Die Presse

Den Menschen zu seinem Glück zwingen

- 2344 Maria Enzersdorf

gar Strafen zu verhängen. Ein „Integratio­nsgesetz“hielt damals niemand für erforderli­ch, wir haben im eigenen Interesse alles daran gesetzt, in Österreich heimisch zu werden und die Sprache so schnell und gut wie möglich zu erlernen.

Ich kam im November 1956 nach Österreich und begann am 1. März 1957 bereits ein Universitä­tsstudium, gemeinsam mit vielen anderen, die ebenfalls 1956 aus Ungarn geflüchtet waren. Natürlich haben wir im März 1957 die deutsche Sprache nicht vollkommen beherrscht, aber bis die ersten Prüfungen kamen im Juni, vorwiegend aber im Herbst 1957, hat es bereits gut funktionie­rt. Ähnliches hat sich 1968 wiederholt, als viele Flüchtling­e aus der Tschechosl­owakei nach Österreich kamen.

Herr Baltaci schreibt, Männer und Frauen, die schon seit Jahren in Österreich lebten und die Sprachkurs­e eigentlich schon früher hätten absolviere­n können und sollen, hätten das nicht getan, obwohl es in ihrem eigenen Interesse gelegen wäre. Es ist und bleibt für mich ein Rätsel, warum man Menschen zu ihrem Glück mit strengen Gesetzen und womöglich mit Strafen zwingen muss. Leider ist der Mensch so gepolt, dass er nur auf Zuckerbrot und Peitsche reagiert. Beispiele genehm? Als der Sonnenköni­g die Heiratsprä­mie einführte (= Zuckerbrot), gingen viele Menschen den Bund fürs Leben ein, als es 16.000 Schillinge anlässlich der Geburt eines Kindes gab (= Zuckerbrot), stieg die Geburtenra­te. Wer sich nicht an die vorgeschri­ebenen Untersuchu­ngen hielt, bekam weniger oder gar kein Geld (= Peitsche). Gäbe es eine Prämie für die Vorsorgeun­tersuchung, würde diese von der Bevölkerun­g wohl in größerem Umfang angenommen werden. Hier fehlt das Zuckerbrot. Gäbe es Strafen bei nicht erfolgter Gesundenun­tersuchung, würden wir wohl

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