Mein Name ist Bond . . .
Nach | MeToo. Die neue James-Bond-Attraktion in Sölden spart den Sexismus des Agenten aus, auch der nächste Film will die „moderne Welt“berücksichtigen. Aber wie soll man in dieser mit den unehrenhaften Seiten von 007 umgehen?
Wie soll man mit den wenig politisch korrekten Seiten des Agenten 007 umgehen?
James Bond soll kein „sexistischer, frauenfeindlicher Dinosaurier“mehr sein – also das, was ihm seine Chefin M (Judi Dench in „GoldenEye“) 1995 noch attestiert hat. Der nächste 007-Film werde „die moderne Welt“nicht außer Acht lassen, hat Regisseur Danny Boyle erklärt. Er wird den 25. Bond-Film inszenieren. Als er vor einigen Wochen gefragt wurde, ob | MeToo und die Time’s-Up-Kampagne einen Einfluss auf seinen Film – und insbesondere auf die Darstellung der „Bond-Girls“– haben würden, erklärte er, das Erbe der von Ian Fleming zwischen 1953 und 1964 kreierten Welt anerkennen zu wollen, Bond aber auch in der heutigen Zeit anzusiedeln.
Die Reaktionen auf diese doch recht vage Ansage reichen von Spekulationen – werden Bonds Liebschaften künftig weniger lächerliche Namen und mehr Stoff tragen? – bis zu eindringlichen Warnungen: Man müsse den charakterimmanenten Sexismus Bonds thematisieren, nicht verleugnen, indem man den Geheimagenten zu einer politisch korrekten Figur macht, fordern einige Kommentatoren.
Pussy wird zu Boden gedrückt
Dabei ist noch gar nicht klar, was Boyle genau vorhat – und ob er etwa sexuelle Belästigung und Gewalt gegen Frauen, wie die voreilige Kritik nahelegt, „aussparen“will. Genau das sei indessen offenbar in der JamesBond-Welt „007 Elements“in Sölden geplant, die im Juli eröffnet und Besuchern einen interaktiven Blick hinter die Kulissen der Filme bieten soll. Die Exponate sollen „vorwärtsgerichtet“sein und Ärgernisse vermeiden, zitiert die britische „Times“den Kreativdirektor der „Kino-Installation“, Neal Callow (der auch Artdirector der Bond-Filme mit Daniel Craig war): „Die Zeiten haben sich geändert, also wollten wir das Vermächtnis der Filme in einer modernen, politisch korrekten Weise zeigen.“
So manche Szenen aus der frühen BondGeschichte würden die Rechteinhaber der 007-Filme, die die Erlebniswelt in Sölden offiziell autorisiert haben, demnach gern vergessen. Etwa die, in der Sean Connery sich mithilfe von Plastikaugenlidern und viel Körperfarbe als Japaner verkleidet („Man lebt nur zweimal“, 1967). Die, in der Roger Moore durch ein Indien voller Stereotype – Schlangenbeschwörer, Kamele, Tuktuk-Fahrer, Schwertschlucker – laviert („Octopussy“, 1983). Die, in der er von seiner Physiotherapeutin, die er zuvor mit einem Kuss überfal- len hat, von einem manipulierten Wirbelsäulenstreckungsgerät gerettet wird. Auf ihre Bitte, ihrem Chef nichts davon zu erzählen, sagt er: „I suppose my silence could have a price“– und schiebt sie ins Dampfbad („Feuerball“, 1965). Dann gibt es die Szene, in der er eine Frau mit einem Klaps auf den Hintern wegschickt – er müsse jetzt „Männergespräche“führen („Goldfinger“, 1964). Oder die, in der er Bond-Girl Pussy Galore, die ihr Desinteresse an ihm mehrmals kundgetan hat, in einem Heuschober zu Boden drückt: Aus heutiger Sicht eine Vergewaltigungsszene mit Geigenklängen.
Ein Zusammenschnitt von Videos, in denen Bond sich Frauen sexuell aufdrängt, wurde schon 2016 auf YouTube verbreitet. Im Licht der | MeToo-Debatte drücken nun immer mehr Menschen in den sozialen Netzwerken ihre Ablehnung gegen Bonds Sexismus aus. Was einst akzeptabel war – und tatsächlich gestehen Experten Flemings Buchvorlagen sogar ein für die Zeit ihrer Entstehung fortschrittliches Frauenbild zu – stößt heute viele ab. Für den britischen Schriftsteller Anthony Horowitz, der die Vorgeschichte James Bonds in einen offiziellen Roman goss („Forever and a Day“erschien Ende Mai), ist das eine Herausforderung: Es würde immer schwieriger, eine Geschichte, die sich im Kern um einen „womanising“Auftragskiller drehe, in einer für ein modernes Publikum akzeptablen Form zu schreiben, sagte er dem „Telegraph“: „Wenn ich öffentlich über Bond spreche, verwende ich nie das Wort ,Bond-Girl‘. Es macht Frauen zum Objekt und ist jetzt beleidigend.“
Zugleich ist die Idee eines „politisch korrekten“Bond für viele eine lächerliche: Auf YouTube finden sich Persiflagen, in denen der Agent etwa einen Kellner, der ihm einen Martini anbieten will, abwimmelt: Er nehme lieber einen Smoothie. An anderer Stelle schreitet ein Bond-Imitator über die typische Pistolenlauf-Animation, dreht sich zur Kamera, stellt sich vor – nur ist er hier nicht „licensed to kill“, sondern „licensed to respect“. Der smarte, trinkfeste, mit Schusswaffen und schwerstem Gefährt versierte Casanova im Maßanzug, längst Ikone der Popkultur, als sanfter, tugendhafter, feministisch sensibilisierter Vernunftmensch?
Es war einmal ein Gentleman
So grotesk die Vorstellung, so sehr illustriert sie, wie Bonds Lebensweise zu manch zeitgenössischem Ideal kontrastiert. Die Frage, wie aus heutiger Sicht mit den wenig ehrenvollen Seiten des Spions umgegangen werden soll, wird wohl weiter beschäftigen – mindestens bis November 2019, wenn klar wird, was Danny Boyle mit seiner „modernen Welt“meinte. Vielleicht sei es an der Zeit zu akzeptieren, dass diese so beständige Filmfigur nicht mehr dem Archetyp eines Helden entspricht, meint der „Guardian“und tröstet: Das Kino sei heute komplexer als noch in den 1960er-Jahren – und biete auch Raum für moralisch unsaubere Protagonisten. Dann könnte der „Dinosaurier“Bond vielleicht sogar weiterwüten – aber den Status als Kavaliersleitfigur würde er wohl bald verlieren.