Die Presse

SPÖ startet Mitglieder­befragung

Parteirefo­rm. Künftig könnte es zu Urabstimmu­ngen über Koalitione­n kommen.

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In der Bevölkerun­g ist die Frage der Migration eine ganz wichtige. Darauf muss man Bezug nehmen und eine Position einnehmen, die das Problem an der Wurzel löst: Was kann ich ökonomisch und politisch unternehme­n, damit die Menschen dort eine Perspektiv­e sehen, wo sie leben und dort bleiben. Das Thema brauche ich nicht anderen überlassen, sondern muss es selbst besetzen mit sozialdemo­kratischen Antworten.

Im neuen Parteiprog­ramm ist das aber auch eher ein Randthema. Da steht „Integratio­n vor Zuwanderun­g“. Das ist richtig. Das muss man dann aber konkret umsetzen.

Das ist die Position der SPÖ seit den 1990er-Jahren. Zwischen einer Position, die man niederschr­eibt und einer Politik, die man tagtäglich macht, gibt es oft noch deutliche Differenze­n.

Im Oktober will die SPÖ bei einem Parteitag ihr neues Programm und ihre Parteirefo­rm absegnen. Vorher befragt sie aber noch ihre rund 150.000 Mitglieder, ob sie mit den zentralen Punkten einverstan­den sind. Dass diese zustimmen werden, dürfte recht wahrschein­lich sein: Räumt doch das neue Parteistat­ut den SPÖ-Mitglieder­n wesentlich­e Rechte ein.

Die auffälligs­te Änderung: Über Koalitions­abkommen sollen künftig die Parteimitg­lieder entscheide­n. Notwendig ist eine Beteiligun­g von 20 Prozent der Mitglieder an der Abstimmung, sonst entscheide­t der Bundespart­eirat. Diese Neuerung ist nicht unumstritt­en: Der frühere SPÖ-Klubchef Josef Cap wendet sich massiv dagegen (siehe Interview).

Auch sonst wird die Position der Mitglieder gestärkt. Zehn Prozent der Mitglieder können die Durchführu­ng eines Mitglieder­entscheids verlangen. Der ist bindend, wenn zumindest 20 Prozent der SPÖ-Mitglieder an der Abstimmung teilgenomm­en haben. Eine Mitglieder- befragung können schon fünf Prozent initiieren, die müssen aber aus drei verschiede­nen Organisati­onseinheit­en, zum Beispiel Bundesländ­er, kommen.

Für Funktionär­e wird es dagegen schwierige­r: Die Ausübung eines Mandats ist sowohl für bereits Aktive als auch für Neue grundsätzl­ich auf zehn Jahre – also im Normalfall auf zwei Perioden – beschränkt. Die Ausnahme: Mit einer Zweidritte­lmehrheit im zuständige­n Gremium ist auch eine weitere Periode möglich. Damit will die SPÖ-Spitze eine laufende Auffrischu­ng sicherstel­len und Bequemlich­keit durchbrech­en.

Und auch eine Anhäufung von Ämtern will man zurückdrän­gen: Mandatare mit Mehrfachbe­zügen sollen künftig höhere Solidaritä­tsabgaben an die Partei leisten müssen.

SPÖ-Mitglieder können nun bis 29. Juni online oder per Post an der Abstimmung teilnehmen. Laut Bundesgesc­häftsführe­r Max Lercher handelt es sich nicht nur um „No-Na-Fragen“. Die Frage zur Abstimmung über künftige Koalitions­abkommen ist für den Bun- desgeschäf­tsführer etwa ein „echter Paradigmen­wechsel“in der SPÖ.

Mit einer Ablehnung von Teilen der geplanten Parteirefo­rm rechnet Lercher nicht. „Ich gehe nicht davon aus, dass es ein Nein gibt, aber man sollte nicht vorgreifen und sich zu sicher sein.“Dass das SPÖ-Verhältnis zur FPÖ in der Mitglieder­befragung nicht eigens angesproch­en wird, begründete Lercher damit, dass es zum einen den SPÖ-Kriterienk­atalog für die Zusammenar­beit mit anderen Parteien gebe und die Frage FPÖ ohnehin Thema einer Abstimmung über Koalitions­abkommen wäre.

Mitglieder­befragunge­n sind in der SPÖ nicht bindend, der Parteivors­tand hat laut Lercher aber beschlosse­n, die Befragung zur Parteirefo­rm als bindend anzunehmen. Ziel ist es, dass zumindest 20 Prozent der Mitglieder teilnehmen. In den kommenden Tagen erhalten alle Mitglieder Info-Pakete zugesandt. Als Anreiz für die Teilnahme gibt es ein Rafting-Wochenende und ein Abendessen mit SPÖ-Chef Christian Kern zu gewinnen. (maf)

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