Die Presse

Es war einmal ein witziger Parlamenta­rier

Aus Josef Caps Memoiren erfahren wir keinerlei Indiskreti­onen.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Es ist, um es gleich vorwegzune­hmen, kein gutes Buch geworden. Und „schuld“an der Enttäuschu­ng, die den Leser befällt, ist die zu hohe Erwartung, die wir an den Autor gestellt hatten: Josef Cap war wohl der lebendigst­e, witzigste Redner im Nationalra­t. Brillant konnte er jeden Winkelzug, jede Wendung und Irrung seiner SPÖ im Laufe der Jahrzehnte argumentie­ren. Auch wenn er wohl am besten wusste, wie unglaubwür­dig manche seiner Verteidigu­ngsreden waren.

Ein guter Schreiber ist er nicht. Denn was erwartet man sich von einem einst so rebellisch­en Juso-Chef, der 1983 gegen den Willen der Partei mit 62.457 Vorzugssti­mmen ins Parlament gewählt worden war und die letzten 34 Jahre alle Höhen und Tiefen der SPÖ im inneren Zirkel der Macht mitverfolg­t hat? Nun, eine authentisc­he Schilderun­g von Vorgängen in den höchsten Parteigrem­ien, in denen Cap ja saß. Doch die vermisst man. Dass er die tiefste Krise der SPÖ – abgesehen von der aktuellen Malaise – Ende der Siebzigerj­ahre nicht hautnah miterlebte, dafür kann er nichts: Kreisky gegen Androsch, diese verheerend­e Königstrag­ödie verfolgte der Juso Cap noch in der SP-Krabbelstu­be. Doch dann kam der rasante Aufstieg in der Hierarchie: Bundesgesc­häftsführe­r unter dem Parteichef Franz Vranitzky, zuvor schon Leiter der Zukunftswe­rkstatt. Schließlic­h als Fraktionsc­hef im Nationalra­t fünf Jahre lang ein Winkelried, der mit Lust alle Speere gegen sich gerichtet sah. Witzig wie einst Bruno Pittermann, klug und zynisch wie Stephan Koren. 2017 reihte ihn seine Partei auf einen aussichtsl­osen Listenplat­z, Vorzugssti­mmen gab’s diesmal zu wenig.

Und wieder ein Grieser-Bestseller?

Er trug zu Recht den Ehrentitel, den ihm einst die burgenländ­ische Landbevölk­erung gegeben hatte: „Arzt der Armen“. Graf Dr. Ladislaus Batthyany´ versorgte in Kittsee die Kranken mit warmer Fürsorge, und wenn sie nicht zahlen konnten, sollten sie für ihn beten. Bisweilen verteilte er dann an Kinder noch einen Gulden „Schmerzens­geld“. Die Geschichte spielt noch im alten Österreich-Ungarn.

Der Historien-Detektiv Dietmar Grieser ist mit seinem neuen Buch – pünktlich kommt jedes Jahr im Juni eines heraus – wieder auf Pirsch. Als Thema hat er diesmal die Liebe gewählt: Partner-, Nächsten-, Hassliebe. Mutterlieb­e natürlich, „verbotene“Liebe, erste Liebe, letzte Liebe. Warum hat Beethoven seinen Vater so abgrundtie­f gehasst? Hier finden wir Antwort, ebenso auf die psychologi­sche Frage, wie weit eigentlich Mutterlieb­e gehen darf – am rührenden Beispiel Erich Kästners. Anrührend die Liebesgesc­hichte zwischen dem Dichter Ludwig Fels und dem Asylantenb­aby Udoka. Der Schriftste­ller wohnte übrigens der Buchpräsen­tation am Dienstag bei. Er ist „Ersatzgroß­vater“des in Wien geborenen Kindes nigerianis­cher Flüchtling­e. Zehn Jahre lang hält er dem Mädchen nun schon die Treue.

Auch komplizier­tere Partnersch­aften schildert Grieser. Wie immer vergnüglic­h und in einer Sprache, die unverwechs­elbar bleibt.

 ??  ?? Dietmar Grieser „Was bleibt, ist die Liebe
Von Beethovens Mutter bis Kafkas Braut“, Amalthea, 265 Seiten, 25 Euro.
Dietmar Grieser „Was bleibt, ist die Liebe Von Beethovens Mutter bis Kafkas Braut“, Amalthea, 265 Seiten, 25 Euro.
 ??  ?? Josef Cap „Kein Blatt vor dem Mund“ Kremayr & Scheriau, 191 Seiten, 19,90 Euro
Josef Cap „Kein Blatt vor dem Mund“ Kremayr & Scheriau, 191 Seiten, 19,90 Euro

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