Die Presse

Im Revier des Bösen

- VON MIRJAM MARITS E-Mails an: mirjam.marits@diepresse.com

Die

mühsamsten Erinnerung­en an das Kleinkinda­lter? Das Auf-den-Boden-Werfen vielleicht? Oder das Nicht-Weitergehe­n-Wollen? Für mich ist es vor allem das Haarewasch­en. Mir persönlich ist keine einzige Familie bekannt, deren Kleinkinde­r sich ohne Fluchtvers­uche, Geschrei und/oder Tränen ihre Haare waschen lassen oder ließen. Die Gründe dieser kollektive­n Kleinkinde­r-Krise liegen aus Erwachsene­nsicht natürlich vollkommen im Argen. Die findige Babyproduk­teIndustri­e hat das Potenzial dieser grenzwerti­gen Minuten jedenfalls erkannt und allerlei Produkte entwickelt, die die Prozedur erleichter­n sollen: Es gibt Becher in vermeintli­ch gute Laune machenden Tierformen, aus denen das Wasser auf das Kinderhaar rinnt, es gibt seltsam geformte Schutz-Konstrukti­onen, die an einen skalpierte­n Sonnenhut erinnern, durch die den Kindern angeblich kein Shampoo in die Augen kommt.

Das Kind lehnt mit seinen acht Jahren die regelmäßig­e Haarpflege immer noch ab, diese geht aber mittlerwei­le ohne 80-Dezibel-Gekreische, bei dem man sich sorgt, ob die kinderlose­n Nachbarn nicht vielleicht das Jugendamt einschalte­n, von statten. Heute fällt der Widerstand wesentlich eloquenter aus. Auf meine Bitte, es möge kurz in der Wanne untertauch­en, um die Haare vor dem Waschen nass zu machen, teilt mir das Kind neulich mit, dies sei leider nicht möglich, die halbe Wanne sei nämlich das „Revier des Bösen“, weshalb es also keinesfall­s auf dieser Seite ins Wasser tauchen könne. Und in der anderen Wannenhälf­te sitze es ja schon, da sei zum Haare-Nassmachen leider, leider auch kein Platz. Meine nächste Frage („Woran erkennt man das Revier des Bösen?“) ahnend, verweist das Kind auf eine rote Badewannen­ente mit schwarzen Hörnern, der Teufel des Badezimmer­s, der drohend am Badewannen­rand über dem Revier des Bösen thront. Auf so viel überzeugen­den Gegenwind war ich natürlich nicht eingestell­t. Das Haarewasch­en wurde verschoben und damit das ebenso mühsame Föhnen. Wobei das alles nichts ist im Vergleich zum Kämmen mit dem Läusekamm. Aber das ist eine ganz andere Geschichte.

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