„Irans Regime ist nicht verrückt, es will keinen Krieg mit Israel“
Interview. Israels Ex-Vizeaußenminister Beilin, Architekt des Oslo-Abkommens, empfiehlt den Palästinensern, die Autonomiebehörde aufzulösen.
Die Presse: Wenn Sie auf die Vorgänge in Syrien, im Libanon und in Gaza schauen: Steuert Israel auf einen Mehrfrontenkrieg gegen den Iran zu? Jossi Beilin: Manchmal löst eine Kleinigkeit einen Krieg aus. Der Umstand, dass Konfliktparteien keinen Krieg wollen, heißt nicht, dass kein Krieg beginnt. Man muss aktive Prävention betreiben.
Wie können der Iran und Israel eine Konfrontation verhindern, wenn es offensichtlich keinen Gesprächskanal gibt? Ich glaube nicht, dass keine Kommunikationskanäle existieren. Beide Seiten reden mit Russland. Es muss mit dem Iran eine Vereinbarung über rote Linien geben. Nur so kann ein Gewaltausbruch vermieden werden. Irans Regime agiert rational, nicht verrückt. Es will keinen Krieg mit Israel.
Sind Irans Drohungen, Israel zu vernichten, für Sie nur Rhetorik? Die Iraner haben Israel nie direkt mit der Auslöschung gedroht. Sie sagen immer, Israel sollte vernichtet werden. Das ist nicht das Gleiche, wenngleich ich auch letztere Äußerung nicht mag.
Gibt heute tatsächlich Russland den Ton im Nahen Osten an? Russland hat derzeit die meiste Verantwortung in Syrien. Es ist im Interesse aller, Assads (Syriens Präsident; Anm.) und Israels, dass die Russen in Syrien präsent bleiben. Putin ist ein cleverer Taktiker, er hat sich zum unverzichtbaren Spieler in Syrien gemacht. Das war früher die Rolle der USA. Die USA existieren in Syrien nicht.
Erleben wir gerade das Ende der amerikanischen Ära in Nahost? Ich möchte gern glauben, dass Trump nur eine irre Episode ist; sie könnte allerdings noch sechs Jahre dauern. Seine Politik ist total unerklärlich. Trump überrascht sich auch selbst jeden Morgen.
Wirklich? Trump kündigte schon im Wahlkampf an, dass er das Atomabkommen mit dem Iran beenden werde. Es ist aberwitzig, wenn die einzige Supermacht ein Abkommen unterzeichnet und es dann aufkündigt, obwohl es die andere Seite nicht gebrochen hat.
Wie könnte Trumps großer Nahost-Deal aussehen? Offenbar sollen den Palästinensern ein paar Viertel Ostjerusalems übergeben und ein Wirtschaftspaket für sie geschnürt werden.
Sie waren 1993 Architekt des Oslo-Abkommens zwischen Israel und den Palästinensern. Es hat nicht funktioniert. Halten Sie es trotzdem noch für eine gangbare Lösung? Das ist überhaupt keine Lösung. Das Abkommen starb am 4. Mai 1999. Doch Israels regierende Rechte hält am Oslo-Abkommen fest, weil die Illusion eines Protostaates der Welt das Gefühl gibt, das Problem sei irgendwie gelöst.
Sie sagen also, das Oslo-Abkommen sollte verschrottet werden. Ja, es war ein Interimsabkommen, das zu einem permanenten Abkommen führen hätte sollen.
Sollte sich die Palästinensische Autonomiebehörde auflösen und die Schlüssel fürs gesamte Westjordanland Israel übergeben? Es ist ein großer Fehler der Palästinenser, die Autonomiebehörde nicht aufzulösen. Für immer von den Spenden anderer Staaten zu leben, statt Unabhängigkeit bloß eine solche Autonomie zu haben, ist sehr problematisch.
Und was dann? Israel setzt die Okkupation fort, bis es eine bessere Lösung gibt.
Was wäre eine Lösung? Eine Zweistaatenlösung, eine israelisch-palästinensische Konföderation, die Israelis erlaubt, in Palästina zu leben, und Palästinensern erlaubt, in Israel zu leben.
Schöne Idee, die Umsetzung ist nicht mal ansatzweise zu sehen. Im Moment ist gar nichts zu sehen. Denn es gibt auf beiden Seiten kein Leadership.