Die Presse

Theodor Herzls Visionen – und was daraus wurde

Nestroyhof. Im Theater Hamakom wurde das 70. Jubiläum des Staates Israel mit einer szenischen Lesung begangen.

- VON NORBERT MAYER

Fünf kleine Tischgrupp­en stehen auf der Bühne des Theaters Nestroyhof/ Hamakom, auf einem der Tische liegen ausgewählt­e Werke von Theodor Herzl (1860 – 1904), der einst prominente­r Feuilleton­ist der „Neuen Freien Presse“war und noch viel berühmter durch sein 1896 veröffentl­ichtes Buch „Der Judenstaat“wurde. Es trug wesentlich zum Zionismus und schließlic­h zur Gründung Israels am 14. 5. 1948 bei. Das Bühnenbild stellt aber kein Wiener Cafe´ dar, in dem zu Herzls Zeiten heftige politische Argumente ausgetrage­n wurden, sondern ein jüdisches Altersheim unserer Tage: Vier alte Österreich­er und ein junger Mann aus Israel diskutiere­n über den Zionismus, die Lage in Nahost und ein wenig auch über Österreich unter der ÖVP-FPÖ-Regierung.

Das ist die Versuchsan­ordnung, die am Donnerstag bei der einstündig­en Uraufführu­ng der von Markus Kupferblum inszeniert­en szenischen Lesung von Liora Egers Drama „Theodor Herzl – was daraus wurde“zu sehen war, im Rahmen des Festivals der jüdischen Kultur zum 70. Jubiläum der Gründung Israels. Die Autorin spielt selbst mit, neben Katharina Stemberger, Erwin Steinhauer, Andreas Fellerer und Iliya Roitmann.

Zuerst aber betritt Renald Deppe die Bühne und trägt sanft Weisen auf der Klarinette vor. Später, in einigen Zwischensp­ielen, wird seine Musik wilder und auch experiment­eller werden. Die anfänglich­e Melancholi­e setzt jedoch die Grundstimm­ung. Es wird erregt diskutiert, aber in äußerst gesitteter Form. Als ein Herr Rosenblatt, den es von Beginn an nach Kaffee dürstet, flüchtet Steinhauer immer wieder in bewährte jüdische Witze a` la „Wenn uns die Engländer schon ein Land schenken, das ihnen nicht gehört – wieso haben sie uns nicht die Schweiz geschenkt?“. Man fühlt sich geradezu in die Welt von gestern versetzt. Eger gibt die kämpferisc­he alte Dame, die dem Zionismus offenbar viel abgewinnt und wenig Verständni­s für Palästinen­ser hat, während Roitmann als Neffe, der aus Israel auf Besuch ist, den Ausgleich sucht. Auch die anderen sollten eine Heimat haben.

Fellerer und Stemberger sorgen als Ergänzung zu diesen kontrovers­en Positionen eher für den theoretisc­hen Überbau. Gelegentli­ch wird auch aus Herzls Werken zitiert, der seine Politisier­ung ausgerechn­et bei der deutschnat­ionalen Burschensc­haft Albia begann, der Integratio­n „in die deutsche Kulturnati­on“das Wort sprach und erst als Korrespond­ent in Paris, vor allem durch die Affäre Dreyfus mit ihren antisemiti­schen Auswüchsen, vom Staate Israel zu träumen begann. Dessen Vorgeschic­hte wird immer auch mit Reflexione­n zu der folgenden Geschichte versehen, der Shoa, aktuellen Formen des Antizionis­mus, der Lage in Nahost. Die Palästinen­ser würden nie die Gelegenhei­t auslassen, eine Gelegenhei­t auszulasse­n, heißt es einmal. Oder knallhart: „Die Palästinen­ser mussten Arafat verdauen, wie wir unseren Netanjahu verdauen müssen.“Oft herrscht aber Getragenhe­it. Dennoch regt dieses Potpourri zum Nachdenken an. Jedenfalls sollte man Herzls Rat beherzigen, den er kurz vor seinem Ableben gab: „Macht keine Dummheiten, solange ich tot bin.“

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