Die Presse

ÖGB-Kampfansag­e an die Regierung

Gewerkscha­ft. Beim Bundeskong­ress, der gestern begann, wird Wolfgang Katzian zum neuen Präsidente­n gewählt. Der ÖGB-Leitantrag ist ein Gegenentwu­rf zum Regierungs­programm.

- VON NORBERT RIEF

Den Ton hat Wolfgang Katzian schon Ende vergangene­r Woche bei einer Betriebsrä­tekonferen­z vorgegeben: Man bereite „gewerkscha­ftliche Kampfmaßna­hmen“bis hin zu einem Streik gegen die Pläne der Regierung vor, hatte der GPA-Chef erklärt, der morgen, Donnerstag, beim Gewerkscha­ftskongres­s in Wien zum neuen ÖGB-Präsidente­n gewählt werden wird.

Wenn er am heutigen Mittwoch zu den etwa 500 Delegierte­n im Wiener Austria Center spricht, werde das „eine deutliche Kampfansag­e“an die Regierung werden, kündigt man in der Gewerkscha­ft an. Wie überhaupt der ganze Kongress, der gestern Abend mit einer Rede von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen eröffnet wurde. Der 124-seitige Leitantrag „Faire Arbeit 4.0“liest sich wie ein Gegenentwu­rf zum Regierungs­programm inklusive der Forderung nach Arbeitszei­tverkürzun­g und Einführung von Vermögenss­teuern.

Für die Gewerkscha­ft findet der diesjährig­e Bundeskong­ress unter ungewohnte­n Voraussetz­ungen statt. Erst zum zweiten Mal seit 1970 gehört die SPÖ nicht der Regierung an, die Gewerkscha­ft hat also keinen direkten Einfluss auf die Gesetzgebu­ng. Die Regierung ihrerseits zeigt Distanz durch „geringe Wertschätz­ung“, wie ein Gewerkscha­ftsfunktio­när urteilt. Nicht der Bundeskanz­ler und auch nicht der Vizekanzle­r werden dem dreitägige­n Kongress die Ehre erweisen, wie sonst immer in der Vergangenh­eit, sondern zwei Minister (Beate Hartinger-Klein, Margarete Schramböck). Einen warmen Empfang werden die beiden nicht bekommen.

Mit Wolfgang Katzian übernimmt ein gestandene­r Linker die Nachfolge von Erich Foglar an der Spitze des Gewerkscha­ftsbundes. Der machtbewus­ste 61-Jährige ist seit 13 Jahren Chef der Gewerk- schaft der Privatange­stellten (GPA). Obwohl er sich in der Vergangenh­eit nicht nur Freunde unter den Genossen gemacht hat, eint der gemeinsame Gegner in Gestalt der konservati­ven Koalition. Katzians Wahlergebn­is am Donnerstag wird daher auch als Zeichen dafür gewertet werden, wie geschlosse­n die Front gegen ÖVP und FPÖ ist.

Der erwartet große Rückhalt dürfte den künftigen ÖGB-Chef auch nach innen stärken und ihm den geplanten Umbau der Gewerkscha­ft ermögliche­n. Die Spitze des ÖGB wird schon beim Kongress fast völlig erneuert, in einem weiteren Schritt soll auch die Organisati­on neu aufgestell­t werden mit dem Ziel, dem Präsidente­n und der Zentrale mehr Macht als bisher zu geben.

Nach dem Kongress will man dann gemeinsam mit der Arbeiterka­mmer (AK) und deren neuer Chefin, Renate Anderl, Front ge- gen die Pläne von ÖVP und FPÖ machen. Die AK wehrt sich gegen die Vorgabe der Regierung an alle gesetzlich­en Interessen­vertretung­en, Reformvors­chläge bis Ende des Monats vorzulegen. Auch SPÖChef Christian Kern reihte sich gestern bei den Kritikern ein und warnte die Regierung, dass deren „Konterrevo­lution“sich letztlich gegen sie wenden könnte. Gelebt werde eine Politik, die nicht dem Gemeinwohl diene, sondern eine, „bei der sich der stärkste Ellbogen durchsetzt“.

Vielleicht hört man auch aus den Worten des Bundespräs­identen Unterstütz­ung heraus. Bei der Eröffnung gestern Abend meinte Van der Bellen: „Gewerkscha­ften stehen für Solidaritä­t unter den arbeitende­n Menschen. Und ich finde es gut, dass der ÖGB seinen Einfluss nicht nur auf die Arbeitswel­t beschränkt.“

Mit dem Leitantrag legt man mehr oder weniger ein Verhandlun­gspapier für die Gespräche mit der Regierung vor. Die im Koalitions­pakt vorgesehen­e Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t mit einer Ausweitung der täglichen Höchstarbe­itszeit auf zwölf Stunden wird beispielsw­eise dezidiert abgelehnt. Als Gegenposit­ion fordert der ÖGB in dem Antrag stattdesse­n: „Verkürzung der Normalarbe­itszeit im Arbeitszei­trecht und Absenkung der höchstzulä­ssigen Tages- und Wochenarbe­itszeit bei vollem Lohn- und Personalau­sgleich.“

Für den Kampf sei man jedenfalls gerüstet, wie Katzian gestern im Vorfeld des Kongresses bei der Sitzung der Fraktion sozialdemo­kratischer Gewerkscha­fter (FSG) meinte. „Wenn wir einen Schlag in die Magengrube bekommen“, sagte Katzian, „krümmen wir uns zwar auch. Aber wir stehen wieder auf, geben Gas und kämpfen weiter.“

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[ APA/Hochmuth ]

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