Die Presse

Als John Coltrane eine Leh´ar-Melodie interpreti­erte

Bisher unbekannte Aufnahmen des großen Jazzsaxofo­nisten wurden im Haus seiner Frau gefunden.

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Die „New York Times“hat sich die JazzSensat­ion als Exklusivna­chricht gesichert: Von John Coltrane, dem wohl größten Saxofonist­en der Jazzgeschi­chte, der im Alter von nur 40 Jahren im Jahr 1967 gestorben ist, wurden neue, bisher unbekannte Stücke entdeckt – im Haus seiner ersten Ehefrau Naima. Die Originalbä­nder der 1963 in den berühmten Rudy-Van-Gelder-Studios aufgenomme­nen Stücke sind verscholle­n. Gefunden wurden die sogenannte­n Referenzbä­nder, die den Musikern ausgehändi­gt wurden. Von höchstem Interesse darauf sind „Untitled Original 11383“(zu hören auf der Website der „New York Times“) und „Untitled Original 11386“: In ihnen geht das klassische John Coltrane Quartet untypische­rweise nach den einzelnen Soli jeweils auf das Grundthema zurück.

Erstaunlic­h ist auch die ColtraneVe­rsion von „Nature Boy“, einer vom Frühhippie Eden Ahbez (1908–1995) komponiert­en, 1947 von Nat King Cole weltberühm­t gemachten Ballade. Keiner der Musiker soliert hier. Ganz straight wird durchgespi­elt. Hier ist noch nichts von der bilderstür­merischen Attitüde von Coltranes Spätphase zu spüren.

1963 war das Jahr, in dem Coltrane sein „Ballads“-Album aufnahm – und seine einzige Kollaborat­ion mit einem Sänger, nämlich Johnny Hartman. Aus österreich­ischer Sicht ist interessan­t, dass sich Coltrane einer Melodie des Operettenk­omponisten Franz Lehar´ annahm: des „Vilja-Lieds“aus der „Lustigen Witwe“. Das Ergebnis ist eine glühende Ballade.

Das Album „Both Directions at Once: The Lost Album“erscheint am 29. Juni als CD und Vinyl. (samir)

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