„Der Islam im Kosovo ist europäisch“
Interview. Der Präsident des Kosovo, Hashim Tha¸ci, setzt darauf, dass Österreich während seiner Ratspräsidentschaft die EU-Beitrittsperspektive für die Balkanstaaten vorantreibt.
Die Presse: Haben Sie bei Ihrem jüngsten Besuch in Wien auch den Vizekanzler oder einen anderen FPÖ-Politiker getroffen? Hashim Thaci:¸ Ich hatte ein exzellentes Treffen mit Kanzler Sebastian Kurz und konnte auch mit Präsident Alexander Van der Bellen sprechen. Zuvor traf ich Außenministerin Karin Kneissl in Prishtina. In den vergangen drei Jahrzehnten hatte der Kosovo immer die volle Unterstützung des gesamten politischen Spektrums in Österreich. Dafür bin ich dankbar.
Ich habe diese Frage gestellt, weil aus der FPÖ zuletzt Signale kamen, dass man die Eigenstaatlichkeit des Kosovo hinterfragt. Mir ist bewusst, dass es solche Stimmen gegeben hat. Wichtig ist jedenfalls: An der Unterstützung des österreichischen Staates für den Kosovo hat sich nichts geändert. Österreich ist weiterhin Fürsprecher für eine europäische Perspektive der Balkanstaaten. Und wir hoffen, dass durch Österreichs EU-Ratspräsidentschaft hier eine noch stärkere Dynamik entsteht.
Gab es beim jüngsten EU-Gipfel in Sofia genug Unterstützung für die EU-Ambitionen des Kosovo? Es war der erste derartige Gipfel, bei dem der Kosovo als souveräner Staat vertreten war. Alle haben das begrüßt. Es wurde natürlich auch klargestellt, dass der Kosovo und alle anderen Länder des Balkan ihre Hausaufgaben machen und die Reformen fortsetzen müssen, wenn sie der EU beitreten wollen.
Aber Spaniens damaliger Premier Mariano Rajoy war wegen des Kosovo nicht beim Gipfel. Madrid erkennt die Unabhängigkeit des Kosovo nicht an – wegen eigener Probleme mit Regionen wie Katalonien. Gefährdet das den Weg des Kosovo in die EU? Auch Spanien war beim Gipfel vertreten, wenn auch auf anderer Ebene. Die Schlusserklärung haben alle unterstützt, unsere Teilnahme wurde respektiert. Ich verstehe, dass das für Madrid ein heikles Thema ist. Aber jeder Vergleich zwischen Spanien und dem Miloseviˇc-´Serbien sowie Katalonien und dem Kosovo ist falsch. Ich habe vollen Respekt für Spaniens demokratische Traditionen. Im Kosovo gab es hingegen einen Genozid durch Serbien. Spanien ist für uns ein befreundeter Staat. Tut die EU genug auf dem Balkan? Dort gibt es ja immer mehr andere Mitspieler wie etwa Russland und die Türkei. Ich freue mich, Präsident des Landes in der Region zu sein, dessen Bevölkerung am meisten proeuropäisch und proamerikanisch ist. Zugleich bedauere ich, dass wir das am meisten isolierte Land sind. Im Kosovo ist es für Russland so gut wie unmöglich, eine Rolle zu spielen. Aber wir sehen Russland nicht als Feind. Moskaus Politik hat mehr mit Solidarität mit Serbien zu tun, als mit Gegnerschaft zum Kosovo. Ich erwarte, dass der Kosovo auch von Russland anerkannt wird. Damit würde Moskau Serbien helfen, sich von falschen Mythen zu befreien.
Und was ist mit der Türkei? Die meisten Einwohner des Kosovo sind Muslime, zugleich sind sie die proeuropäischste Bevölkerung auf dem Balkan. Der Islam im Kosovo ist europäisch. Der Kosovo ist ein souveräner Staat, der seine eigenen Entscheidungen trifft.
Zuletzt gab es Empörung im Kosovo, weil die Behörden türkische Staatsbürger, die angeblich Gülen-Anhänger waren, an Ankara ausgeliefert haben. Das war ein Einzelfall. Hier sind technische Prozesse schiefgelaufen. Es wird nie wieder passieren. Der Dialog mit Belgrad stockt. Der Chef des serbischen Kosovobüros Marko Djuric´ wurde im März sogar im Nordkosovo festgenommen und abgeschoben. Der Fall Djuric´ war unnötig. Das war eine Provokation durch Serbiens Behörden. Wir konnten entweder reagieren, oder eine Verletzung unserer Souveränität akzeptieren. Die Bilder davon haben dem Kosovo nicht gedient. So etwas soll sich nicht wiederholen. Deshalb müssen wir den Dialog mit Serbien wieder starten.
Wie soll das geschehen? Ich habe mich beim EU-Gipfel in Sofia mit Serbiens Präsidenten Aleksandar Vuciˇc´ darauf verständigt, dass an einem Abkommen kein Weg vorbeiführt. Der Dialog ist ein schwieriger Prozess, der allen Parteien Kopfzerbrechen bereiten wird. Das ist aber kein Boxkampf, bei dem nur eine Seite siegt. Es soll eine Win-win-Situation für beide Seiten werden. Wir wollen gegenseitige Anerkennung. Wenn wir nicht die Chance für eine Lösung nutzen, verlieren wir ein weiteres Jahrzehnt. Unsere Kinder würden uns dafür verfluchen. Für uns ist wichtig, dass dieser Prozess gestartet wird, wenn Österreich die EU-Präsidentschaft übernimmt.
Sie standen anfangs dem Sondergerichtshof zur Ahndung von Kriegsverbrechen im Kosovo kritisch gegenüber. Und nun? Ich würde nicht sagen, dass ich hier kritisch war. Ich habe die Verhandlungen mit der internationalen Gemeinschaft über die Einrichtung des Gerichtshofs geleitet. Wir haben keine Angst vor Justiz und Gerechtigkeit, wir haben nichts zu verbergen. Die Befreiungsarmee des Kosovo UC¸K hat einen gerechten Krieg geführt. Ich kann nicht sagen, dass jeder Soldat ein Engel war, aber die Sache war gerecht. Der Sondergerichtshof gibt dem Kosovo eine weitere Möglichkeit, als Staat Verantwortung zu beweisen.
Es kursieren Gerüchte, dass die Liste der Angeklagten 20 hochrangige Personen umfasst. Auch Ihr Name soll darunter sein. Ich habe dazu keine Informationen, das ist Sache der Justiz. Und ich möchte solche Spekulationen auch nicht kommentieren.