Die Presse

Zitterpart­ie für May

Großbritan­nien. Unterhaus berät EU-Austritt. Premiermin­isterin verliert Kabinettsm­itglied.

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Die britische Regierung kommt nicht zur Ruhe: Pünktlich zu Beginn der entscheide­nden Abstimmung­srunde im Unterhaus kündigte der europafreu­ndliche Justizstaa­tssekretär Phillip Lee seinen Rücktritt aus dem Kabinett von Theresa May an. Nur so könne er für seine Wähler und sein Land sprechen, teilte er am gestrigen Dienstag per Twitter mit.

Der Protestrüc­ktritt eines Juniormitg­lieds reißt im Kabinett kein großes Loch auf, doch er kommt zu einem denkbar ungünstige­n Zeitpunkt: Der Balanceakt der Premiermin­isterin zwischen dem europafein­dlichen und dem proeuropäi­schen Flügel ihrer Partei wird nämlich immer schwierige­r. Am gestrigen Dienstag und heutigen Mittwoch war die Abgeordnet­enkammer der Schauplatz des Geschehens: Die Mandatare mussten über die Änderungsa­nträge beraten, die das House of Lords zum EU-Austrittsg­esetz eingebrach­t hatte. Im Normalfall wäre es für eine Regierungs­partei ein Klacks, die Anträge des Oberhau- ses abzuschmet­tern, doch Mays Regierung verfügt im Unterhaus über eine hauchdünne Mehrheit von lediglich 13 Mandaten – zehn davon kommen von der nordirisch­en Unionspart­ei DUP. Sollten einige wenige Abgeordnet­e der Tories May die Zustimmung verweigern und mit der Opposition stimmen, hätten es die Lords geschafft, den Text des Gesetzesen­twurfs gegen den Willen der Regierung zu ändern. Insofern verwundert­e es nicht, dass Brexit-Minister David Davis Dienstagvo­rmittag vor Beginn des Abstimmung­smarathons eine Warnung an die Abgeordnet­en richtete, wonach der EU-Austritt unumkehrba­r sei: „Was auch immer wir tun, wir werden das nicht rückgängig machen.“

Davis zeigte sich zuversicht­lich, dass die Regierung die notwendige Unterstütz­ung erhält. Wobei die Frage war, ob die Abgeordnet­en der Versuchung widerstehe­n können, zumindest eines durchzuset­zen: Dass nämlich sie selbst das letzte Wort über den Austrittsv­ertrag haben. (ag./red.)

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