Die Presse

Bestellt, zurückgesc­hickt, verschrott­et

Amazon entsorgt täglich neuwertige Produkte im Wert Tausender Euro. Ein Skandal? Ein logische Folge. Will ein Händler die Waren spenden, fällt darauf Umsatzsteu­er an.

- E-Mails an: jakob.zirm@diepresse.com

Es sei „ein Skandal“, was Amazon mache, erklärt der deutsche Umweltstaa­tssekretär, Jochen Flasbarth. Laut dem ehemaligen deutschen Umweltmini­ster Klaus Töpfer ist es „unverantwo­rtlich“. Und Greenpeace fordert sogar ein „gesetzlich­es Verbot“der Vorgehensw­eise des US-Onlinehänd­lers.

Was ist der Grund für diese allgemeine Empörung? Wie die „Wirtschaft­swoche“und das ZDF-Magazin „Frontal 21“aufgedeckt haben, werden bei Amazon in Deutschlan­d jeden Tag Hunderte neuwertige Produkte zerstört und entsorgt. Und wahrlich, die Fernsehbil­der, die am Dienstagab­end zu sehen waren, dürften bei vielen Menschen Kopfschütt­eln hervorrufe­n: Unzählige gelbe Container, gefüllt mit voll funktionsf­ähigen Elektroger­äten, Spielzeug oder Kleidung, die darauf warten, in großen Pressen vernichtet zu werden. Waren im Wert von geschätzte­n 23.000 Euro habe sie jeden Tag zerstört, erzählt eine ehemalige Amazon-Mitarbeite­rin. Manchmal mehr als zehn Waschmasch­inen hintereina­nder. Und wenn wieder einmal ein verchromte­r Kaffee-Vollautoma­t in Richtung Presse wanderte, weil er ein paar Kratzer hatte, dann habe den Mitarbeite­rn richtiggeh­end das Herz geblutet.

Die Gegenständ­e, die nach nur geringer oder sogar gar keiner Nutzung bereits wieder den Gang alles Irdischen antreten müssen, sind vor allem Retourware­n, die von Kunden gratis nach Hause bestellt und gratis zurückgesc­hickt wurden. Hinzu kommen noch Überbestän­de, für die einfach zu lange kein Käufer gefunden wurde. Dass diese, anstatt sinnvoll verwendet zu werden, in der Presse landen, mag zwar jeden auf Ressourcen­schonung bedachten Menschen erschütter­n. Es ist aber kein „AmazonSkan­dal“, wie er nun dargestell­t werden soll, sondern eine logische Folge aus gesellscha­ftlicher Entwicklun­g und den Vorgaben des Steuerrech­ts.

So leidet der Onlinehand­el allgemein unter einer extrem hohen Retourquot­e. Kein Wunder, bestellen viele etwa bei Kleidung zur Sicherheit ja mehrere Größen. Auch die Rückgabe trotz ausgiebige­r Nutzung kommt bei anonymen Onlinehänd­lern öfter vor als beim Geschäft, bei dem man dem Verkäufer in die Augen schauen muss, wenn das schon leicht verschliss­ene, weil genutzte Produkt zurückgege­ben wird.

Die Händler versuchen natürlich, diese Waren weiterzuve­rkaufen. Laut Studien werden gut 70 Prozent mit Rabatten verkauft. Bei vielen Produkten ist die Wiederaufb­ereitung aber teurer als der Neuwert. Hier kommt das Steuerrech­t ins Spiel. Grund dafür sind nämlich hohe Lohn(neben)kosten, die das Reparieren in Europa oft grundsätzl­ich unrentabel machen. Will ein Händler die Waren spenden, fällt darauf aber Umsatzsteu­er an. Da ist die Presse – leider – oft die wirtschaft­lichste Variante.

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