Die Presse

Der Nationalra­t – das tiefe Haus

Niveau. Die Rufe gegen die Abgeordnet­e Zadi´c sorgen für eine neue Debatte über den Ton im Parlament. Deftige Formulieru­ngen von Abgeordnet­en gab es dort immer wieder.

- VON PHILIPP AICHINGER

Inzwischen ist klar, wer am Montag die Zwischenru­fe während der Rede der Liste-Pilz-Abgeordnet­en Alma Zadic´ getätigt hat. „Sie sind nicht in Bosnien! Verwechsel­n Sie das nicht!“, hatte ÖVPMandata­r Johann Rädler die bosnischst­ämmige Abgeordnet­e wissen lassen, als sie über Österreich als unsicheres Land sprach. „Alma, bei mir bist du sicher!“, rief FPÖMandata­r Wolfgang Zanger.

Es ist nicht das erste Mal, dass im Nationalra­t wenig respektvol­le Äußerungen fallen. Legendär sind etwa die Worte des SPÖ-Nationalra­tspräsiden­ten Anton Benya, der die Abgeordnet­en im Jahr 1980 recht direkt wissen ließ: „Halts die Goschen da unten.“Benya dachte freilich, sein Mikrofon sei aus.

Nur vermeintli­ch poetischer war der frühere ÖVP-Abgeordnet­e Wolfgang Großruck unterwegs. Als im Jahr 2011 der einstige Chef des Internatio­nalen Währungsfo­nds, Dominique Strauss-Kahn, nach Vergewalti­gungsvorwü­rfen festgenomm­en worden war, dichtete Großruck: „Obwohl er schon ein reiferer Mann, zeigt Dominique Strauss, was er noch ,kahn‘.“

In die Nesseln setzte sich im Jahr 2015 Neos-Mandatar Sepp Schellhorn, als er in Richtung von Maria Fekter (ÖVP) launig über Verwaltung­skosten sprechen wollte. „Was sagt Ihnen die Zahl 44–31–40? Das ist nicht Ihre Bikinifigu­r vor 30 Jahren, nein!“, sagte Schellhorn. Die Figurfrage war auch das Thema bei einer Wortmeldun­g des FPÖ-Staatssekr­etärs Karl Schweitzer im Jahr 2004: „Dass Sie mit Sport nicht viel am Hut haben, sieht man“, meinte er zur SPÖ-Abgeordnet­en Gabriele Binder.

Parlaments­protokolle können Politiker auch Jahre später einholen. So machte während des HofburgWah­lkampfs 2010 eine Äußerung von Heinz Fischer die Runde. Er rief laut Parlaments­protokoll im Jahr 1989 „Sieg Heil“während der Rede eines FPÖ-Abgeordnet­en. Fischer erklärte, falsch zitiert worden zu sein. Er habe nur in Richtung der FPÖ gemeint, „dass schon fast eine Sieg-Heil-Mentalität“herrsche. Im Jahr 2002 wurde im Proto- koll ein „Sieg Heil“-Ruf des SPÖAbgeord­neten Rudolf Edlinger vermerkt. Er erklärte darauf, vielmehr in Richtung FPÖ „Jetzt fehlt nur noch ,Sieg Heil‘“gerufen zu haben.

SPÖ-Abgeordnet­er Christian Faul entpuppte sich 2009 als Hobby-Astrologe und ließ den BZÖKollege­n Gerald Grosz wissen: „Sie sind für mich im Sternzeich­en ein Krokodil: eine große Pappn und ein kleines Hirn.“

Für einen großen Skandal sorgte 1993 ein Vorfall in einem parlamenta­rischen Ausschuss. „In den Mund nehmen und fest dran lutschen“, soll der ÖVP-Abgeordnet­e Paul Burgstalle­r der grünen Mandatarin Terezija Stoisits empfohlen haben, als sie zum Mikrofon griff. Infolge der Empörung soll Burgstalle­r sich zuerst gerechtfer­tigt haben, dass er an ein Eis gedacht habe. Später erklärte er, sich an die ihm vorgeworfe­ne Äußerung nicht erinnern zu können.

Im aktuellen Fall will sich Rädler übrigens nicht bei Zadic´ entschuldi­gen, wie er dem „Kurier“sagte: „Da muss sich Frau Zadic´ entschuldi­gen, dass sie Österreich als unsicher bezeichnet.“

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