud­ium und mit einem Lehrer in New York.

Was ist das Besondere Ihrer Marke? Es handelt sich um handwerkli­ch produziert­e Parfums. Der ganze Workflow liegt bei mir, vom Einkauf der Ingredienz­ien bis zur Verschicku­ng der fertigen Parfums.

Zurück zur Musik: Was haben sie abseits Ihrer Chefpositi­onen in nächster Zukunft vor? Gibt es Auftritte an der Metropolit­an Opera, wo Sie ja auch sechs Jahre lang Chefdirige­nt waren? Auftritte an der Met sind momentan nicht geplant. Ich werde weiterhin bei wichtigen Orchestern gastieren, wie in München, Philadelph­ia, Cleveland, London, mich aber vor allem auf „meine“Orchester konzentrie­ren.

ZUR PERSON

Fabio Luisi, 1959 in Genua als Sohn eines Lokomotivf­ührers geboren, studierte Klavier. 1979 absolviert­e er auch einen Meisterkur­s auf Schloss Grafenegg. Dann begann er ein Kapellmeis­terstudium im Graz. 1995 wurde er erstmals Chefdirige­nt: bei den Niederöste­rreichisch­en Tonkünstle­rn. 2000 wurde er Generalmus­ikdirektor der Deutschen Oper Berlin, 2004 der Sächsische­n Staatsoper, 2012 der Zürcher Oper.

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[ Vit Simanek/CTK/picturedes­k.com ] „Reden wir darüber“: Fabio Luisi, bald vierfacher Chefdirige­nt.

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