„Es ging immer um Vorteile für die USA“
Interview. Kate Kalutkiewicz ist US-Handelsbeauftragte bei der EU. Sie verteidigt Trumps Strafzölle, setzt aber weiter auf die WTO. Zu einem Neustart für TTIP sei Amerika bereit.
Die Presse: Als Sie Ihre Arbeit als US-Handelsbeauftragte bei der EU begonnen haben, war Obama Präsident. Europäer und Amerikaner begegneten sich als Freunde. Jetzt sind sie Gegner im Handelsstreit. Wie erleben Sie diesen Wandel? Kate Kalutkiewicz: Ich sehe keine tiefgreifende Änderung. Die Antriebe, die wir zu Zeiten der TTIP-Verhandlungen hatten, bleiben auch im Interesse dieser Regierung: Sie will Zölle senken. Sie will die transatlantischen Wirtschaftsbeziehungen, die wichtigsten der Welt, wachsen lassen. Vielleicht auch wieder Verhandlungen über ein Abkommen aufzunehmen – das stand explizit in Trumps jährlicher Handelsagenda im März. Er bleibt dem freien und fairen Handel verpflichtet.
Vielleicht gab es ja früher die freundlichen Töne nur für die Öffentlichkeit? Und hinter den Kulissen ging es genauso hart und konfrontativ zu wie heute? Die USA führen seit zwei Jahrzehnten Handelsgespräche. Es ging dabei immer um Vorteile für die US-Hersteller und um USArbeitsplätze. Ich verhandle ja im Namen von Exporteuren und Farmern. Das ist mein Job. Aber um von der anderen Seite etwas zu kriegen, muss man auch etwas geben.
Mit einem Freihandelsabkommen wäre uns der aktuelle Streit erspart geblieben. Wir waren am Ende der Obama-Legislatur sehr bereit dafür, zu einem Abschluss zu kommen. Es waren die EU-Außenminister, die im September 2016 alles gestoppt haben. Wir wollten das nicht. Die Empfindlichkeiten kamen nur aus Europa. Im USWahlkampf wurde TTIP nicht einmal erwähnt. Der Grundgedanke wird in Amerika weiterhin stark unterstützt. Aber wir können nicht allein ein Abkommen verhandeln. Dazu brauchen wir einen willigen Partner.
Was hat sich in den USA aus Ihrer Sicht geändert? Man stellt sich nun Fragen über den Nutzen von Globalisierung und liberalisiertem Handel. Darüber, ob dieser Nutzen überall ankommt. In Kapitalen sieht man das oft anders als im Rest des Landes. Und Präsident Trump drückt diese andere Sichtweise aus.
Ökonomen sagen: Bei Handelskriegen verlieren alle. Wer sie anzettelt, schneidet sich ins eigene Fleisch. Trump ist überzeugt, für die USA sei ein Handelskrieg „leicht zu gewinnen“. Wer hat recht? Schauen Sie sich an, was wir mit China versucht haben: Wir haben 20 Jahre lang Dialog auf hoher Ebene geführt. Wir haben China in die Welthandelsorganisation geführt, was aus heutiger Sicht falsch war. Wir haben 22 Verfahren gegen China bei der WTO eingebracht, mehr als jedes andere Mitglied. Wir haben zwei Dutzend AntiDumping-Maßnahmen in Kraft, genehmigt von der WTO. Berichte zeigen Hunderte Probleme auf, die sich daraus ergeben, wie Peking die Wirtschaft steuert: mit Überkapazitäten, geförderten Staatsunternehmen, fehlendem Schutz für fremde Technologie. Lauter Probleme, die EU-Firmen auch haben. Viele Mittel waren erfolglos. Die Maßnahmen gegen Stahl und Aluminium sind ein weiterer Versuch, einen Wandel herbeizuführen.
Sie sehen also einen Handelskrieg als einzigen Ausweg, der Ihnen noch bleibt? Wir sagen sicher nicht Handelskrieg dazu. Wir setzen Schritte, um unsere nationale Sicherheit zu schützen. Das sind
harte Entscheidungen, aber der Präsident hat das Gefühl, dass sie notwendig sind.
Sie sprechen immer von China. Wie hat Europa diese Strafzölle verdient? Es geht nicht um Europa. Es geht darum, ob die USA die Kapazität hat, genügend Stahl und Aluminium für die Bedürfnisse der Landesverteidigung zu haben. Deshalb sind es auch globale Maßnahmen.
Die sich auch gegen enge Nato-Bündnispartner richten. Das erkennen wir ja an und versuchen, Ausnahmen zu verhandeln. Das war mit einigen Partnern erfolgreich, mit anderen nicht. Die Tür bleibt offen.
Das Argument mit der „nationalen Sicherheit“wird stark in Zweifel gezogen. Die Statistik zeigt, dass der Bedarf der US-Armee weniger als ein Prozent der Kapazität der US-Stahlindustrie ausmacht. Der Präsident glaubt, dass es so ist. Es gibt dazu eine ausführliche Untersuchung. Ich bin keine Militärexpertin.
Aber eine Handelsexpertin. Damit wissen Sie: Handelsbilanzen spiegeln Entscheidungen der Wirtschaftsakteure wider – wie viel sie sparen und ausgeben wollen, welche Produkte aus welchen Ländern sie kaufen. Sie können einen Deutschen nicht zwingen, einen Cadillac zu fahren. Stimmt, das geht nicht, und das haben wir auch nicht vor. Aber wenn diese Defizite über lange Zeit ständig auftreten, dann ist das oft ein Zeichen, dass anderes dahintersteckt, das man angehen muss: Steuerpolitik, Regulierung oder Wechselkurse.
Was wird aus der WTO? Trumps Berater Kudlow sagt sinngemäß: Die USA folgen nicht mehr WTO-Schiedssprüchen, wenn sie gegen US-Interessen ausfallen. Das ist der Todesstoß für ein System, das die USA selbst aufgebaut haben. Ich spreche für meine Behörde, der USHandelsvertretung bei der EU. Es wäre eine falsche Darstellung, dass wir das System zerstören wollen. Wir arbeiten in Genf aktiv und mit vielen Ressourcen daran, Probleme zu lösen und die WTO zu reformieren. Damit sie überlebt, damit sie relevant und sinnvoll bleibt, trotz des Verhaltens der Chinesen, die das System gefährden.
Das klingt aus Washington aber ganz anders. Da heißt es immer wieder: Die WTO ist am Ende, man kann sie vergessen, wir ersetzen sie durch bilaterale „Deals“. Hier gibt es sicher unterschiedliche Sichtweisen. Aber das ist normal, das gibt es in jeder Administration.