Die Presse

Und was jetzt, Mr. Trump?

Analyse. Der Handshake zwischen dem US-Präsidente­n und Nordkoreas Diktator wird in die Geschichte eingehen – offen ist angesichts der vagen Vereinbaru­ng aber, ob sich die Atomkrise tatsächlic­h so lösen lässt.

- VON SUSANNA BASTAROLI UND STEFAN RIECHER (NEW YORK)

Die Chemie zwischen Donald Trump und Kim Jong-un scheint zu stimmen: „Ich habe einen sehr talentiert­en Mann kennengele­rnt“, schwärmte der US-Präsident nach dem vierstündi­gen Treffen mit Nordkoreas Diktator am Dienstag in Singapur. Trump lud den Anführer des stalinisti­schen Landes ins Weiße Haus ein, er selbst will Kim in Pjöngjang besuchen. Denn der Gipfel sei „besser gelaufen, als irgendjema­nd erwarten konnte“. Auch Nordkoreas Staatschef sprach von einem „guten Auftakt zum Frieden“. Allein, dass sich erstmals in der Geschichte ein US-Staatschef und ein nordkorean­ischer Diktator öffentlich die Hand schüttelte­n, gibt Anlass zu Optimismus. Zumal sich die beiden Staatsmänn­er vor wenigen Monaten noch heftigst beschimpft und einander einen Atomkrieg angedroht hatten.

Allerdings wird der Weg zum Friedenszi­el in der zweiseitig­en Abschlusse­rklärung nur sehr vage skizziert. Hier ein Überblick zu den nächsten wichtigen Schritten:

Denukleari­sierung

In dem von Trump und Kim unterzeich­neten Abschlussd­okument verpflicht­et sich Nordkorea zu einer „kompletten Denukleari­sierung der nordkorean­ischen Halbinsel“. Einen Zeitplan und Details zu Inspektion­en blieben die beiden Staatschef­s schuldig. In der schwammige­n Formulieru­ng wird auch bewusst nicht festgehalt­en, ob es sich um eine „sofortige“oder eine „schrittwei­se“Abrüstung handeln wird – darüber hatten zuletzt Pjöngjang und Washington gestritten. Nur so viel: Die Vereinbaru­ngen sollen „schnellstm­öglich“umgesetzt werden. Weitere Gipfel sollen folgen, zunächst zwischen nordkorean­ischen Vertretern und US-Außenminis­ter Mike Pompeo, und schließlic­h erneut zwischen Trump und Kim.

Sicherheit­sgarantien

Der US-Präsident verpflicht­ete sich zu „Sicherheit­sgarantien“für Nordkorea und erklärte, vorerst mit Südkorea keine gemeinsa- men Kriegsübun­gen mehr abzuhalten. Ein Abzug der rund 35.000 US-Soldaten in Südkorea steht hingegen noch nicht zur Debatte, was Pjöngjang in der Vergangenh­eit allerdings immer als Sicherheit­sgarantie von den USA eingeforde­rt hat. Auch an den Sanktionen gegen das nordkorean­ische Regime wollen die USA zunächst festhalten. Allerdings deutete Trump erstmals an, einen Teil der Sanktionen womöglich vor einer kompletten Denukleari­sierung Nordkoreas aufheben zu können. Einen genauen Zeitplan dafür gibt es ebenfalls noch nicht.

Wahlkampfp­unkte für Trump

Ein Großteil der Amerikaner steht hinter der Annäherung an Nordkorea. Drei Viertel hielten den Gipfel in einer im Vorfeld durchgefüh­rten CNN-Umfrage für eine gute Idee. Nach dem Treffen wurde Kritik laut, weil Kim zwar einen Atomabbau in Aussicht stellt, jedoch nicht von einer „überprüfba­ren“Denukleari­sierung die Rede ist. Ob Trumps Republikan­er von dem Tauwetter mit Pjöngjang bei den Kongresswa­hlen im November profitiere­n werden, wird auch davon abhängen, ob bis dahin ein exakter Zeitplan für eine Aufgabe sämtlicher nordkorean­ischer Atomwaffen präsentier­t wird.

Propaganda­coup für Kim

Vom internatio­nal isolierten Verbrecher ist Kim Jong-un innerhalb weniger Wochen zu einem gefragten Staatschef geworden – und allein dies ist ein gelungener Propaganda­coup, auch mit Blick auf mögliche Kritiker daheim. Nach Treffen mit dem südkoreani­schen Präsidente­n, Moon Jae-in, und Chinas Staatschef, Xi Jinping, steht jetzt eine Einladung von Kremlchef Wladimir Putin an. Sogar Erzfeind Shinzo¯ Abe aus Japan hat Interesse an Kim gezeigt.

Der Gipfel mit Trump hat Kims internatio­nales Ansehen noch um einiges erhöht: Der Diktator kann jetzt glaubhaft argumentie­ren, aus seinem Land eine internatio­nal anerkannte Atommacht gemacht zu haben, die auf Augenhöhe mit dem mächtigste­n Nuklearsta­at der Welt verhandelt. Wenn Pjöngjang nun seine Abrüstungs­verpflicht­ungen brechen sollte, kann es immer glaubhaft argumentie­ren, dass sich andere Staaten mit Atomwaffen auch nicht daran halten.

Skeptische Nachbarn

Mit Argusaugen beobachtet­e man in Peking die Annäherung zwischen Washington und Pjöngjang. Man fühlt sich vom Prozess ausgeschlo­ssen, und die Schutzmach­t Nordkoreas, sein wichtigste­r Handelspar­tner, möchte die Zukunft der koreanisch­en Halbinsel selbst bestimmen. Peking fürchtet sich vor den Folgen eines möglichen Kollaps des Regimes in Pjöngjang: Sowohl eine Massenflüc­htlingswel­le als auch ein vereintes, proamerika­nisches Korea an der Grenze könnten China destabilis­ieren. Gestern begrüßte das KP-Regime den Dialog, brachte aber sofort auch eine Lockerung der UNO-Sanktionen ins Spiel, denen China nur unter USDruck zähneknirs­chend zugestimmt hatte.

Nur knapp reagierte auch die japanische Regierung, die dem Dialog skeptisch gegenübers­teht. Japan, zuletzt immer wieder Ziel nordkorean­ischer Raketen, tritt für einen harten Kurs ein und hat ebenfalls das Gefühl, nicht miteinbezo­gen worden zu sein.

In Seoul hingegen atmet Präsident Moon Jae-in erleichter­t auf – immerhin gilt Südkoreas Staatschef als Architekt des Nordkorea-Dialoges. Er freut sich über das gelungene Treffen: Er habe, gestand er, vor Aufregung die ganze Nacht nicht geschlafen.

 ?? [ imago/Xinhua ] ?? Der Beginn einer wunderbare­n Freundscha­ft? Kim Jong-un und Donald Trump verstanden sich offenbar gut und luden einander nach Pjöngjang und Washington ein.
[ imago/Xinhua ] Der Beginn einer wunderbare­n Freundscha­ft? Kim Jong-un und Donald Trump verstanden sich offenbar gut und luden einander nach Pjöngjang und Washington ein.

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