Die Presse

Teilerfolg im Kampf gegen korrupte Beamte

Ukraine. Der Antikorrup­tionskampf ist das Thema Nummer eins im Land. Mit dem lang erwarteten Antikorrup­tionsgeric­ht wird eine wichtige Institutio­n gegründet. Doch noch ist nicht vollständi­g ausgemacht, wie wirksam es sein wird.

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Ein üppiger Luster im Wert von acht Millionen Euro ist eines der ungewöhnli­chen Ausstellun­gsobjekte der Schau „Corruption Park“im Botanische­n Garten von Kiew. Er wurde einem korrupten Beamten abgenommen. Von diesem Geld, so steht im Text, könnte eine dreiköpfig­e Familie für 64.000 Jahre Strom beziehen. Eine hypothetis­che Rechnung – mit klarer Botschaft. „Hochrangig­e Korruption­sfälle betreffen uns alle“, sagt Organisato­r Wolodymyr Solohub.

In zehn Zelten will die interaktiv­e Schau das junge Publikum sensibilis­ieren – von der Geschichte der Korruption bis hin zu den Ermittlung­smethoden der ukrainisch­en Antikorrup­tionsjäger der Gegenwart. Was hier spielerisc­h vermittelt wird, ist ein ernstes Problem in der Ukraine. Um 23 Milliarden Euro reicher wäre die ukrainisch­e Volkswirts­chaft in der letzten Dekade, wenn die Korruption zurückgedr­ängt worden wäre.

Offiziell hat sich die Regierung dem Kampf gegen Korruption verschrieb­en. Doch hinter den Kulissen tobt ein „intensiver Kampf zwischen Pro- und Antireform­kräften“, wie EU-Botschafte­r Hugues Mingarelli gegenüber Journalist­en beschreibt. Als das Parlament in der Vorwoche die Einrichtun­g eines Antikorrup­tionsgeric­htshofes beschloss, war das ein Teilerfolg für die Reformer. Druck von außen war notwendig gewesen: Der Internatio­nale Währungsfo­nds hatte die Auszahlung von 1,9 Mrd. Euro an Krediten an die Gesetzesno­velle gekoppelt. Kiew benötigt dringend Bares, denn weitere Kreditrück­zahlungen stehen bald an.

Im Zentrum des politische­n Streits stand der „Expertenra­t“und seine Befugnisse bei der Auswahl der Richter. Manche Abgeordnet­e witterten eine unzulässig­e auslän- dische Einmischun­g, Vertreter der ukrainisch­en Zivilgesel­lschaft sahen im Mitsprache­recht eine Garantie für Personalen­tscheidung­en basierend auf Qualifikat­ion.

Das sechsköpfi­ge Gremium kann nun mit mindestens drei Gegenstimm­en die Wahl eines Richters zumindest verhindern. Noch ist nicht klar, welche internatio­nalen Organisati­onen Experten nominieren können. Aktivisten befürchten, dass das Gesetz mit Zusatzrege­lungen verwässert werden könnte. Der reformfreu­dige Abgeordnet­e Serhij Leschenko geht davon aus, dass der Gerichtsho­f erst in einem Jahr seine Arbeit aufnehmen wird. „Zeit ist eine Ressource, die wir verlieren“, schrieb er auf Facebook und gratuliert­e gleichwohl seinen Mitstreite­rn zum Sieg.

Das Gericht war der noch ausständig­e Teil der neuen Antikorrup­tionseinri­chtungen, die von der EU in einem 14,5 Mio. Euro schweren Projekt unterstütz­t werden. Das Antikorrup­tionsbüro Nabu rollt hochrangig­e Fälle auf. 127 sind es bisher. Flankiert wird es von der Antikorrup­tionsstaat­sanwaltsch­aft Sapo. Fehlte noch der Gerichtsho­f, der über korrupte Beamte urteilen soll. Würden die Fälle – wie bisher – normalen Gerichten übergeben, würden sie verschlepp­t, befürchtet Olena Prokopenko vom Think Tank „Reanimatio­n Package of Reforms“, der Politikvor­schläge erarbeitet. „Nur die neuen Institutio­nen verfolgen die unberührba­re Elite“, sagt sie.

Was bisher mit den von Nabu recherchie­rten Dossiers passierte, stimmt tatsächlic­h nicht optimistis­ch. So ist in der Causa des früheren Leiters der Steuerbehö­rde, Roman Nasirow, dem die Hinterzieh­ung von 64 Mio. Euro vorgeworfe­n wird, in sechs Monaten noch nicht einmal die Anklagesch­rift vollständi­g verlesen worden.

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