Warum Public Viewing so beliebt ist
Psychologie. Der Reiz liegt im Gemeinschaftsgefühl - wie bei der Messe, so eine Expertin.
Breitbeinig steht er da, die Arme sind leicht zur Seite gestreckt, jeder Muskel seines Körpers ist angespannt. Christiano Ronaldo läuft an, zieht ab, und trifft. Genau ins Kreuzeck.
Jubel bricht aus, Menschen springen von Liegestühlen, Bier schwappt über, manche fallen sich in die Arme. Dann setzen sie sich wieder, denn gleich können als sie sich die Wiederholung auf dem gestochen scharfem Bild sehen. Und die Schweißperlen, die Ronaldo über die gezupften Brauen laufen.
So ungefähr dürfte es in vielen Gastgärten beim Public Viewing zugehen, wenn Portugals Fußballmannschaft bei der am Freitag startenden Weltmeisterschaft in Russland antritt und Ronaldo in seine Trickkiste greift. Viele würden ihn als „Fußballgott“bezeichnen. Er ist es aber nicht, den Psychologin Patricia Göttersdorfer meint, wenn sie von „Fußballgott“spricht. Es sei vielmehr das Gefühl des „gemeinsamen Erlebens, das es nur noch beim Fußball gibt“. Da Fußball so ein Breitensport sei, der Generationen sowie Bildungsschichten verbinde, entstehe dieses starke Gemeinschaftsgefühl, auch - oder vor allem - beim Zusehen: „Früher gab es die Messe am Sonntag, jetzt gibt es den Fußballgott.“
Die Begeisterung teilen
Die gemeinsamen Emotionen zu teilen, ist aus sozialpsychologischer Sicht der Hauptgrund, warum sich während der WM wieder tausende Menschen vor großen Leinwänden und Bildschirmen versammeln werden. Dabei stecke diese kollektive Begeisterung meist auch diejenigen an, die sich selbst nicht als Fußballfans bezeichnen würden, meint Göttersdorfer. „Es geht um das Dabei-Ssein. Auf einmal ist man mittendrin.“Dasselbe Gefühl entstehe natürlich auch im Stadion, erklärt Göttersdorfer, „da ist es noch unmittelbarer.“
Dort gebe es eines allerdings nicht: die Bildschirme, auf denen die besten Aktionen der Weltfußballer wiederholt werden, jedes vermeintliche Abseits genau analysiert wird und die Zuseher zu den besseren Schiedsrichtern werden. „Große Bildschirme sind Teil des Events geworden.“Ohne sie würden viele gar nicht mehr auskommen. Denn genauer hinsehen zu können, „das haben wir gelernt, das ist der neue Standard.“
Warum sich die Public Viewing-Fans nicht für den Bildschirm zuhause entscheiden und zwecks der Gemeinschaft ein paar Freunde einladen, dafür vermutet Göttersdorfer auch praktische Gründe: Die Nachbarn etwa, oder der zusätzliche Stress, Gastgeber zu sein.