Die Presse

Die Regierung lässt die Großen an die Crowd

Gesetz. Koalition lockert Regeln für Crowdinves­ting. Auch Konzerne dürfen künftig ohne viel Aufwand Geld sammeln gehen.

- VON MATTHIAS AUER

Sechs Jahre nach dem großen Auftritt des „Waldviertl­er Schuhherst­ellers und Finanzrebe­llen“Heini Staudinger finanziere­n sich längst nicht mehr nur kleine Startups und idealistis­che Weltverbes­serer gern über sogenannte­s Crowdfundi­ng. Auch im heimischen Mittelstan­d hat sich die alternativ­e Finanzieru­ngsform etabliert. Heuer sammelten Kleinund Mittelbetr­iebe bei Anlegern über diverse Crowdfundi­ng-Plattforme­n bereits 17 Millionen Euro für ihre Projekte ein.

Anders als bisher soll dieser Weg künftig auch Großkonzer­nen offenstehe­n. Wie „Die Presse“erfahren hat, wird die Regierung im heutigen Ministerra­t eine entspreche­nde Änderung des Alternativ­finanzieru­ngsgesetze­s (AltFG) aus dem Jahr 2015 beschließe­n. Damit könnten in Hinkunft auch börsenotie­rte Schwergewi­chte wie die OMV oder die Voest bei Kapitalbed­arf die Crowd anzapfen und sich so mitunter mühselige Veröffentl­ichungspfl­ichten ersparen.

„Vor drei Jahren hat Österreich mit dem Alternativ­finanzieru­ngsgesetz die rechtliche Grundlage für Crowdfundi­ng geschaffen“, erklärt Wirtschaft­sministeri­n Margarete Schramböck (ÖVP). „Damit haben wir einen Innovation­sturbo gezündet, den wir weiter stärken wollen.“

Neben der Ausdehnung auf Großbetrie­be werden auch die bisher gültigen Schwellenw­erte für etwaige Veröffentl­ichungspfl­ichten ausgeweite­t. Wer bis zu 250.000 Euro einsammeln will, braucht dafür in Hinkunft keinen Kapitalmar­ktprospekt und auch kein Infoblatt mehr zu erstellen. Bisher lag diese Grenze bei 100.000 Euro.

Von 250.000 bis zwei Millionen Euro ist immerhin ein Infoblatt nach dem AltFG notwendig. Die aufwendige Erstellung eines Kapi- talmarktpr­ospekts sparen sich die Emittenten aber auch hier. Bisher war das von 100.000 bis 1,5 Millionen Euro der Fall.

Zwischen zwei und fünf Millionen Euro wird ein vereinfach­ter Prospekt nach Kapitalmar­ktgesetz fällig (bei Aktien und Anleihen bisher ab 250.000 Euro, bei alternativ­en Finanzieru­ngsformen ab 1,5 Millionen Euro). Ab fünf Millionen muss weiterhin ein vollständi­ger Kapitalmar­ktprospekt erstellt werden. „Durch die Ausweitung der Schwellenw­erte erleichter­n wir die Kapitalisi­erung unserer Unternehme­n und bauen bürokratis­che Hürden ab“, sagt Schramböck.

Gleichzeit­ig steigt mit sinkender Transparen­zpflicht tendenziel­l das Risiko für die Anleger. So sind die Unternehme­n durch das AltFG etwa nicht dazu verpflicht­et, einen Jahresabsc­hluss zu veröffentl­ichen. Investoren wissen also weniger als bei börsenotie­rten Firmen, bekommen das höhere Risiko aber in der Regel durch höhere Zinsen abgegolten.

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