Schützenhilfe für Erdo˘gan, Radikale und Co.
Die Regierung will etliche Moscheen schließen und Imame des Landes verweisen. Begleitet werden die Maßnahmen von medialem Wirbel – ganz im Sinne der populistisch agierenden Köpfe in der Regierung.
Pünktlich zu Erdogans˘ Wahlkampf liefern Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache Schützenhilfe für die Wahlen in der Türkei – schon wieder. Wüsste man es nicht besser, nämlich dass die zwei in Erdogan˘ den Despoten des Orients schlechthin sehen (während mit anderen Despoten im Nahen Osten Geschäfte gemacht werden), würde man meinen, es wäre Absicht. Es wird nicht lange dauern, bis Erdogan˘ die Schließung der Moscheen als Indiz für den „westlichen Kampf gegen den Islam“instrumentalisieren wird. Seine Anhänger werden ihm das auch glauben.
Die allgemeine Stimmung in der Gesellschaft zu quasi allem was mit „dem Islam“zu tun hat, ist alles andere als positiv. Medien und Politik leisten hierzu einen enormen Beitrag. Die Übergriffe auf Muslime häufen sich – online wie offline. Immer mehr Österreicher muslimischen Glaubens fühlen sich unwohl in ihrem Geburtsland, überlegen gar in ein anderes europäisches Land zu ziehen.
Solche Überlegungen nehme ich gerade vermehrt in meinem eigenen Freundeskreis wahr. In Summe ergibt das eine Konstellation, die für uns als Gesellschaft giftig ist und für Reaktionäre und Faschisten jeglicher Couleur gefundenes Fressen darstellt. Aber reicht es, eine politische Maßnahme basierend auf deren Instrumentalisierung zu bewerten? Gewiss nicht. Sehr wohl braucht es Überlegungen zu den impliziten Annahmen hinter solchen Vorstößen, vor allem über die Art, wie sie vollzogen werden, und letztendlich auch über deren Konsequenzen.
Die Regierung brüstet sich damit, das zu tun, was ihre Vorgänger nicht getan hätten. Über alle politischen Spektren hinweg melden sich Politiker zu Wort. Man sei schon immer vehement gegen den politischen Islam aufgetreten, hieß es etwa auch aus SPÖ-Kreisen. Die mediale Inszenierung der Regierung als Helden im Kampf gegen eben diesen politischen Islam möchte man auch im linken Spektrum nicht ohne Kommentar hinnehmen. Stattdessen versucht man sich auch schnell zu positionieren. Nicht ganz zum Helden- narrativ passt, dass der Vorstoß, die Arabische Kultusgemeinde zu schließen, von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) selbst kam – der offiziellen Vertretung der Muslime in Österreich. Die IGGÖ hat sie gemeldet, weil nun weniger als zehn Moscheen dort angemeldet waren und somit rechtlich keine Kultusgemeinde bestehen darf. Darüber hinaus gab es einige Schlampereien, denen die IGGÖ auf die Schliche gekommen ist. Als Folge sind einige Moscheen aus der Kultusgemeinde ausgetreten.
Der frühere Kopf dieser Kultusgemeinde war Hassan Mousa. Jener Mann, der zehn Millionen Euro veruntreut haben soll und seit Jahren innerhalb der arabischen Gemeinde als korrupt galt. Mittlerweile sitzt er in Untersuchungshaft. Menschen aus meinem Umfeld versuchen schon seit Jahren, Hassan Mousa zu überführen.
Während den Verhandlungen zum Islamgesetz waren diese Informationen dem Bundeskanzler aber egal. Auf einem Foto ist er mit Mousa zu sehen. Kurz kennt den Gründer der Arabischen Kultusge- meinde also nicht nur und hat bereits mit ihm verhandelt. Vielmehr noch brüstet er sich, zusammen mit Strache und Kickl mit etwas, zu dem sie nichts beigesteuert haben – wissend, dass das Thema „Islam“in all seinen Facetten dazu in der Lage ist, Menschen zu bewegen.
Nebenbei bemerkt wird IGGÖPräsident Ibrahim Olgun von vielen in den muslimischen Communities für seine Vorstöße kritisiert. Manche sehen einen „Vergeltungsschlag“gegen die Arabische Kultusgemeinde, die Olguns Wahl damals anfechten wollte. Andere innerhalb der IGGÖ nutzen den Vorfall, um Olgun absetzen zu
(25) ist Wiener mit ägyptischen Wurzeln. Der Autor ist Politologe, Trainer und Vortragender. Rami Ali ist vorwiegend in der Konfliktprävention und Erwachsenenfortbildung tätig und lehrt zu Themen rund um Integration, Diversität, interkulturelle Kommunikation, Islam, Extremismus und Prävention sowie zur politischen Lage im Nahen Osten. wollen. Machtspiele wie aus dem Bilderbuch. In Wirklichkeit wissen aber die wenigsten, was es für Ungenauigkeiten und bewusste Täuschungen seitens des Gründers der Kultusgemeinde gegeben hat.
In einigen Berichten ist die Rede von „salafistischen Predigern“. In einer der Moscheen war ein solcher tatsächlich aktiv. Ich habe mir einst selbst ein Bild von seinen Predigten gemacht. Ich halte ihn für einen streng-konservativen und realitätsfremden Polemiker, aber das kenne ich aus anderen Ecken auch. Als gefährlich würde ich ihn nicht einstufen – ich würde ihm aber sehr wohl einen Riegel vorschieben. In seinem Umfeld befindet sich übrigens auch der frühere SPÖler Amir Al-Shamy, der jetzt „Dawa“-Arbeit, also Propaganda, für die salafistische „Iman“Kampagne macht.
Bei der anderen Schließung handelt es sich um die Nizam-i Alem Moschee – eine Abspaltung der faschistischen MHP. Auch diese Moschee wurde von der IGGÖ gemeldet. Diese Schließung halte ich noch am ehesten für gerechtfertigt – wenngleich ich kein Freund von Gesinnungsverboten bin. Auch mein erster Impuls wäre es, die Moschee schließen zu lassen. Aber sachorientierte und konstruktive Politik darf nicht auf Impulsen basieren. Wenn ich im Zuge meiner Arbeit mit Reaktionären und Radikalen aller Farben etwas gelernt habe, dann, dass der einzige Weg, sie davon abzubringen, jener der Bildung und der Aufklärung ist. Und dafür gibt es mehr als nur eine Möglichkeit.
Ich würde das auch nicht in dieser Form sagen, wenn ich dies nicht schon selbst im Zuge der Deradikalisierungsarbeit mehrfach erfahren hätte. Was wir auch aus der Geschichte von faschistischen und/oder Organisationen mit einschlägigem Gedankengut lernen müssen ist, dass Verbote in diesen Kontexten das komplette Gegenteil bewirken. Die Anhänger werden sich dadurch nicht von ihrer Gesinnung abbringen lassen. Sie werden noch autoritärer, oftmals auch noch gefährlicher und gehen dafür meist in den Untergrund.
Sind das „Insiderinformationen“oder Expertisen, die man nur über akademisches Wissen oder berufliche Erfahrung beziehen kann? Nein. Es ist auch gesunder Menschenverstand. Kurz und Strache halte ich für zu klug, um dies nicht zu wissen. Aber genau darum geht es: um populistische Inszenierung auf dem Rücken von Minderheiten. Das Ausmaß dieser Inszenierung zeigt sich nicht nur daran, das ganze vier Minister bei der Pressekonferenz anwesend waren, sondern auch daran, dass die Bescheide zur Schließung nicht rechtskräftig sind und die betroffenen Moscheen gar nicht informiert wurden.
Faschistische und autoritäre Gesinnungen lassen sich nicht verbieten, ihre Anhänger können sich nicht in Luft auflösen. Derart kurzsichtige Maßnahmen bestärken solche Gesinnungen und rüsten die Proponenten in ihrer selbstauferlegten Mission auf, noch mehr Menschen für spezifische Ideologien zu gewinnen. Das Problem wird dadurch größer. Das ist der Kern populistischer Politik. Sie hält Missstände bewusst am Leben, um damit Jahr für Jahr Politik machen zu können.